Frauenbilder bei PERRY RHODAN – Teil eins Eine Kolumne von Rainer Nagel über weibliche Charaktere

27. Dezember 2021

Der Roman »Im ewigen Krieg« (Band 3144) von Susan Schwartz erschien im November 2021; als redaktionelle Beilage enthielt er einen PERRY RHODAN-Report. In diesem wiederum wurde ein Artikel von Rainer Nagel veröffentlicht. Der langjährige PERRY RHODAN-Experte setzte sich darin mit der Darstellung von Frauen im Rahmen der größten Science-Fiction-Serie der Welt auseinander.

Diesen Beitrag dokumentieren wir an dieser Stelle. Wegen seines Umfangs bringen wir ihn in zwei Teilen: heute Teil eins und morgen den zweiten Teil.

 

Frauen in den 60er-Jahren
Im September erschien zum 60. Jubiläum der Serie ein »PERRY RHODAN-Sonderband« (PRS), der unter anderem die ersten beiden Exposés der Serie enthielt. Wie immer in solchen Fällen suchte ich »die Stelle«.

Und siehe, da war sie: auf Seite 94, im Faksimile-Nachdruck von »Psychogramm und Namen der 4 Hauptpersonen«, Unterpunkt 4, »Thora«. In den unsterblichen Worten K.H. Scheers steht dort: »Hochgewachsen, langbeinig, gute Formen. (Busen auf dem Rücken, beim Tanz sehr angenehm für den Partner. Kann gestrichen werden!)«

Zugegeben, ganz ernstgemeint war das nicht. Einen Blick auf die Darstellung von Frauen in den frühen Sechzigern liefert dieser Auszug trotzdem. Ihre Rolle ist recht gut in diesem Zitat beschrieben: »Damit erhält der Roman auch den ›weiblichen Pol‹« (siehe PR-Sonderband, Seite 87).

Thora, so erfahren wir, ist zwar eine starke Frau, logisch geschult und mit einem »glasklaren Verstand», aber auch (und da sind wir wieder im »Psychogramm«): »Eine Frau zur Liebe erschaffen, jedoch abweisend, kalt, ungemein beherrscht. Es entwickelt sich eine gewisse Hassfreundschaft zu Perry Rhodan, später unwillige Anerkennung, abschließend glutende Liebe unter Ausschaltung einer jeden, rein logisch begründeten Schulung.«

Das mag er, der Mann der Sechzigerjahre: die bildhübsche, eiskalte Frau, die aber nur »richtig« behandelt werden muss, damit sie ihre zu erwartende Rolle einnimmt.

Thora entwickelt sich in dieser Hinsicht auch sehr vielversprechend: Anfangs noch die einzige Frau im engeren Kreis Rhodans, verliert sie schnell an Selbstsicherheit, als durch die Mutanten weitere Frauen hinzukommen. Und so steckt Crest Perry Rhodan in W.W. Shols‘ PERRY RHODAN 6, »Das Mutanten-Korps«, dass Thora eifersüchtig auf die Telepathin und Telekinetin Anne Sloane sei, damals die zweite Frau unter der Energiekuppel. Da geht sie hin, die »eiseskalte« Arkonidin mit dem »unendlich abweisenden Gesicht«.

Und in K.H. Scheers Band 10 (»Raumschlacht im Wega-Sektor«) muss Thora gar den Raum verlassen, als die Männer einen gefangenen Topsider dazu zwingen, sich auszuziehen. Wir wissen zwar zu diesem Zeitpunkt nicht, ob Topsider überhaupt externe Sexualorgane haben oder diese wie bei den meisten Reptilien »auf Tasche« sind, aber man weiß ja nie, wie sich das auf die arme Frau auswirkt ...

Aber bleiben wir doch bei Thoras Konkurrentin, also Anne Sloane. In PERRY RHODAN 8, »Die Venusbasis« von Kurt Mahr, darf sie mit in den Einsatz. Dort erweist sie sich als typisches Kind ihrer Zeit: Sie schreit, wird ohnmächtig und entführt (und befreit), vergisst in Gefahrensituationen, dass sie Telekinetin ist, und darf ab und an ein Gerät bedienen (aber keine Waffe tragen).

Und es ist nach Ansicht aller anwesenden Männer ganz erstaunlich, dass die Gruppe im Dschungel der Venus 80 Kilometer zurücklegt, obwohl sie doch eine Frau dabei hat. Grundsätzlich setzt Anne ihre Telekinese hier nur dann ein, wenn Rhodan es ihr sagt.

Weitere Einblicke in das Wesen dieser beiden Frauen liefert uns Clark Darlton in PERRY RHODAN 15, »Die Spur durch Zeit und Raum«. Thora, so erfahren wir, ist eine Frau, kann also nicht logisch denken (das »Psychogramm« ist wohl von der Realität der Sechzigerjahre überholt), sondern nur emotional. Deshalb liegt es an Perry Rhodan, ihr die Welt zu erklären. Und Freyt »sieht sie gern«, denn sie ist ja nicht nur eine Frau, sondern auch noch hübsch (selbst ohne den Busen auf dem Rücken).

Zum Glück aber haben wir noch Anne Sloane, die völlig überraschend beweist, dass Frauen doch (manchmal) logisch denken können. Und Rhodan ist geradezu emanzipatorisch-modern, als er ihrem Vorschlag sogar zustimmt, obwohl Bully einen anderen hat.

Aber dann wird es, immer noch in Band 15, gleichsam revolutionär: Nun dürfen auch Frauen an Bord der STARDUST II Dienst tun! Und zwar als Funkerinnen, Chemikerinnen und Elektronikerinnen (offenbar reine Frauenberufe in der Dritten Macht, die Männer sind alle Soldaten, Mediziner, Polizisten und Technikwissenschaftler). Der Haupteffekt der Frauen an Bord ist natürlich nicht, dass das Schiff damit besser läuft, sondern dass ihre Anwesenheit die Männer erfreut.

 

 

Perry Rhodan 3144: Im ewigen Krieg
Susan Schwartz
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845361444
1,99 €
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Perry Rhodan 3144: Im ewigen Krieg
Susan Schwartz
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900006605