Berliner Geschichten (kartoniertes Buch)

'Operativer Schwerpunkt Selbstverlag'.Eine Autoren-Anthologie: wie sie entstand und von der Stasi verhindert wurde, suhrkamp taschenbuch 2256
ISBN/EAN: 9783518387566
Sprache: Deutsch
Umfang: 316 S.
Einband: kartoniertes Buch
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Am 10. November 1975 verfaßte ein Mitarbeiter der Stasi ein mehrseitiges Papier, das sich zur 'Information' an die höchsten Stellen der ehemaligen DDR richtete und diesen warnend zu berichten wußte: '. daß sich mehrere Schriftsteller zielgerichtet mit der Absicht zusammengefunden haben, eine Anthologie von Erzählungen unter dem Titel >Berliner Geschichten< zusammenzustellen und sie einem Verlag in der DDR zur nichtkorrigierten Veröffentlichung anzubieten.' Den 'Fall', als dessen Initiatoren die Schriftsteller Ulrich Plenzdorf, Klaus Schlesinger und Martin Stade ausgemacht wurden, galt es ab sofort 'durch differenzierte Maßnahmen. zu unterbinden'. Zu jenem Zeitpunkt - im November 1975 - hatten die Herausgeber ihre Arbeit im wesentlichen abgeschlossen. Die Beiträge (u.a. von Günter de Bruyn, Elke Erb, Fritz Rudolf Fries, Stefan Heym, Helga Schubert, Joachim Walther) standen fest, die beteiligten Autoren lasen die Manuskripte, und nun wollte man bald darangehen, Verlagen in der DDR das druckfertige Manuskript anzubieten, um - so O-Ton Stasi - 'Verlagslektoren >als Zensor< auszuschalten'. Die erste Autoren-Anthologie auf sozialistischem Boden? Nein! Und also holte die Staatssicherheit mit dem 'Operativen Schwerpunkt Selbstverlag' zum Gegenschlag aus - mit dem Ergebnis, daß diese historisch einmalige, so brisante wie literarisch bedeutsame Anthologie in Schubläden verschwand. 20 Jahre später erscheinen jetzt die 'Berliner Geschichten' - bereichert um ein erklärendes Vorwort und vor 'allem' um Dokumente der Staatssicherheit, die auf ihre Weise beleuchten, daß Literatur, ernst genommen, gefährlich zu werden vermag.
Ulrich Plenzdorf wurde am 26. Oktober 1934 in Berlin-Kreuzberg geboren. Er starb am 9. August 2007 in Berlin. Seine Eltern wurden wegen ihrer Mitgliedschaft in der KPD während der Zeit des Nationalsozialismus mehrfach inhaftiert. Von 1949 bis 1952 besuchte er die Schulfarm Scharfenberg in Himmelpfort bei Fürstenberg (Havel). 1950 zog die Familie von West- nach Ost-Berlin um, wo Plenzdorf 1954 in Lichtenberg das Abitur bestand. In Leipzig studierte Plenzdorf anschließend Marxismus-Leninismus und Philosophie am Franz-Mehring-Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig, verließ die Hochschule aber ohne Abschluss. Ab 1959 besuchte er die Deutsche Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg. Ab 1963 arbeitete er als Szenarist und Dramaturg im DEFA-Studio Babelsberg. Parallel zu seinem Studium arbeitete Plenzdorf von 1955 bis 1958 als Bühnenarbeiter. 1958-1959 war er Soldat der Nationalen Volksarmee. Bekannt wurde der DDR-Autor auch in der Bundesrepublik Deutschland durch seinen gesellschaftskritischen Roman Die neuen Leiden des jungen W. Ursprünglich als Bühnenstück geschrieben und 1972 in Halle (Saale) uraufgeführt, erschien der Roman ein Jahr später und wurde seitdem in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Plenzdorf machte sich aber vor allem auch als Drehbuchautor zahlreicher Spielfilme (Die Legende von Paul und Paula, Der Trinker, Abgehauen) und Fernsehserien (vierte Staffel von Liebling Kreuzberg) einen Namen. Von 1992 war er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Im Jahr 2004 hatte er eine Gastdozentur am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig inne. Ulrich Plenzdorf war seit 1955 mit Helga Lieske verheiratet und hatte drei Kinder.