Einmal Hans mit scharfer Soße (gebundenes Buch)

Leben in zwei Welten
ISBN/EAN: 9783442310944
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S.
Einband: gebundenes Buch
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"Ein seltener Ton in der Debatte über Deutschtürkisches." Tagesspiegel "Ihre Erzählungen sind unterhaltsam, anrührend und nachdenklich, und sie rufen auf zu einem toleranten Miteinander." Kölnische Rundschau "Ein Spagat zwischen zwei Kulturen. Mit viel Humor schafft sie so Verständnis für beide Seiten." Hamburger Morgenpost
Hatice Akyün wurde 1969 in Akpinar Köyü in Zentralanatolien geboren. 1972 kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie seither lebt. Sie schreibt als freie Journalistin u.a. für den "Spiegel", "Emma" und den "Tagesspiegel". Mit ihrem ersten Buch "Einmal Hans mit scharfer Soße" gelang ihr auf Anhieb ein Spiegel-Bestseller. Hatice Akyün lebt in Berlin.
1 Neulich in der Parallelwelt Mein Name ist Hatice. Ich bin Türkin mit deutschem Pass, für Politiker ein Paradebeispiel einer gelungenen Integration, für deutsche Männer die verbotene, exotische Frucht und für deutsche Frauen der Grund, ihre Haare zu hassen. In einer Kontaktanzeige könnte ich mich als "rassige Südländerin mit feurigem Temperament und einem äußerst gebärfreudigen Becken" beschreiben. Und nein, mein Name bedeutet übersetzt nicht die "unter der Morgendämmerung aufgehende, mit Tau benetzte Sonnenblume von den Hügeln Anatoliens". Mein Name hat keine Bedeutung. Oder er bedeutet zumindest auch nicht mehr als Helga oder Nicole. Die erste Frau unseres Propheten Mohammed hieß Hatice, sie war die erste Muslimin. Ein Perser, der mich einmal in einer Berliner Bar rumkriegen wollte, erzählte mir, dass mein Name so viel bedeutet wie "die Frau, der man nicht widerstehen kann". Zu Hause googelte ich das zur Sicherheit nach und fand heraus, dass "die Frau, der man nicht widerstehen kann" ganz anders klingt und der Perser vielleicht gerne poetischen Blödsinn erzählt, aber mich damit noch lange nicht aufs Kreuz legen kann. Ich bin Journalistin, das heißt, ich arbeite viel, habe wenig Geld und noch weniger Zeit. Ich trage kein Kopftuch und bin nicht zwangsverheiratet, weswegen ich noch immer keinen Ehemann habe. Ab und zu fahre ich in den Urlaub, meistens in die Türkei, wo meine Eltern ein Ferienhaus besitzen und meine Verwandtschaft mich mit den Worten zu begrüßen pflegt: "Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?" Wenn meine Familie gerade nicht in der Türkei ist, besuche ich sie regelmäßig in Duisburg, wo sie auch ein Haus besitzt und mich alle jedes Mal mit genau denselben Worten empfangen: "Hast du endlich einen Hans gefunden?" Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken. Und es ist klar, dass Hans ein braver "Brötchenholer" ist. Zu seinem ersten Date kommt er gerne auf dem Fahrrad, mit buntem Fahrradhelm und Hosenschutz. Mit seinem eierförmigen Helm, dem eingezogenen Kopf und den strampelnden Beinen sieht er ein wenig aus wie eine Kröte auf Wanderung. Die hochgebundene Hose, die käsigen Beine und die Druckstelle, die der Helm auf seiner Stirn hinterlassen hat, zerstören jegliche Lust auf ihn, und man bekommt unweigerlich panische Angst davor, Hans ganz ohne Hose sehen zu müssen. Wenn der Kellner beim Zahlen fragt, zusammen oder getrennt, dann antwortet Hans höflich und korrekt - und allenfalls mit einem verschämten Seitenblick auf Helga - getrennt. Helga wiederum würde niemals zum Friseur gehen, einfach nur um sich die Haare fönen zu lassen. Sie trägt keine Absätze, die höher sind als vier Zentimeter, und was der perfekte Bogen einer gezupften Augenbraue ist weiß sie auch nicht. Sie ist aber sehr interessiert daran, es zu erfahren. Und man kann den ganzen Abend beieinander sitzen und herrlich mit Hans und Helga diskutieren. Hans, das wissen wir auch, führt seinen Hund Gassi und sammelt dessen Kothäufchen in einer Tüte zusammen. Seine Möbel baut er nach Aufbauanleitung zusammen und arbeitet dabei überlegt und aufmerksam. In seinem Werkzeugkoffer lagert immer das passende Gerät, und falls es ein Problem gibt, fährt er mit dem Möbelstück zurück zum Verkäufer, beschwert sich über die mangelhafte Anleitung und verlangt eine Lösung für das Ärgernis. Fatma, eine meiner Schwestern, die seit ihrer Hochzeit in der Türkei lebt, versteht überhaupt nicht, warum ich auf deutsche Männer stehe. "Warum tust du dir das bloß an?", ruft sie ins Telefon, während sie auf ihrem Balkon in Izmir sitzt und Tee trinkt. Es gibt so vieles, worüber Fatma nur den Kopf schüttelt. Zum Beispiel, wenn ich ihr von meiner täglichen Ration Vollkornbrot erzähle oder von meinen deutschen Freunden und ihren Familien, die sich nur an Weihnachten sehen. Oder davon, dass jeder sein eigenes Leben lebt und wir alle unsere eigene Wohnung haben. "Fühlst du dich nicht einsam?", fragt sie mich dann besorgt. Ich erkläre ihr, dass ich vie