Mirona – oder eine verhängnisvolle Affäre (Teil zwei) Ein Zwiegespräch zwischen Rüdiger Schäfer und Rainer Schorm

8. Dezember 2017

Anmerkung der Redaktion: Zwei Autoren sind für die Exposés von PERRY RHODAN NEO verantwortlich – Rüdiger Schäfer und Rainer Schorm steuern seit Band 153 gemeinsam die Serie. Mit Band 161 eröffneten die beiden Autoren eine neue Handlungsstaffe, die den Namen »Mirona« trägt.

In einem per Mail geführten Zwiegespräch erinnern sie sich an die Vorarbeiten ... wegen seiner Länge bringen wir das Gespräch in zwei Teilen. Gestern war Teil eins dran, heute ist es Teil zwei.

Rainer: Übrigens war ich von Mirona ebenfalls fasziniert – damals. Die Argumente, Atlan könne sich in eine solche Frau nicht verlieben, halte ich übrigens ganz grundsätzlich für falsch. Als ob jemand auf dieser Welt das bewusst steuern könnte! Wenn man sich umschaut, ist bei Beziehungen wirklich alles möglich. Es ist übrigens eindeutig keine Frage der Intelligenz.

Das ändert nichts daran, dass die Geschichte knifflig ist. Aber es ist doch so: Eindeutige Personen sind langweilig. Je ambivalenter sie sind, umso unvorhersehbarer und desto interessanter wird alles. Wir versuchen ohnehin, die eindeutigen Schwarz-Weiß-Zuschreibungen aufzubrechen und gegen den Strich zu bürsten. Wir wollen den Leser ja überraschen – das funktioniert nicht, wenn man alles so macht, wie zuvor.

Rüdiger: Das stimmt. Das Wort Moral geht übrigens auf das lateinische Wort »moralis« zurück, was soviel wie »die Sitte betreffend« bedeutet. Wir sprechen hier also stets von menschlichen Verhaltensweisen und Prinzipien, die wiederum auf persönlichen Erfahrungen und Weltanschauungen beruhen. Was moralisch als richtig oder falsch gilt, kann schon zwischen den verschiedenen Kulturen auf der Erde stark voneinander abweichen. Wie groß sind die Unterschiede dann erst zwischen verschiedenen galaktischen Zivilisationen?

Zwar ist Mirona Thetin kein Mensch, sondern eine Liduuri, aber bei PR NEO stammen die Menschen von den Liduuri ab; insofern lässt sich hier durchaus eine moralische Nähe annehmen. In unserer Dramaturgie wollten wir uns aber ohnehin gar erst nicht auf Diskussionen darüber einlassen, ob das, was die MdI in Andromeda tun, gerechtfertigt oder verwerflich ist.

Perry Rhodan hat da eine klare und unumstößliche Meinung, die sich mit meiner eigenen deckt: Wer andere Lebewesen ausbeutet, versklavt oder sogar umbringt, handelt immer unmoralisch, unabhängig von seinen Beweggründen. Bestimmte Mittel werden niemals durch den Zweck geheiligt!

Für mich war es ungemein wichtig zu zeigen, dass Mirona unter ihren Taten leidet. Sie weiß, dass das, was sie tut, falsch ist, glaubt aber, keine Alternative zu haben. Mit Atlan steht eine solche dann jedoch urplötzlich zur Verfügung.

Nach 50.000 Lebensjahren ist Mirona an einem Punkt angelangt, an dem sie die Unsterblichkeit längst nicht mehr als Geschenk, sondern nur noch als Bürde begreift. Ihr ist klar, dass sie für ihre Verbrechen keine Vergebung erwarten kann, denn wer sollte ihr diese gewähren? Insofern hat sie sich damit abgefunden, dass sie – wie Atlan sie in NEO 160 einmal bezeichnet – ein Monster ist. Sie sieht sich längst als jemanden, der außerhalb jeder Moral steht. Die Unsterblichkeit hat sie zu etwas gemacht, das man mit den üblichen moralischen Maßstäben nicht mehr fassen kann.

Atlan ist in gewissem Sinn ein Ausweg aus dieser Sackgasse. Er macht Mirona in einem sehr schmerzhaften Prozess klar, dass sie das von ihr verursachte Leid zwar niemals mehr ungeschehen machen kann, dass ihr ihre praktisch unbegrenzte Lebensspanne aber immer noch eine Chance einräumt, zumindest einen Teil ihrer Schuld zu sühnen.

Rainer: Das mit der Moral ist so eine Sache. Woran ich nicht glaube (und wofür ich nie einen Hinweis gefunden habe), sind »ewige Werte«. Unsere Moral basiert zu einem nicht unerheblichen Teil auf unserer Herkunft als Herdentier. Empathie und gegenseitige Rücksichtnahme ermöglichen unsere Art der Soziologie erst. Aber davon auszugehen, dass das so sein muss – gerade bei Außerirdischen und erst recht in einer anderen Galaxis –, ist ein Denkfehler, den viele allzu bereitwillig machen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man sich damit selbst in eine Richterfunktion bringen kann und das ist ziemlich komfortabel.

Der nächste Punkt ist erheblich kniffliger: Was soll man mit einer solchen angenommenen »universellen« Moral tun? Wie unterschiedlich Rechtssysteme sein können, sollte gerade in unserer Zeit jedem klar geworden sein. Soll man einem Dieb die Hand abhacken? Soll man einen Kindermörder hinrichten? Ich will nicht so tun, als wüsste ich darauf eine Antwort, aber eines ist meines Erachtens wirklich wichtig: Wenn Moral nicht zu Recht führt, ist sie pure Beliebigkeit.

Das Gefühl dominiert alles – und das ist beinahe das Schlimmste, was in diesem Fall passieren kann. Es hat seinen Grund, warum man in modernen Rechtsstaaten nicht die Opfer Recht sprechen lässt. Ich frage mal andersrum: Hat Mirona gegen (für sie) geltendes Recht verstoßen? Menschliche Rechtsprechung gilt bereits den Arkoniden nichts (für Moral gilt dasselbe: fragt Atlan!). Oder den Naats. Wie soll das erst in Andromeda sein? Was bleibt, ist Unbehagen. Die MdI sind keine Helden – aber sind sie Monster?  Sie haben Gründe für das, was sie tun. Wenn man die eigene Moral verabsolutiert, landet man allzu schnell da, wo man bestimmt nicht hin wollte: im Unrecht. Aber bei einem Monster als Gegenüber ist das dann ja nicht mehr so wichtig.

Was darf man tun, wie weit darf man gehen, um Unheil zu verhindern? Wie viele Tote sind akzeptabel: Ein von Terroristen besetztes Flugzeug abschießen, um ein zweites 9-11 zu verhindern?

Ich bin heilfroh, dass mir eine solche Entscheidung erspart bleibt. Mirona musste exakt eine solche treffen – denn sie hatte diese Position inne. Das Leben ist komplex und ambivalent. Das gilt auch und gerade für Mirona Thetin und die MdI. Geben wir ihnen also eine Chance. Und das ist definitiv moralisch!

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