Mit seinem Roman »Lockruf des Kreells« hat sich Ruben Wickenhäuser als Autor innerhalb der Serie PERRY RHODAN NEO etabliert. In der nächsten Handlungsstaffel wird sein zweiter Roman folgen. Mit dem in Schweden lebenden Schriftsteller hat Klaus N. Frick ein Interview geführt – die Fragen und die Antworten wurden per Mail ausgetauscht.
Wegen seiner Länge kommt das Interview in zwei Teilen: Gestern veröffentlichten wir den ersten, heute kommt der zweite Teil.
Klaus N. Frick: Du hast in den Nullerjahren mit verschiedenen Autoren historischer Romane gemeinsam Projekte erarbeitet. Fachleute sprechen da gern von »shared worlds«, wenn unterschiedliche Menschen an einer Welt und ihren Romanen schreiben. War das vergleichbar mit der Arbeit an PERRY RHODAN NEO?
Ruben Wickenhäuser: Damals habe ich gemeinsam mit Kollegen drei historische Gemeinschaftsromane bei Aufbau koordiniert und herausgegeben, an denen jeweils zwölf Autorinnen und Autoren beteiligt gewesen waren. Grundsätzlich ist die Arbeit natürlich schon ähnlich, denn so, wie bei PERRY RHODAN NEO jeder sein Exposé bekommt, hatten wir damals ein Gesamtexposé für den Roman erstellt, von dem jeder Autor eine detailliertere Fassung für sein Kapitel bekam.
Vor der jeweils eigenen Schreibphase hatten die Mitschreibenden dann die Gelegenheit, den Text ihres Vorgängers zu lesen, um stilistisch und inhaltlich sauber anknüpfen zu können. Trotzdem schien natürlich der persönliche Stil der Einzelnen durch – mal mehr, mal weniger. Aber die Exposéarbeit für einen Roman ist noch überschaubar.
Insofern war das zwar bedingt vergleichbar – aber wenn ich da die Herausforderung dagegenhalte, der sich Exposéautoren und Redakteur bei PERRY RHODAN NEO stellen müssen, kann ich nur sagen: Hut ab!
Klaus N. Frick: Du wohnst in Schweden, bist aber kein Schwede. Wie hat es dich denn dahin verschlagen?
Ruben Wickenhäuser: Als meine Frau und ich uns zu dem Schritt entschieden haben, auszuwandern, war es der richtige Zeitpunkt für einen größeren Sprung aus Berlin heraus. Wir dachten uns: »Wenn nicht jetzt, dann nie.« Da wir beide Schweden liebgewonnen hatten und auch unseren Kindern die Chance bieten wollten, ihre ersten Jahre jenseits der hektischen Großstadt zu verbringen, haben wir uns einfach dazu entschlossen, den Versuch zu wagen.
Schweden haben wir nicht aus einem verbrämten Klischee oder Wunschdenken heraus gewählt. In eine andere deutsche Stadt wären wir wohl nicht gezogen. Für uns bot sich dieses Land als Alternative einfach am meisten an. Als wir ein bezahlbares rot-weißes Holzhaus im kulturell sehr aktiven Berglagen in Mittelschweden gefunden haben – zugegebenermaßen gibt es da fast nur rot-weiße Holzhäuser –, war die Entscheidung gefallen. Ich kann das Land nur empfehlen.
Klaus N. Frick: Dein eigentliches Steckenpferd ist ja Jugger. Kannst du kurz erklären, worum es dabei geht und was dich daran so fasziniert?
Ruben Wickenhäuser: Als Jugger mir zum ersten Mal begegnete, war das im Volkspark Friedrichshain in Berlin. Da beobachtete ich zwei Teams aus vier Spielern, die aufeinander zu jagten, sich mit gepolsterten Schlägern und einer Dreimeterkette abschlugen und ihren fünften Mann – oder ihre fünfte Frau – schützten, die als einzige einen hundeschädelähnlichen Ball aufnehmen und damit punkten durfte. Das sah genauso merkwürdig aus, wie es klingt, und es schien allen einen Riesenspaß zu machen. Ich hab's ausprobiert und war auf der Stelle Feuer und Flamme.
Der Sport vereinigt auf einzigartige Weise Teamsport wie Rugby und Einzelsport wie Fechten, ist sehr schnell und reich an Taktik. Es tut einfach unheimlich gut, über eine Wiese zu jagen, seinen Mitspielern Warnungen zuzurufen, das Feld und den Ball im Auge zu behalten und außerdem ein Duell nach dem anderen auszukämpfen. Und nicht nur das: Ich kenne keinen andern Sport, bei dem die Kreativität einen so hohen Stellenwert einnimmt, mit selbstgemachten Bannern, grotesken Gewinnerpokalen auf Turnieren, selbstgebauten, wenn auch inzwischen halbwegs genormten Spielgeräten. Ist ja auch kein Wunder. Jugger wurde schließlich von einem Regisseur für seinen postapokalyptischen Film erfunden.
Ich konnte nicht widerstehen, Jugger in Schweden einzuführen, und organisiere seit sechs Jahren ein internationales Turnier, das regelmäßig Teams aus aller Welt anlockt. Wo sonst, wenn nicht im Jugger, reisen Gruppen aus Australien oder den USA zu einem winzigen Dörflein mitten auf dem schwedischen Land, nur um an einem Turnierwochenende teilzunehmen? Folgerichtig durfte der Sport auch nicht auf der STELLARIS fehlen.
Klaus N. Frick: Was kommt als nächstes von dir?
Ruben Wickenhäuser: In Sachen PERRY RHODAN NEO warte ich auf mein Exposé für den nächsten Band und genieße in der Zwischenzeit die Arbeit der Kollegen. Das wird gerade richtig spannend. Gern will ich in der Science Fiction mehr machen.
Ansonsten entwerfe ich eine Kindergeschichte, die in Schweden handelt. Da gibt es massenhaft Relikte aus der Eisenabbauzeit, die nur darauf warten, in einem Roman Kinder zu erschrecken – ganz ohne Hokus Pokus und Maschinengötter. Und ich hoffe, bald mit der Arbeit an einer Science-Fiction-/Steampunk-Graphic-Novel weitermachen zu können, die ich mit einem Berliner Künstler in Angriff genommen habe. Eine Art Krimi zu Jugger habe ich zwar in der Warteschlange, aber für den findet sich wohl keine verlegerische Schublade. Passt ja auch wieder zu diesem Sport.
