Zehn Jahre PERRY RHODAN NEO – Teil 2 Ein Werkstattbericht von Rüdiger Schäfer und Rainer Schorm in Form eines Zwiegesprächs

19. April 2021

Seit der erste Band von PERRY RHODAN NEO erschienen ist, sind fast zehn Jahre vergangen. Derzeit wird die Serie von Rüdiger Schäfer und Rainer Schorm gesteuert. In einem Werkstattbericht, den sie als Zwiegespräch inszeniert haben, blicken die beiden Exposéautoren auf die vergangene Zeit zurück.

Wegen seines Umfangs bringen wir dieses Zwiegespräch in drei Teilen. Gestern kam der erste Teil, heute ist der zweite Teil fällig und morgen folgt der dritte und letzte Teil.

 

 

Rüdiger Schäfer: Ich würde gern noch einmal auf den Aspekt der Wissenschaft zurückkommen, den du anfangs erwähnt hast. Wir haben uns ja von Beginn an sehr stark – eigentlich ausschließlich – auf eine Science Fiction konzentriert, die auf realen, empirisch belegten Tatsachen oder doch zumindest auf einigermaßen gesicherten Theorien aufgebaut ist. Persönlich bin ich ein zutiefst reduktionistisch denkender Mensch, der fest daran glaubt, dass buchstäblich alles durch physikalische Gesetze und Prinzipien erklärt werden kann.

Inzwischen existiert auch bei NEO ein breiter kosmischer Hintergrund, dessen Fundament die Quantenphysik bildet. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass diese Disziplin den ein oder anderen in manchen Aspekten eher an Esoterik denn an harte Fakten denken lässt, aber das liegt nur daran, dass die Welt des Allerkleinsten völlig anders funktioniert als die Welt, in der wir tagtäglich leben.

Was ich immer wieder lustig finde, wenn Menschen die Quantenphysik als absurd oder widersinnig bezeichnen, ist der Umstand, dass sie Dinge wie den überlichtschnellen Flug durch einen ominösen Hyperraum, Telekinese, Zeitreisen (in die Vergangenheit) oder Energieschirme problemlos akzeptieren, obwohl diese wissenschaftlich nun wirklich barer Unsinn sind. Quantenphänomene wie der Welle-Teilchen-Dualismus oder die Heisenbergsche Unschärfe sind dagegen millionenfach bewiesen und noch kein einziges Mal widerlegt worden. Ohne diese Effekte würde ein Großteil unserer Alltagstechnik nicht funktionieren.

 

Rainer Schorm: Da sagst du was! Gleiches gilt übrigens für die Evolution. Ich erinnere mich an die wunderbare Antwort eines Evolutionsbiologen auf die Frage eines Journalisten, was denn diese Theorie eindeutig widerlegen würde. Der Mann antwortete knochentrocken: Kaninchen im Kambrium. Das Schöne ist ja auch, dass sie nicht nur nicht widerlegt werden konnte, sondern ein anderes Gebiet ihr in die Karten spielt – die Genetik.

Was man (auch der Leser) nicht unterschätzen sollte: NEO ist eben Science Fiction. Science ist das eine, Fiction das andere. Da gilt es einen Kompromiss zu finden. Es ist eben keine wissenschaftliche Fachliteratur. Wie viele Studiengänge müssten wir denn da abgeschlossen haben? Aber Lindenstraße mit ein wenig Weltraum drumrum will ja hoffentlich auch keiner. Viele Leser haben auf ihren jeweiligen Fachgebieten sicher deutlich mehr Wissen, als wir es haben können.

Dass die Welt der Quanten sich dem Alltagsverständnis häufig entzieht, ist also nur logisch. Aber es bietet den Autoren gleichzeitig die nötige Unschärfe, um zu spekulieren.

 

Rüdiger Schäfer: Auf all das müssen wir auch beim Lesen der Manuskripte der Kolleginnen und Kollegen achten – und das ist jedes Mal etwas Besonderes. Ja, die reine Spannung hält sich dabei in Grenzen; schließlich kennt man das Exposé und weiß mehr oder weniger genau, was passiert. Trotzdem ist es interessant herauszufinden, was diese oder jener aus den Vorgaben gemacht hat. Und hin und wieder kommt es auch zu ziemlich lustigem E-Mail-Verkehr.

Unvergessen ist mir da – und dir sicherlich auch – der letzte Roman von Tanja (NEO 251), also Lucy Guth. Da fiel mir bei der Lektüre ein gewisser Geoffrey Abel Waringham ins Auge, der im Manuskript zweimal auftauchte. Der entsprechenden Bemerkung im Kommentarfeld ließ die Autorin sofort eine Erklärung folgen:

»Das war seltsamerweise Papyrus (Anm: ein spezielles Schreibprogramm für Autoren), das hat mir ständig aus Waringer Waringham gemacht. Ich dachte, ich hätte es überall erwischt. Papyrus mag die PR-Namen einfach nicht. Aus Mentro Kosum wird Metro Konsum. Aus Sofgart wird Sofort und Iratio Hondro heißt plötzlich Iratio Honda. Man kann das ja schnell ins Wörterbuch aufnehmen, nur bis ich das erstmal merke ...«

Diese herrlichen Verballhornungen sind bei unseren Telefonaten inzwischen fast schon ein running gag …

 

Rainer Schorm: Ein Lob auf den Konsumismus! (Ironie). Gerade bei uns, wo es von neuen Namen und NEOlogismen nur so wimmelt, sind Autokorrektur und Rechtschreibprüfung ruckzuck überfordert. Das nur für den Fall, dass jemand Lektorenjobs abbauen will, weil die angeblich heute keiner mehr braucht.

Gerade bei »Metro Konsum« hab ich Tränen gelacht. Dann kam »Waringham«, und der Tag war komplett gelaufen.

 

Rüdiger Schäfer: Ja, da macht die Arbeit so richtig Spaß! Aber kommen wir mal zur neuen Staffel »Die Tiefe«, bei der wir aktuell schon wieder an den Exposés der letzten drei Romane arbeiten.

Ich glaube, dass wir mit den neuen Romanen ab Band 250 einen richtig coolen Handlungsabschnitt beginnen. Klar, wenn ich von unserem Konzept nicht überzeugt wäre, hätten wir wohl irgendetwas ziemlich falsch gemacht, aber ich fiebere den nächsten Abschnitten unserer großen SF-Saga diesmal wirklich noch ein Stück gespannter entgegen als sonst.

Der eine oder andere Leser war ja gegen Ende der aktuellen Staffel ein bisschen müde, was Iratio Hondro und das Dunkelleben anging. Deshalb geht es nun mit ganz anderen Themen weiter. Wir springen ein gutes Jahrzehnt in die Zukunft, und schon in der 250 platzen ein paar echte Bomben. Trotzdem bleiben wir der grundsätzlichen Linie treu, erweitern unseren kosmischen Hintergrund ein wenig und werfen ein paar neue große Rätsel auf – wie schon zuvor mit dem Versprechen, sie auch zu gegebener Zeit aufzulösen und in den allgemeinen Zusammenhang zu stellen.

 

Rainer Schorm: Bei »Iratio Honda« (sorry) ist es ja erstaunlicherweise so, dass er als tragender Protagonist gar nicht so häufig vorkam. Zumindest hatte ich nicht den Eindruck.

Der wurde tatsächlich gehasst. Was für mich wiederum ein wenig verblüffend ist, denn den Schurken soll ja auch eigentlich niemand mögen. Andererseits bekam der Mann in »Iratio« ja eine Tiefe, die ich für außergewöhnlich halte. Das war nun wirklich keine flache Abziehbild-Figur.

Ich glaube mich daran zu erinnern, dass Hondro bereits in der Erstauflage eine persona non grata war. Um ehrlich zu sein: Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum das so war und immer noch so ist. Vielleicht lag es ja am Namen.

Das Dunkelleben ist eine andere Geschichte. Es war eben kein »Feind« im klassischen Sinne – einer der Vorwürfe, die es auch in der Erstauflage gibt, ist ja häufig, dass die Handlung sich wieder mal nur um die Invasion eines übermächtigen Gegners gedreht habe. Im Fall des Dunkellebens war es eher eine physikalische Größe, ein Phänomen, etwas Abstraktes. Dass wir damit die Leser gefordert haben, war uns klar. Ein abstraktes Phänomen zu personalisieren, ist wirklich nicht einfach.

 

Mal sehen, ob der nächste Bösewicht mehr gemocht wird …

Perry Rhodan Neo 250: Zeitenwende
Rüdiger Schäfer / Rainer Schorm
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845354507
3,49 €
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Perry Rhodan Neo 251: Hinter der Dunkelwolke
Lucy Guth
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845354514
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