Gab es Autoren aus dem »Osten« – Teil zwei Eine Kolumne von Stefan Pannor über PERRY RHODAN-Mitstreiter aus der DDR

16. September 2023

Der PERRY RHODAN-Report 568, der in PERRY RHODAN-Band 3228 (»Die Nacht der Anuupi« von Michael Marcus Thurner) veröffentlicht wurde, widmete sich vor allem der Science Fiction in der ehemaligen DDR. Der Autor und Redakteur Stefan Pannor informierte unter anderem über die wenigen PERRY RHODAN-Autoren mit »Ost-Hintergrund«

Diesen Beitrag dokumentieren wir sehr gern auch an dieser Stelle. Wegen seiner Länge kommt er als Kolumne in drei Teilen an aufeinanderfolgenden Tagen.

 

Entwicklung nach dem Ende der DDR

Die räumliche Konzentration auf westdeutsche Ballungsräume, in denen es entsprechend leichter war, Kontakte zu knüpfen, weil mehr Menschen aufeinander trafen, mag zumindest bis 1990 ein Grund gewesen sein, weshalb keine weiteren ostdeutschen Autoren an der Serie mitarbeiteten. In der DDR sowieso nicht, dort war PERRY RHODAN ein verhasstes Produkt des Klassenfeinds. Eine Mitarbeit über die Staatengrenze hinweg wäre also nicht nur an logistischen Problemen gescheitert, sondern vor allem an politischen.

Das ist der Unterschied zur Mitarbeit des Österreichers Ernst Vlcek an PERRY RHODAN und anderen bundesdeutschen Heftserien, die ebenfalls über Staatengrenzen hinweg verlief – aber nicht über die von Feindstaaten im Kalten Krieg.

Aber auch aus den DDR-Flüchtlingen nach 1961 wurde kein weiterer PERRY RHODAN-Mitarbeiter rekrutiert – zumal deren Zahl nach dem Mauerbau drastisch sank. Vorher war Republikflucht, wie bei Ewers, ein Unterfangen, auf das im schlimmsten Fall Haft stand. Hinterher war es durch den Schießbefehl an der Grenze lebensgefährlich.

Aber wieso kam es nach 1990 so gut wie nie zur Zusammenarbeit mit ostdeutschen Autoren? Immerhin hatte die DDR eine lebendige SF-Tradition, wenn man bedenkt, wie klein das Land war. »In der DDR sind von 1949 bis 1990 insgesamt ziemlich genau 500 SF-Buchtitel erschienen, davon die knappe Hälfte von einheimischen Autoren«, schreibt Erik Simon in einem Überblicksartikel auf Tor-Online.

Die meisten dieser Titel stammten von »echten« SF-Autoren. Also von Autoren, die hauptberuflich von SF lebten und nicht nur ihre Füße mal in das Genre tunkten (wie Ludwig Turek, der eigentlich Romane aus dem Arbeitermilieu schrieb, aber 1949 mit »Die goldene Kugel« den ersten SF-Roman der DDR veröffentlichte).

Dabei gab es neben denen, die das Genre zur politischen Auseinandersetzung nutzten – sowohl im staatstragenden wie im subversiven Sinn –, auch die, die auf Unterhaltungsliteratur spezialisiert waren, etwa Karsten Tuschel und Alexander Kröger.

Das Heftformat kann es ebenfalls nicht gewesen sein. Zwar erschien das Gros der ostdeutschen Literatur in Buchform, aber (erneut Simon) »eine Besonderheit waren primär an jugendliche Leser adressierte Heftreihen. Sie waren nicht auf SF spezialisiert, aber etwa ›Das neue Abenteuer‹ (32 A5-Seiten pro Heft) brachte immerhin 45 SF-Erzählungen von DDR-Autoren« sowie eine größere Zahl osteuropäischer SF-Texte.

Dazu kamen Produkte wie die »Roman-Zeitung«, die Literatur im zweispaltig gesetzten Heftformat mit geleimtem Rücken zum Preis von 80 Pfennig unters Volk brachte. Auch darin erschien SF, etwa von Lem und den Strugatzkis. Wenn also in der staatlichen Literaturkritik der DDR über Schundhefte aus dem Westen geschimpft wurde, waren damit die Inhalte gemeint, nicht das Format.

 

Wenig Serienerfahrung bei DDR-Autoren

Es gab, so PERRY-RHODAN-Chefredakteur Klaus N. Frick, »wenige Autoren aus den fünf neuen Ländern, die sich für eine Arbeit bei PERRY RHODAN interessierten«, und von den wenigen waren noch weniger tauglich für eine Mitarbeit. Einen der Gründe nennt Frick ganz offen: »Zu wenige Kenntnisse unserer Serie«.

Der Serienkanon ist die größte Hürde für alle neuen Autoren. War er zu Ewers’ frühen Zeiten noch relativ überschaubar (und Ewers zudem Leser der Serie von Heft 1 an), ist er seitdem permanent gewachsen. Diese Hürde war für ostdeutsche Autoren nochmals höher als für westdeutsche, da sie erst ab frühestens November 1989 ungehindert Zugang zur Serie hatten.

Dabei gab es nach der Wiedervereinigung durchaus Interesse an PR im Osten. »In den fünf neuen Ländern wurden vor allem die Silberbände stark verkauft«, so Frick. »Wir hatten dann im Buchverlag zwei Vertriebsleute nur für diese Region.«

Was die Möglichkeit angeht, sich für eine Autorenschaft durch diese Bände kompetent zu lesen, ergab sich daraus ein weiteres Problem. Die Silberbände deckten zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung gerade einmal etwas mehr als die ersten dreihundert Heftausgaben ab, Kürzungen und Straffungen nicht gezählt. Sie hinkten also weit hinter dem damals aktuellen Kanon her.