Im April 2022 erschien der Roman »Lloyd und das Chaofaktum« von Michael Marcus Thurner, der die Bandnummer 3164 trug. Als redaktionelle Beilage enthielt er einen PERRY RHODAN-Report. In diesem wiederum wurde ein Artikel von Rainer Nagel veröffentlicht. Der langjährige PERRY RHODAN-Experte informierte darin über die Geschichte der Gastromane.
Diesen Beitrag dokumentieren wir an dieser Stelle. Wegen seines Umfangs bringen wir ihn in zwei Teilen: heute Teil eins und morgen den zweiten Teil.
Der erste Gastautor
Am 22. September 1998 erschien mit »Der Gesang der Stille« (PR 1935) ein bemerkenswerter Roman. Im Exposé findet sich ein Vermerk: »Wir begrüßen als Gastautor in der PERRY RHODAN-Serie Andreas Eschbach, der gegenwärtig als einer der wichtigsten Autoren der deutschen SF-Szene gilt. Das Exposé bietet daher eine ungewohnte Freiheit, die nach Belieben genutzt werden kann, sowie ein weitgehend in sich abgeschlossenes Thema, das hoffentlich nicht übermäßig viele Recherchen nötig macht.«
Damit war das Konzept des »Gastromans« geboren: Bekannte Science-Fiction-Autoren schrieben für PERRY RHODAN, oft mit von der Haupthandlung losgelösten Geschichten, die ihnen eine freie Entfaltung ermöglichten, ohne sie durch die Vorgaben einzuschränken.
In einem Interview erzählte Eschbach 2004: »Unmittelbar nachdem ich den Kurd-Laßwitz-Preis für »Solarstation« bekommen habe, ist Klaus Frick, der PERRY RHODAN-Chefredakteur, auf mich zugekommen … und fragte mich, ob ich PERRY RHODAN kenne – was für eine Frage! – und ob ich Lust hätte, in diesem Umfeld einen Roman zu schreiben. Da habe ich mich sehr geehrt gefühlt und war auch gleich einverstanden. Schließlich war Perry Rhodan praktisch der Begleiter meiner Kindheit.
Ich kam dann auf die Idee, dass man wie bei der TV-Serie DALLAS, wo man Schauspieler in Gastrollen nur jeweils einmal auftauchen lässt, für PERRY RHODAN die Funktion des Gastautoren erfindet. Irgendwie erinnert sich heute dort niemand mehr daran, dass ich diese Idee mitgebracht hatte; die halten es inzwischen für ihre eigene. Aber anfangs gab es große Bedenken, dass ich etwas machen könnte, was nicht ins Serienkonzept passt. Also hat Robert Feldhoff die Handlung, die er sich für den Zyklus ausgedacht hatte, extra für mich modifiziert, um mir einen abgeschlossenen Spielraum zur Verfügung zu stellen.«
Knapp anderthalb Jahre nach Erscheinen dieses Interviews lieferte Andreas Eschbach »Die Rückkehr« (PR 2295) ab, dem bis Ende 2020 vier weitere Bände folgten. Darunter waren der Auftaktband des Zyklus »Das Atopische Tribunal« (PR 2700, »Der Techno-Mond«, 2013) sowie 2015 mit PR 2812 und 2813 die ersten beiden Teile eines insgesamt vierbändigen Blocks, der im Oktober 2016 noch einmal unter dem Titel »Die falsche Welt« bei Bastei-Lübbe als Taschenbuch veröffentlicht wurde.
Und am 27. Februar 2019 erschien bei Fischer/Tor ein knapp achthundertfünfzig-seitiger Roman unter dem Titel »PERRY RHODAN – Das größte Abenteuer«, eine aus der Sicht von Homer G. Adams verfasste Biografie über Perry Rhodans Leben vor Beginn der Heftromanserie.
Etabliertes Konzept
Das Konzept etablierte sich in der Tat. Es begann mit Andreas Findig. In einem Interview berichtete der von einem Gespräch mit Klaus N. Frick: »… ich versuchte nachzudenken, während Begriffe wie ›Nacht-Acht‹, ›Galaktische Krone‹, ›Blaues Blond‹, ›Aagenfelt-Barriere‹, ›Mundänen‹, ›Solare Residenz‹, ›Kym-Jorier‹, ›Morkhero Seelenquell‹ und – besonders alarmierend – ›Mutantenschwemme‹ auf mich einhagelten. Das Stakkato gipfelte in einer schon nicht mehr ganz unerwarteten Frage: Ob ich vielleicht Lust und Zeit hätte, einen Gastroman für PERRY RHODAN zu schreiben?«
Findig steuerte im Jahr 2000 mit PR 2016 »Die Einsamen der Zeit« seinen ersten Beitrag bei. Es folgten die Bände 2033 (»Tod im Türkisozean«, 2000) und 2055 (»13 gegen Arkon«, 2001) sowie, schon im Folgezyklus, 2101 (»Der Konquestor«, 2001).
Kommen wir zu Claudia Kern, ihrerzeit bei »Professor Zamorra« und »Maddrax« aktiv. Obgleich PERRY RHODAN für sie terra incognita war, ging sie 2002 mit Eifer an ihren Gastroman (2132, »Der Saltansprecher«): »Gerade das aber machte die Aufgabe so spannend. Ich musste mich mit einem fremden Universum anfreunden – und das holte ich mit großer Begeisterung nach.« Nach dem Debüt folgten 2003 zwei weitere Romane: PR 2192 (»Wider den Seelenvampir«) und PR 2204 (»Planet der Mythen«). Hinzu kam im gleichen Jahr Band 2 der Miniserie ATLAN-Centauri (»Akanaras Fluch«).
Es folgte der Berliner Autor Frank P. Böhmert, der über ein Taschenbuch zur Serie kam – »Die Sternenhorcher«, 2003 in der »Andromeda-Taschenbuchserie erschienen. Dazu berichtete er: »Und dann haben Klaus Frick und ich nach der Buchmesse via E-Mail und Telefon die verschiedenen Möglichkeiten abgeklopft, die es so gäbe für eine Mitarbeit. Und weil ich zwar allgemein so Einiges drauf, aber im Heftbereich absolut null Erfahrung habe, sind wir schnell zu dem Schluss gekommen, dass ich keinen Gastroman schreiben, sondern lieber an einem Projekt abseits der Hauptserie mitarbeiten sollte. Und das Erste, was da spruchreif wurde, war dieser Sechsteiler.«
Und dabei blieb es nicht: Hinzu kamen »Die Traumkapseln« 2004 in der »Odyssee«-Serie und 2007 für den Taschenbuch-Zyklus »Der Posbi-Krieg« der Roman »Die Psi-Fabrik«. Zur Hauptserie steuerte er schließlich PR 2251 (»Das Land unter dem Teich«, 2004) und PR 2341 (»Die Ratten der NEW JERSEY«, 2006) bei.
