60 Jahre sind kein Pappenstiel – Teil eins Kolumne von Wim Vandemaan zum Serienjubiläum

17. Dezember 2021

Im September 2021 wurde die PERRY RHODAN-Serie bekanntlich sechzig Jahre alt. Zu diesem Anlass erschien ein PERRY RHODAN-Sonderband, der über den Zeitschriftenhandel sowie als E-Book vertrieben wurde. Enthalten war unter anderem ein Geleitwort von Wim Vandemaan, einem der zwei Exposéautoren.

Sein Blick auf die Serie soll an dieser Stelle dokumentiert werden. Wegen seines Umfangs bringen wir ihn in zwei Teilen: heute Teil eins, morgen Teil zwei.

 

Ein Blick auf einen Anfang

60 Jahre sind kein Pappenstiel. Als die Raumsonde Voyager 1 am 5. September 1977 in den Weltraum startete, war »Die grosse WELTRAUMSERIE von K. H. Scheer und Clark Darlton« – wie es der Verlag nannte – schon seit eineinhalb Jahrzehnten auf dem Markt.

Aktuell ist die Sonde bereits in den interstellaren Raum vorgestoßen – PERRY RHODAN ist immer noch da.

Irgendwann im Jahr 2011, während der großen Feier zum 50. Jahrestag der PERRY RHODAN-Serie im Kongresszentrum Rosengarten zu Mannheim, kam die Frage an die über 2500 Gäste: »Ist jemand anwesend, der die Nummer 1 der Serie, ›Unternehmen Stardust‹, eigenhändig gekauft hat? Wenn ja – bitte jetzt auf die Bühne!«

Würde tatsächlich jemand aufstehen?

Es stand jemand auf. Es standen sogar etliche Leser auf. Für einen Moment herrschte Schweigen im Raum, und zwar eines aus 2500 Mündern, dann folgten Ausrufe und Applaus – und die Garde der Erstleser stieg hoch zur Bühne.

Ob einer von ihnen damals, am 8. September, als er die fälligen 70 Pfennig (Sonderpreis Berlin: 50 Pfennig) über die Ladentheke gereicht hatte, sich hätte vorstellen können, dass er aus diesem Grund einmal vor einem so großen Publikum stehen würde?

Dieser 8. September 1961, der Erstverkaufstag der Serie, war ein Freitag. Wenige Wochen zuvor waren Barack Obama (Politiker), Stephen Hillenburg (»Sponge Bob«-Erfinder) und Uschi Zietsch (als Susan Schwartz eine PERRY RHODAN-Autorin) geboren worden – mal in Honolulu (Hawaii), mal in Fort Sill (Oklahoma), mal in München.

In München kam auch PERRY RHODAN zur Welt; ausgedacht wurde er in der Türkenstraße, wo der ursprünglich in Dresden gegründete Moewig-Verlag residierte.

Die geistigen Väter des Weltraumhelden waren Kurt Bernhardt, der Cheflektor dieses Moewig-Verlags, und die beiden populärsten deutschsprachigen Science-Fiction-Autoren ihrer Generation: Karl-Herbert Scheer und Walter Ernsting alias Clark Darlton.

Ernsting und Scheer waren durchaus unterschiedliche Typen. Scheer interessierte sich vor allem für den technischen Aspekt der Zukunft, Ernsting für den menschlichen: Mit welchen Raumschiffen würde man zu den Sternen fliegen (Scheer)? Und wie würde man, fern von der Erde, seine Menschlichkeit dort bewahren und nötigenfalls verteidigen (Darlton)?

Dass die Menschheit demnächst ins All reisen würde, daran bestand anno 1961 wenig Zweifel. Der seit dem 20. Januar 1961 amtierende Präsident der USA, John F. Kennedy, trieb mit der NASA das Mondlandeprogramm voran. Am 12. Februar hatte die Sowjetunion ihre Raumsonde Venera 1 auf die Reise zur Venus geschickt. Im Mai war – vierzehn Monate nach dem russischen Pionier Juri Gagarin – Alan Shepard als erster US-Amerikaner in den Weltraum geflogen.

Grenzenlose Räume eröffneten sich -– auf der Erde dagegen wurden Grenzen neu gezogen: Am 13. August hatte die Deutsche Demokratische Republik begonnen, die Berliner Mauer zu errichten.

Von Mauern ließ sich Perry Rhodan nie aufhalten, denn er – so heißt es im Vorwort zu Heftroman Nr. 1 – »führt hinein in die vor uns liegenden Jahrtausende und über Abgründe hinweg zu Sternenreichen, die seit Millionen von Jahren auf uns warten. Er führt in eine Zeit, in der die Nachkommen der Menschen von der Erde nur noch wie von einem Mythos reden und ein vereinsamter Planet um eine längst erloschene Sonne kreist.«

Im Jahr 1961 schien die Sonne aber noch sehr verlässlich, zumal auf das Wirtschaftswunderdeutschland. Es herrschte sogenannte Vollbeschäftigung; die bei Kriegsende noch stark landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft wandelte sich rasch zur Industriegesellschaft, Ingenieure und Techniker waren gefragt; die Fahrzeugindustrie verfünffachte ihre Produktion binnen eines Jahrzehnts, man wurde mobil und entdeckte die weite Welt – oder baute sie mit Fallerhäusern und Modelleisenbahnen nach.

Das vom WDR ausgestrahlte achtteilige Hörspiel »Paul Temple und der Fall Conrad« von Francis Durbridge erwies sich als Straßenfeger. »Gestatten, mein Name ist Cox« flimmerte über die Mattscheibe. Horst Wendlandt plante, den »Schatz im Silbersee« zu verfilmen. Als das »Unternehmen Stardust« in den Kiosken auslag, versprachen Lale Andersen, Catarina Valente und die große Melina Mercouri »Ein Schiff wird kommen«.

Das stimmte! Genauer gesagt, war dieses Schiff ein Forschungskreuzer der menschengleichen Arkoniden, den eine Havarie auf den Erdtrabanten verschlagen hatte, wo er nun seiner Entdeckung durch Major Perry Rhodan harrte, den Helden der neuen Heftromanserie.

An Bord des technisch weit überlegenen, überlichtschnellen Kreuzers aus dem Kugelsternhaufen M 13 führt die Arkonidin Thora das Kommando, selbstbewusst, ein wenig hochnäsig, aber insgesamt Melina Mercouri nicht ganz unähnlich und – wie auch der Major von der Erde – unverheiratet. Das Schicksal nimmt seinen Lauf …

Wer ist dieser Major Rhodan? Laut Vorwort ein »Forscher, Raumpilot und fanatischer Verfechter des Gedankens an eine vereinte und starke Erde«.

Das Versprechen einer vereinten Erde muss in einem Europa, das – wie Deutschland mit ihm – in zwei einander feindlich gegenüberstehende Machtblöcke zerfallen war, verheißungsvoll geklungen haben.

So gründet Rhodan denn auch schon im zweiten Heftroman »Die dritte Macht«, ein dank Arkonidentechnik traumhaft weit fortgeschrittenes und dem Humanismus verpflichtetes Staatsgebilde. Es soll zur Keimzelle einer vereinten Menschheit werden, muss vorerst aber vor Feinden und Neidern geschützt werden; ihr Schutzschirm: »Die strahlende Kuppel«. Was sich der damalige Chefautor Scheer dabei gedacht hat – in den hier veröffentlichten Exposés lässt es sich nachlesen.

Wim Vandemaan

 

PERRY RHODAN-Sonderband - Das Heft zum 60. Jubiläum
Redaktion, Perry Rhodan
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845332468
2,99 €
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