Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre (Paperback)
Lacan sieht sich auch – nicht zuletzt durch die Arbeiten von Jacques Derrida zu »Urschrift« und »Grammatologie« – genötigt, das Verhältnis von Diskurs, Bild, Sprache und Schrift neu zu durchdenken. Allerdings sucht er nicht die direkte Auseinandersetzung mit Derrida, sondern schärft seine Überlegungen zum einen im Rückgriff auf eigene einschlägige Texte, vor allem »Das Seminar über Poes »Der gestohlene Brief««, das umfassend neu gedeutet wird, zum anderen in der Beschäftigung mit chinesischen und sinojapanischen Schreibweisen, um sich so über gewisse Voreingenommenheiten einer eurozentrischen Linguistik hinwegzusetzen.
Ansonsten ist Lacan unterwegs zu jener Neubestimmung des Geschlechterverhältnisses, die man aus dem »Seminar XX: Encore« kennt. Zwischen Mann und Frau besteht keine Komplementarität, und diese wird auch nicht durch das symbolische Element Phallus hergestellt, das aber auch nicht für eine natürliche männliche Überlegenheit steht – Anstöße genug für die zeitgenössische Sex-Gender-Debatte.
Hans-Dieter Gondek ist Philosoph und Übersetzer in Deutschland.