Menschliches Treibgut (gebundenes Buch)

ISBN/EAN: 9783931135096
Sprache: Deutsch
Umfang: 380 S.
Einband: gebundenes Buch
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'Friedrich Hollaender kam um 1934 in Hollywood an, als Teil einer ganzen Welle deutscher Flüchtlinge - verzweifelte Ausgestoßene, die sich einer fremden neuen Welt und einer fremden neuen Sprache gegenübersahen. Schon bald darauf schrieb er dieses Buch auf ENGLISCH. Ich war davon nicht besonders überrascht, denn für uns, die wir ihn aus Berlin kannten, war er immer ein Genie gewesen - von Kopf bis Fuß, das kann ich beschwören, ein GENIE. Der Roman, den er da schrieb, handelte von einer Gruppe von Menschen, die Hitlers Machtergreifung miterleben müssen. Lassen Sie mich Thomas Mann zitieren, damals ebenfalls ein Flüchtling: "Ein außergewöhnliches und schönes Werk. Es überwindet das Elend dieser Zeiten durch Kunst, durch Liebe zum Leben, zu Schönheit und Geist." Wie könnte ich Thomas Mann widersprechen! Ich gratuliere dem Verlag, der sich entschlossen hat, nach über fünfzig Jahren Hollaenders Buch endlich ins Deutsche zu übersetzen. Was für ein Hochgenuß für die deutschen Leser!' Billy Wilder (der im Roman als 'Bobby Steil' auftritt)
HOLLYWOOD. Das eigensinnigste Fleckchen Erde auf dieser Welt. Es paßt in keine Schublade, ist nicht WIE und ist auch nicht DAS GEGENTEIL VON. Beste Definition bisher: Es ist anders. Es ist anders als alles, was sich ein Fremder darunter vorstellen mag. Anders auch, als es die, die dort leben, gerne hätten. Man kann sogar sagen: Es ist anders, als es ist. Heute anders als gestern und morgen wieder anders. Himmlische Hölle, angenehm deprimierend, künstlich natürlich. Klatschhafte Einsamkeit, naiv und pervers, alles zur selben Zeit. Voller Blumenwunder, schmutziger Tricks und Entführungen. Religiös und stockbesoffen. Friedhof und Metropole. Die duftenden Wälder. Die eleganten Palmengärten. Doch kein Mensch verläuft sich je darin. Die großen, samtblauen Vögel, die über die Hügel gleiten (die niemand je erkundet). Die Grillenchöre, die im Moos (wo die Liebenden ihren Geschäften nachgehen) die mondbeschienene Nacht durchsingen. Der niedrig hängende Halbmond. Könnte nur aufgemalt sein. Die unendlich liebenswerten, total verrückten Menschen. Regen gibt es nur einmal im Jahr. Dann aber heftig. Dem Wolkenbruch schließt sich sofort eine Sintflut an. Es schüttet wie aus Kübeln. Eine kurze, aber gründliche Wäsche. Die restlichen zehn Monate: Sonnenschein. Immer dasselbe, Tag für Tag. Blendende Helligkeit, die Pupillen ziehen sich zusammen. Zwölf Uhr mittags tauchen plötzlich Hunderttausende dunkle Sonnenbrillen in den Straßen auf: eine Stadt der Blinden. Aber dann diese Abende, an denen schwefelgelbe Wolken von rauchigem Nebel aus dem Ozean aufsteigen, die Armeen des Erlkönigs, und sich geisterhaft über die Highways legen. Flinke, todbringende Geistertruppen fegen wirbelnd und austrocknend über die Autostraßen, tanzen einen Reigen um die Windschutzscheiben, legen sich auf die blinden Scheinwerfer wie zähgelbe Wattebäusche. In einer Haarnadelkurve, die Sicht von dichten Schleiern verdeckt, kommt ein Auto von der Straße ab, stürzt in den Abgrund, die Schnauze bohrt sich in den Boden, der Auspuff ragt gen Himmel, der Motor erkaltet - der Tod hat fünf neue Rekruten in dem schnittigen Coupé gefunden, dezent geschminkte, nach der letzten Mode gekleidete Seelen. Und das heil gebliebene Radio plärrt eine Rumba dazu.