Aus dem Nebenzimmer (gebundenes Buch)

ISBN/EAN: 9783902951076
Sprache: Deutsch
Umfang: 224 S.
Einband: gebundenes Buch
Ein schweigendes Paar bei einer Taxifahrt, ein Party-Smalltalk, der Besuch einer politischen Demonstration, das Überbrücken der Wartestunde zuhause zwischen elterlichem Weihnachtsfest und Clubbing: Die Situationen von Xaver Bayers Erzählungen sind unspektakulär, alltäglich, doch sind sie unterminiert durch kleine Erschütterungen, kurzen Momenten des Zweifelns und Zögerns und dem leisen Wunsch nach Veränderung, dem jedoch nur mit Abgeklärtheit begegnet wird. Bayers Helden will es oft scheinen, als ob das Leben anderswo, ohne sie stattfände. Sie wissen sich bestens aufgeklärt über Gott und die Welt und verstehen sich darauf, nicht durch wirkliches Handeln aufzufallen.
Lakonisch und anspielungsreich erzählt Xaver Bayer Geschichten von erschreckend skurriler Tragikomik, deren Protagonisten sich vor lauter ironischer Distanz nicht mehr einmengen ins Leben, weder in das der anderen noch ins eigene, als hätte das Leben keinen Platz im Körper.
Aus dem Nebenzimmer umfasst verstreut erschienene wie auch unveröffentlichte Kurzprosa, Versuche, Gedichte und Short Stories. Die Auswahl der Texte spannt einen Bogen von der Jahrtausendwende bis in die Gegenwart. Zu entdecken ist hier die stupende Vielgestaltigkeit eines stringent eigenständigen Werks.
Als mich seine Schwester anrief, um mir mitzuteilen, dass er tot sei, war ich gerade aus dem Kino nach Hause gekommen. Der Titel des Filmes fällt mir nicht mehr ein, aber ich erinnere mich noch an eine bestimmte Szene daraus, weil ich genau in dem Augenblick, als ich hörte, dass M. tot sei, wieder an diese Szene denken musste. Der Film handelte von einem Mann, der als einziger eine furchtbare Seuche überlebt hat und jetzt allein in einer riesigen amerikanischen Stadt lebt. Er rast mit seinem Wagen durch die menschenleeren Straßen. Die Szene, die mir in Erinnerung geblieben ist, hat mich damals schon sehr beeindruckt. In ihr geht der Mann, der einzige Bewohner dieser ausgestorbenen Stadt, in ein Kino, legt sich eine Filmrolle ein und schaut sich dann, allein in dem großen Kinosaal sitzend, Woodstock an. Ich habe dabei an die Kinos denken müssen, in denen M. und ich waren, und als seine Schwester aufgelegt hatte, warf ich einen Blick ins Kinoprogramm. Ich fand aber keinen Film, den ich mir gerne angesehen hätte.