Abseits der Protokollstrecke (kartoniertes Buch)

Erinnerungen eines Pfarrers an die DDR
ISBN/EAN: 9783889812667
Sprache: Deutsch
Umfang: 220 S., 27 Illustr.
Einband: kartoniertes Buch
Fast 41 Jahre dauerte die Deutsche Demokratische Republik. Inzwischen erscheint manchen völlig unerklärlich, weshalb ein großer Teil der DDR-Bürger weg wollte, warum sie damals aufbegehrt hatten. „Es war doch nicht alles schlecht“ und: „Wir hatten damals wenigstens alle Arbeit“ – Erinnerungen an die DDR werden häufig begleitet von Nostalgie und Halbwahrheiten, Tatsachen werden verdrängt, so resümiert Pfarrer Werner Braune, der die gesamten DDR-Zeit erlebt hat.

Nüchtern berichtet der Autor von den Missständen der DDR, gegen welche Unannehmlichkeiten Mitarbeiter der Kirche und Diakonie kämpften, wie sie sich für Behinderte einsetzten, wie überlebenswichtig Beziehungen waren, wie viel Kraft und Einsatz im Alltäglichen nötig waren, davon erzählt Braune authentisch. Dabei werden auch tief persönliche Erlebnisse lebendig: Wie er Honecker im Krankenhaus besuchte, einen Stasi-Mitarbeiter vor die Tür setzte und eines Tages Dissidenten nach Westdeutschland schleuste. Ein ungeschönter Blick eines Pfarrers auf vier Jahrzehnte DDR-Geschichte.
Werner Braune, geboren 1936 in Lobetal, studierte Theologie. Nach seinem Vikariat in der Prignitz war er zunächst Pfarrer in Lautawerk. Anschließend Landespfarrer für Diakonie in Mecklenburg. Zuletzt – vor seinem Ruhestand 2001 – Direktor der Stephanus-Stiftung. Er lebt in Berlin-Pankow.
Feind hört mit Inzwischen erscheint es manchen völlig unerklärlich, weshalb ein großer Teil der DDR-Bürger weg wollte und warum sie revoltiert haben. Je weiter die DDR zurückliegt, desto schöner wird über sie geredet. Nostalgie leuchtet rosa: Es war so schön, es war alles richtig, wir hatten es so gut, es war eine wunderbare Gemeinschaft. Solche Betrachtung der DDR-Geschichte erinnert an die Mitteilungen von Partei, Rat des Kreises oder Rat des Bezirkes auf Thermo - papier. Jetzt, nach fast zwei Jahrzehnten deutscher Einheit ist die Schrift verblichen. Der Text kaum noch lesbar. Einzelheiten sind nicht mehr festzustellen. Einige schließen daraus, das alles habe es nie gegeben. Es könnte passieren, dass man irgendwann nichts mehr lesen kann. Irgendwann sind alle, die die DDR erlebt haben, ge - storben. Dass der Lauschangriff gegen einige Bürger alltäglich ge - schah, bleibt für mich eine große Schamlosigkeit, gehört zu der Geschichte, die keine Nostalgie verträgt. Der Satz "Feind hört mit" stammt aus der Nazizeit. Der sozialistische Mithörer im Auftrag der SED war nicht der Feind, sondern Tschekist, Ermittler oder Friedenskämpfer. Sein Lauschangriff gehörte zum Klassenkampf. Bespitzelung von Nachbarn, Freunden, Verwandten und Fremden wurde zum guten Werk der sozialistischen Revolution stilisiert und sollte einer Denunziation edle Züge verleihen. Die Spitzel von damals bekommen dafür häufig eine bessere Rente als die Belauschten. Sie erhalten sie vom ehemaligen Klassenfeind, der auf diesem Weg und mit Hilfe des Lauschangriffes eigentlich vernichtet werden sollte. In der DDR war vieles anders, gewöhnlich, preußisch, büro - kratisch; aber alles war Klassenkampf. Das Humorpotenzial der Partei blieb überschaubar. Zugelassene Witze, die Devisen brachten weil vor westdeutschem Publikum im Kabarett Theater "Distel" erzählt , wurden gern gehört. Nur war es so, dass der in der "Distel" erzählte Witz den Nationalpreis brachte und derselbe Witz in einer Kneipe in Sachsen-Anhalt erzählt neun Monate Gefängnis zur Folge hatte. Das war die Rechtssicherheit innerhalb der sozia - listischen Gesetzlichkeit. Pater Braun sagt in dem Film "Das schwarze Schaf": "Humor ist eine Erscheinungsform der Religion. Nur wer über den Dingen steht, kann über sie lächeln." Wir hatten Glück, die gleiche Bibel und das gleiche Gesangbuch in Deutschland und im deutschsprachigen Raum zu nutzen. Wir hatten alle denselben Himmel, aber nicht denselben Horizont. Manchmal saßen wir "zwischen allen Stühlen - aber immer unter dem Schirm des Höchsten". So hatte es Gottfried Forck, der von 1981 bis 1991 Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg Bereich Ost war, einmal formuliert. Meine Lebensgeschichte ist geprägt durch 40 Jahre DDR. Gestärkt haben mich in dieser Zeit immer wieder die Worte des Propheten Joel: "Fürchte dich nicht, sondern sei fröhlich und getrost, denn der Herr kann auch große Dinge tun." (Joel, 2,21)
Vorwort
– 7 –
Feind hört mit
– 9 –
Verkündigung besonderer Art
– 10 –
Einer zu viel
– 13 –
Jenseits der Grenze
– 14 –
Abgeschnitten
– 19 –
Neunter November
– 20 –
Behindertenarbeit
– 22 –
Nächtliche Anrufe
– 24 –
Die Namenlosen
– 25 –
Störende Elemente
– 27 –
Urlaubstage in Ungarn
– 30 –
Der rote „Seelsorger“
– 31 –
„Abflug“
– 33 –
Kindheit in Lobetal
– 39 –
Kriegsende
– 45 –
Flüchtling
in Waßmuthshausen
– 47 –
Heimkehr nach Lobetal
– 54 –
Gestempelt
– 57 –
Feste feiern
– 58 –
Schuljahre
– 63 –
Radfahren auf der
Autobahn verboten
– 68 –
Abitur
– 70 –
Stalin stirbt
– 72 –
Überfall auf Lobetal
– 74 –
Verkehrsunglück
– 75 –
Abschied
– 77 –
Studium
– 79 –
Unruhen
– 81 –
Kurrendereise mit
Komplikationen
– 84 –
Examen
– 86 –
Vikariat
– 88 –
Predigerseminar
– 91 –
Pfarrstelle in
Nieder Neuendorf
– 94 –
Kirchenrenovierung und
Ordination
– 98 –
Sperrgebiet
– 101 –
Jugendweihe contra
Konfirmation
– 104 –
Pfarrstelle in Lautawerk
– 107 –
Gemeindekirchenrat und
Pfarrkonvent
– 115 –
Das Wunder von Sauo
– 119 –
Reise in die C` SSR
– 120 –
Landespfarrer für Diakonie
in Schwerin
– 123 –
Reparaturen
– 129 –
Abwehr
der Suchtgefahr
– 132 –
Beschaffungen
– 134 –
Unerwünschte Begleitung
– 137 –
Neubau Wichernhof
– 138 –
Stephanus-Stiftung
– 147 –
Kaffee für Aze
– 150 –
Das Jahr des Geschädigten
– 154 –
Spontane Spende
– 156 –
223
Winterbereitschaft
– 157 –
Rechtsunsicherheit
– 163 –
Traueranzeige
– 166 –
Heim Hagental
– 168 –
Synode
– 173 –
Berufliche Anerkennung
– 175 –
Paten und Partner
– 177 –
Konsum
– 182 –
Ausreiseanträge
– 183 –
Verhaftung eines Schülers
– 187 –
Rente im Osten
– 192 –
Demonstration
mit Folgen
– 195 –
Nach der Wende
– 207 –
Hellseher
– 210 –
Weitergehen
– 217 –