Projekt einer zeitgenössischen Literaturgeschichte (kartoniertes Buch)

Essays, Frühe Texte der Moderne
ISBN/EAN: 9783869160986
Sprache: Deutsch
Umfang: 214 S.
Einband: kartoniertes Buch
Als Louis Aragon (1897–1982) Anfang 1922 das ungeliebte Medizinstudium zugunsten freier literarischer Tätigkeit aufgab, erhielt er die finanzielle Unterstützung des Pariser Couturiers, Kunstsammlers, Bibliophilen Jacques Doucet (1853–1929). Als Gegenleistung verpflichtete sich der junge Autor, in regelmäßigen Abständen Skizzen des Pariser literarischen und künstlerischen Lebens für seinen Mäzen zu verfassen - Texte, die dem 70-Jährigen einen unmittelbaren Einblick in das Denken und Treiben der jungen zeitgenössischen Avantgarde vermitteln sollten. In Erfüllung dieses Abkommens schrieb Aragon in den Jahren 1922 bis 1924 eine Reihe von kurzen Essays, die ihm mit einem monatlichen Honorar vergütet wurden. Eine vorübergehende Entfremdung der beiden Männer führte zum Abbruch dieser Arbeit. Offenbar hatte Aragon ursprünglich die gesamte Periode von 1911 bis 1922 darstellen wollen. Das zeigt der Plan, den er im Februar 1922 in der Zeitschrift "Littérature" unter dem Titel "Projet d‘histoire littéraire contemporaine" veröffentlichte. Die Manuskripte befinden sich heute in der Bibliothèque littéraire Jacques Doucet (Paris). Nur wenige von ihnen hatte Aragon zu Lebzeiten veröffentlicht. Er machte aus ihnen eine Art Geheimsache, so dass die meisten Kapitel erst nach seinem Tod von dem französischen Dada-Spezialisten Marc Dachy herausgegeben werden konnten. Dieser von Dachy kommentierte Text liegt der hier gebotenen ÜberSetzung von Lydia Babilas zugrunde.
Jörg Drews (1938-2009). Studierte Germanistik, Anglistik und Geschichte in Heidelberg, München und London und wurde 1966 mit einer Dissertation über Albert Ehrenstein promoviert. Redakteur und Literaturkritiker bei der "Süddeutschen Zeitung". Seit 1973 Professor für Literaturkritik und Literatur des 20. Jh. an der Universität Bielefeld. Forschungsschwerpunkte: Arno Schmidt (Hg. des "Bargfelder Bote"); Johann Gottfried Seume (1995 Gründer der Johann-Gottfried-Seume-Gesellschaft zu Leipzig); seit 1977 Mithrsg. der "Frühen Texte der Moderne"; Mitbegründer des Bielefelder Colloquiums Neue Poesie; seit 2002 Vorsitzender der Jury des Hörspielpreises der Kriegsblinden.
Vorwort

Agadir. – Die Diebstähle im Louvre. – Der Futurismus. – Die russischen Ballette. – Nick Carter. – Die Duncans.


Von 1913 bis zum Krieg

Alcools. – Wie man von Lautréamont sprach. – Vers et Prose, die Closerie des Lilas. – Rimbaud in den Händen Paul Claudels. – La Phalange. – Die Epoche der Soirées de Paris. – Guillaume Apollinaire schließt sich an einem Tag des Grand Prix dem Futurismus an. – Savinio in Hemdsärmeln – Die Indépendants. – Cravan. – Die Baronin. – Le Phalène. – Le Sacre. – Chirico. – Brief Arthur Rimbauds, der Rêve enthält (N.R.F. vom 1. August 1914).


Vom 1. August 1914 bis zum Tod Apollinaires (10. November 1918)

Das Kino, Charlie und die Vampire. – Le Mot, l’Elan und les Solstices. – Montparnasse und Montmartre. – Guillaume Apollinaire und der Krieg. – Die Dienstage des Flore. – Sic. – Kisling, Abdul, Modigliani, usw. – Taufe von Max Jacob. – Veranstaltungen der O.S.T.: Philippe Soupault, die Fuégiens. – Parade. – Die Rue Huyghens: oder die Musik mischt sich ein. – Les Mamelles de Tirésias. – Jacques Vaché – Die russische Revolution. – Paul Valéry lässt la Jeune Parque erscheinen. – Das Abenteuer Fraenkel-Cocteau: was soll man von der modernen Poesie halten? – 292. – Nord-Sud. – Streitigkeiten im Montmartre. – Der Satie-Prozess. – Das Val-de-Grâce: André Breton. – Apollinaire als Zensor und Louis Delluc. – Ich mache ein Sonett zu Ehren des Generals Joffre. – Der Einfluss Jarrys wird spürbar. – Guillaume Apollinaire und der neue Geist, Roger Allard, der literarische Kubismus. – Philippe Soupault im Krankenhaus. – Die kommerzielle Organisation der Nouvelle Revue Française. – Les Trois Roses, L’Éventail, L’Instant, La belle Édition, Madame Aurel, Madame Lara, Art et Vie. – Soi-même und la Caravane. – 391. – Pierre Bertin, Pelléas im Odéon. – Madame Bathory im Vieux Colombier. – Paul Guillaume, die Rosenbergs. – Picabia in Spanien, in der Schweiz und in Amerika. – Die Schweiz während des Krieges: Dada, Bolo, Casella, Guilbeaux, Romain Rolland. – Spanien: Marie Laurencin, Robert Delaunay. – Amerika: Marcel Duchamp, Man Ray, Cravan, W. C. Arensberg, usw. – Deutschland: Huelsenbeck, Baader, Max Ernst, Baargeld, usw. – Les Écrits Nouveaux: André Germain bewundert André Breton. – Soireen bei Valéry. – André Breton in Moret. – Das amerikanische Trugbild. – Adrienne Monnier. – Monsieur Dermée und die Verrückten. – Heirat Philippe Soupaults. – Tod Guillaume Apollinaires.


Vom Waffenstillstand bis Dada (November 1918 bis Januar 1920)

Manifeste Dada 1918. – Kodifizierung des literarischen Kubismus. – Aujourd’hui erscheint und stirbt. – Valori Plastici. – Art et Vie wird Art et Action. – Cocteau nimmt Gestalt an. – Tod von Jacques Vaché. – Die Epoche der Collagen. – Das Dit des Jeux du Monde, die Cuirs de Bœuf. – Le Crapouillot, l’Europe nouvelle. – Die Vorbereitungen von Littérature (der junge Cliquennois). – Gide unterrichtet sich. – Littérature. – Le Sans-Pareil in der Rue du Cherche-Midi. – Anfänge von Paul Morand. – Isidore Ducasse. – Max Jacob und seine Zwerge. – Matinée Reverdy: Raymond Radiguet. – Die N.R.F. beginnt wieder. – Fraenkel am Rhein. – Ich kehre nach Paris zurück. – Les Champs magnétiques. – Couleur du Temps: Paul Éluard glaubt einen Toten zu erkennen. – Der Surrealismus. – Die Literaturpreise. – Wo man anfängt, den Kubismus satt zu haben. – Gespräche mit Zürich. – Die Wiederherstellung der internationalen Beziehungen (Ezra Pound, Ivan Goll, usw.). – Ich begegne Drieu la Rochelle. – Vlaminck, Derain, Picasso. – Die reaktionäre Offensive in der Malerei und die ersten Indépendants; J. L. Vaudoyer, A. L’Hôte, J. E.Blanche, Louis Vauxcelles so ziemlich überall. – MAN LANCIERT FAVORY. – J. E. Blanche als Literaturkritiker. – Georges Auric im Val-de-Grâce. – Maurice Raynal im Renaissance-Theater. – Fernand Vandérem entdeckt die moderne Literatur. – MAN WIRD ALLES KOMPROMITTIEREN MÜSSEN. – Erstes Knacken (Reverdy). – Francis Picabia kehrt nach Paris zurück.


Dada (Januar 1920 bis Oktober 1921)

Picabia. – Tzara. – Ribemont-Dessaignes. – Die russischen Ballette: ein Pelzdiebstahl. – Erster Freitag von Littérature. – Der große Zorn. – La Section d’Or. – Ära der Veranstaltungen: Grand Palais, Faubourg, Volkshochschule, Œuvre, die anonymen Briefe, die Salle Gaveau. – Rachilde und Dada. – Der Salon Gallimard. – Vandalistischer Akt bei André Breton. – Dada und die N.R.F. – Der Salon von Madame Erlanger: Drieu, Ève Francis. – Max Jacob in Lariboisière: Auftauchen von Benjamin Péret. – Dada-Publikum. – Dada eilt dem philosophischen Erfolg entgegen. – Paul Valéry bei Miss Barney. – Salon Mühlfeld. – André Germain lädt in die Rue du Mont-Thabor ein. – Die Stille. – Ausstellungen im Sans-Pareil. – Die Dada-Bücher erscheinen. – Cannibale. – Tzara gibt sich als kleiner Chateaubriand. – Die Anthologie Crès. – Madame de Noailles. – Clement Pansaers und Belgien. – Erfolg von Picabia: Vernissage bei Povolotzki. – Carco, der große Mann für Cora und Mistinguett. – Das Bœuf sur le toit und die Cocteau-Aufführungen. – Picabia entfernt sich von uns. – Jacques Rigaud macht den Leuten etwas vor. – Noch einmal 391. – Wo sind die Maler? L. A. Moreau, Nam, Segonzac, usw. bei Madame Rappoport. – Die deutsche Fata Morgana: Max Ernst, Ausstellung und Veranstaltung. – Marinetti in Paris: Zorn von Madame Gustave Kahn. – Kahnweiler-Auktion. – Saint-Julien-le-Pauvre. – Filme von Louis Delluc. – Die Affäre Barrès. – Die große Exkommunikation. – Kleines Abrissunternehmen: Geschichte eines Portefeuilles. – Picabia ersetzt Jules Romains als Herausgeber von Little Review. – Die Dissidenzen. – André Breton trennt sich von Dada. – Der Dada-Salon, Programm und Veranstaltung. – Die futuristischen Bruiteure. – Hébertot, Schließung des Dada-Salons. – Paul Éluard in Saint-Brice. – Les mariés de la Tour Eiffel: Robert Delaunay. – Neuer Glanz von Montmartre. – Blanche auf dem Lande. – Tirol im Herbst 1921.


Nach Dada (Oktober 1921 bis heute)

Abende in Broussais. – Ein Faustschlag von Georges Braque. – Der Haussegen hängt schief. – Bericht von Fernand Divoire über die Poesie (staatliches Unterrichtswesen). – Aventure, Roger Vitrac, Jacques Baron (Henri Cliquennois taucht wieder auf). – Man-Ray-Vernissage und die Buchhandlung Six. – Kongress von Paris (Max Morise). – Cocteau will André Breton wiedersehen. – Der Salon von Madame Aurel existiert noch! – Comité des C.P. – André Breton sieht Francis Picabia wieder: Enthüllungen. – Tzara wird demaskiert. – Die große Gefühlskrise und was daraus folgt. – Die Closerie des Lilas. – Wie der Kongress endet. – Das Bärtige Herz, das das Nackte Auge heißen sollte. – Reise nach England: Georges Limbour in Le Havre. – Würfelspiel: Politik Tzaras. – Amerikaner: Josephson, Brown, Cummings. – Sezession in Wien. – Doktor Caligari. – Salmon als Dramatiker. – Robert Desnos. – Das Petit Casino: Veranstaltungspläne. – Benjamin Péret in Le Matin. – Die verbotene Kundgebung: Schönheiten der Passage du Caire. – Die anarchistischen Kreise. – Der große Fotograf Man Ray. – Die Literaten organisieren sich. – Bessarabo-Prozess. – Francis Picabia auf dem Lande. – Paul Éluard in Tirol. – Philippe Soupault als Geschäftsmann. – Drieu zurück in Paris. – Ball in der Salle Bullier. – Gemälde von Crotti: André L’Hôte. – Der Große Romanpreis an Francis Carco. – Paul Souday greift Baudelaire an: NOCH STEHT NICHTS FEST.


Schlussbemerkung

Zustand der Geister Anfang Sommer 1922. – Wie Dada die Welt nicht gerettet hat. – Vorläufer einer neuen Eisenbahnliteratur, deren Prototypen Chateaubriand und Max Jacob sein werden. – Eine Reaktions-Woge. – Noch gibt es mehrere, die sich nicht erhängt haben. – Alles nimmt seinen Platz ein. – Universale Mittelmäßigkeit. – Wie man Geschichte schreiben wird.