Indianische Heilkunst (kartoniertes Buch)

Pflanzen, Rituale und Heilungsbilder nordamerikanischer Schamanen
ISBN/EAN: 9783863741679
Sprache: Deutsch
Umfang: 189 S.
Einband: kartoniertes Buch
Die indianische Spiritualität geht von der Erfahrung der Ganzheitlichkeit aus: Alle Lebewesen und Naturerscheinungen im Himmel und auf Erden sind miteinander verwoben. Vor diesem Hintergrund hat sich seit Jahrhunderten eine naturnahe Heilkunst entwickelt, die immer mehr Menschen im Westen fasziniert.

In diesem Buch stellt Rudolf Kaiser sachkundig und differenziert die Realität traditionellen indianischen Heilens dar: Die Einführung in das ganzheitliche Denken der Indianer und die Vorstellung bestimmter Zeremonien und Heilpflanzen werden dabei ergänzt durch zahlreiche Originaltexte und sakrale Abbildungen − ein umfassender Einblick in eine uralte Weisheitstradition.
Rudolf Kaiser, Dr. phil., ist Professor em. für Anglistik an der Universität Hildesheim. Er beschäftigte sich viele Jahre mit den Indianerkulturen Nordamerikas und lebte im Rahmen seiner Forschungsarbeiten auch selbst mit den Indianern zusammen.
Vorwort: (Auszug aus der Einführung) Der Begriff "Apparatemedizin" ist in den vergangenen Jahren geläufig geworden als eine negativ gemeinte Wortfügung für bestimmte Weisen der Behandlung von Krankheiten in unserer westlichen Kultur. Während frühere Generationen es dankbar begrüßten, wenn eine Maschine, eine Apparatur, eine technische Vorrichtung entwickelt wurde, die kranken Menschen Hilfe und Erleichterung versprach, zeigt sich heute im abwertenden Gebrauch dieses Begriffs, dass zahlreiche Menschen bei dieser "technischen Hochleistungsmedizin" etwas Wesentliches vermissen. Die negative Bedeutung des Begriffs scheint mittlerweile sogar auf den Begriff "Schulmedizin" überzugreifen. Viele Menschen meinen, dass unsere Medizin von einem falschen Menschenbild ausgehe, das sich auf den französischen Denker René Descartes (1596-1650) zurückführen lasse. Descartes hatte im Zusammenhang mit der menschlichen Natur zwei für die abendländische Geschichte außerordentlich einflussreiche Prinzipien formuliert: Zum einen lehrte er, dass der Körper und die Seele zwei strikt voneinander getrennte Substanzen seien (res extensa - res cogitans); zum anderen vertrat er die Auffassung, dass der so von der Seele isolierte Körper nicht als Organismus, sondern als eine Maschine zu verstehen sei. Damit war einer mechanistischen Erklärung aller Lebensvorgänge Tür und Tor geöffnet. (...) Umso häufiger hört man positiv gemeinte Gegenbegriffe, etwa "alternative Medizin", "sanfte Medizin", "Komplementärmedizin" oder "Ganzheitsmedizin". Dementsprechend eingestellte Mitglieder der Heilberufe - z.B. Homöopathen und viele Heilpraktiker - haben Zulauf; chinesische Formen der Heilkunst, wie Akupunktur oder Akupressur, genießen hohe Anerkennung; und wesentlich häufiger als in frühere Jahrzehnten diskutiert man über Geistheiler, Kräuterfrauen oder Schamanen. - Offensichtlich handelt es sich bei allen diesen Heilungsformen um Weisen der Medizin, die sich von der geläufigen "Schul- und Apparatemedizin" durch ihren stärker ganzheitlichen, Leib UND Seele ansprechenden Ansatz deutlich unterscheiden. "Indianische Medizin" wird in diesem Zusammenhang häufig als eine der Möglichkeiten alternativen Heilens genannt. Auch hierzulande hören und lesen wir von indianischen Medizinmännern und Medizinfrauen, von Schamanen/schamanistischen Heilpraktiken und von indianischen Heilungszeremonien. Was hat es damit auf sich? Wie sieht indianische Heilkunst heute aus? Wie sah sie früher aus? Worin unterscheidet sich indianische Medizin von der uns vertrauten "westlichen", wissenschaftlichen Medizin? Ich will in diesem Buch versuchen, Antworten auf diese Fragen zu geben. (Auszug aus dem Kapitel 2. Schamanen, Medizinmänner und Medizinfrauen) Im folgenden soll genauer vorgestellt werden, wer die Personen sind, die bei Heilungszeremonien eine zentrale Rolle spielen, also die Schamanen, die Medizinfrauen oder Medizinmänner. Sie sind im indianischen Verständnis - wie wir gehört haben - nicht nur Mediziner in unserem Sinne, die sich um das körperliche Wohlergehen der ihnen anvertrauten Patienten kümmern. Da dieses körperliche Befinden für Indianer immer mit psychischen, sozialen, kosmischen und religiösen Faktoren verbunden ist, ist der Medizinmann notwendigerweise derjenige, der Kenntnisse über alle diese Bezüge erworben hat und darum oftmals auch politischer Führer ist; der als Lehrer für die Traditionen des eigenen Volkes in Erscheinung tritt, sich als Psychotherapeut hervortut oder in priesterlicher Funktion tätig wird. Das Bemühen, Mensch und Welt als Ganzheit, als ineinander verflochtenes Gefüge zu sehen, wird hierbei deutlich. Schamanen sind der Idee nach Personen, die die Gabe tiefer Einsicht in die Bedingungen des menschlichen Lebens besitzen und denen zugleich eine Weisheit bezüglich des Reiches der Geistwesen zuteil geworden ist. Alle Dinge in der Natur, sichtbare und unsichtbare (Tiere, Pflanzen, Wolken, Winde, Gestirne ...), gelten als mögliche Quellen spiritueller Kraft, mit deren Hilfe und in deren Auftrag Schamanen arbeiten. Um dies zu bewerkstelligen, können sie nach eigenem Wollen ihren Bewusstseinszustand verändern, ausdehnen, vertiefen. Im Zustand der Trance, einer tiefen Hypnose vergleichbar, erweitern sie ihr Wahrnehmungsvermögen und dringen in Bewusstseinsräume vor, die dem Normalbewusstsein unzugänglich sind. Das bedeutet zugleich, dass die oft erwähnten "Reisen" von Schamanen nicht eine Bewegung durch den dreidimensionalen Raum darstellen, sondern eher eine Bewegung "nach innen", zu den verborgenen spirituellen Dimensionen der Dinge, wo Entfernungen verschwinden und Unterschiede, wie wir sie kennen, in einer Ganzheit aufgehoben sind. (Die Nähe zur mystischen Erfahrung in denjenigen Kulturen, die sich aus biblischer Tradition herleiten, ist unübersehbar.) (...)
INHALT

Einführung

1. Begegnungen - Erfahrungen - Erlebnissse
2. Schamanen, Medizinmänner und Medizinfrauen
3. Hexer, Hexen und Zauberer
4. Die geistigen Hintergründe und die inneren Zusammenhänge indianischer Heilkunst
5. Zum Verhältnis von "weißer" und indianischer Medizin
6. Hózhó: Zur Weltsicht der Navajo-Indianer
7. Eine (angebliche) Besonderheit indianischer Naturheilverfahren: Die "Ohrkerze" der Hopi-Indianer
8. Indianische Pflanzenheilkunde (Phytotherapie)
9. Indianische Heilungsbilder: Navajo-Sandgemälde (Sand Paintings)
10. Rituale des Lebens und Sterbens, des Abschieds und Überganges

Anhang: Indianische Heilungstexte (Medicine Songs)
Literaturverzeichnis