Souveränität - Feindschaft - Masse (kartoniertes Buch)

Theatralik und Rhetorik des Politischen in den Dramen Christian Dietrich Grabbes, Moderne Studien 15, Moderne-Studien 15
ISBN/EAN: 9783849810016
Sprache: Deutsch
Umfang: 242 S.
Einband: kartoniertes Buch
Die vorliegende Arbeit untersucht den Komplex Souveränität, Feindschaft und Masse im kulturhistorischen und literarischen Kontext des Vormärz und geht ihm in eingehenden Textanalysen des Früh- und Spätwerks von Christian Dietrich Grabbe nach. Angeregt durch Walter Benjamins Lektüre des deutschen Trauerspiels, das als Theater der Krise in seiner dramatischen Konstellation sowie in seiner exzessiven Theatralität eine erstaunliche Vergleichbarkeit mit Grabbes maßloser Dramaturgie aufweist, wird dieser Dramatiker als melancholischer Moderner erkennbar.

Ausgehend von der unauflösbaren Spannung zwischen dramaturgischer Innovation und ideologischer Melancholie, die Grabbe – um die Kontingenz der Geschichte wissend – in seinen Dramen auslotet, wertet diese Arbeit den ambivalenten, heterogenen und sogar ostentativ irritierenden Charakter von Grabbes Dramentexten nicht als dramaturgisch mangelhaft und unspielbar, sondern als Symptom seiner ›zaudernden Modernität‹, und diskutiert deren Möglichkeiten für eine postdramatische Ästhetik.
Sientje Maes, geb. 1984, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie an der Universität Leuven, wo sie von 2008 bis 2013 als Forscherin des flämischen Wissenschaftsfonds (FWO) tätig war.
Kapitel 1
Christian Dietrich Grabbe oder Die Dramaturgie des Vormärz. Mutmaßungen und Hypothesen

1. Die Welt als ›ausgelesenes‹ Buch: Grabbes ›melancholischer Blick‹ als Klassik-Kritik

2. Zwischen Transzendenz und Kontingenz: Der Souverän als ›gespaltene‹ Kreatur

3. Grabbes Dramen als ›Spiele vor Traurigen‹?

4. Politik als (Massen)Spektakel: Die prekäre Inszeniertheit der Macht

5. Pöbelfurcht und Kleinbürgerverachtung

6. Ästhetisierung und Mediatisierung der Geschichte

7. Grabbe und der deutsche Mythos

8. Souveränität - Feindschaft - Masse: ein ambivalenter Themenkomplex

9. Fallstudien und Fragestellungen
9. 1. Grabbes Position in der Theaterlandschaft des Vormärz
9.2. Theoretische und methodologische Perspektiven

Kapitel 2
'Gleich dem Medusenhaupte ein Komet'. Theatralischer Exzess und Kontingenz in Grabbes Debüt 'Herzog Theodor von Gothland'

1. ›Dramaturgie des Plus Ultra‹ und die Frage der Unspielbarkeit
1. 1. Grabbes selbst-inszenierte Poetik der Irritation
1. 2. Die Frage der Unspielbarkeit als Herausforderung für das postdramatische Theater

2. 'Herzog Theodor von Gothland' als ›maskenhafte Neubelebung einer entleerten Welt‹
2. 1. Ein Schau-Spiel der end-losen Trauer
2. 2. Der Abgrund als ›Un-Tiefe‹: selbst-destruktiver Zynismus statt der romantischen 'Wahrheit unseres Seins'

3. Theatralität und Allegorisierung als Verstellung von ›Vergängnis‹
3. 1. 'Und ein geschminkter Tiger ist der Mensch!': das Politische als entmoralisiertes Maskenspiel
3. 2. Die Kriminalisierung der Kontingenz und Dämonisierung der ›göttlichen‹ Schöpfung
3. 3. 'Gleich dem Medusenhaupte ein Komet': die (meta-)Allegorisierung des unanschaulich Realen

Kapitel 3
Der Souverän als Wiedergänger. 'Napoleon oder die hundert Tage'

1. 'Was mit den Leuten zu machen, wenn ihre Zeit vorüber war und ihre Anhänger doch trotzdem und rückwirken wollen?'
1. 1. Die Sehnsucht nach erinnerter Größe
1. 2. (R)Evolution des Geschichtskonzepts: der Jahrmarkt als neues Schlachtfeld

2. 'Hat das Volk für Kaufleute gestritten, so heißt das noch nicht, daß die Krämer es beherrschen können'
2. 1. Die Ambivalenz des Liberalismus: zwischen Demokratie und Despotismus
2. 2. Der römische Bürgerkrieg als Projektionsfläche vormärzlicher ›Pöbelfurcht‹

3. Das Theater der Revolution
3. 1. Vom Lustspiel zum Schock-Theater
3. 2. Von äußerer zu innerer Revolution

4. 'Neue Regierung, neue Kleider'
4. 1. Die Mode als Spiegel politischer Instabilität
4. 2. Das Ancien Regime als leere Präsenzkultur

5. Grabbes 'dramatisch-epische Revolution' als Revolution der modernen Medien
5. 1. Polyperspektivische Konfliktdramaturgie als Spiegel der modernen Großstadt
5. 2. Das Panorama als 'Schulungsstätte der modernen Apperzeptionsfähigkeit'
5. 3. Grabbes Napoleon-Figur als karikaturistische Inkarnation der neuen Medien

6. 'Ich bin ich, das heißt Napoleon Bonaparte, der sich in zwei Jahren Selbst schuf'
6. 1. Grabbes Napoleon als selbst-inszeniertes Vormärz-Genie
6. 2. Die theatralische Zur-Schau-Stellung der Macht

7. ›(aus-)gespielte‹ Geschichte: Das Glückspiel als späte Allegorisierung der entleerten Zeit
7. 1. Der Kampf als 'märchenhaftes Forum von Gemeinsinn und Loyalität'
7. 2. Sieg ohne Perspektive
7. 3. Das endlose Trauern um ein nicht-tragisches Ende

Kapitel 4
'Hannibal' oder Das Endspiel des mythischen Helden

1. Das Theater als letzter Spielraum für das Ausnahmesubjekt

2. 'Hannibal' als ›Demonstrationsmodell‹ des Vormärz

3. 'Das kleine Ende im unermeßlichen Chaos des Gemeinen'
3. 1. Der isolierte Einzelgänger im kollektiven Machtkampf
3. 2. 'Was tragisch ist, ist auch lustig, und umgekehrt': Hannibals tragikomische Lage

4. Die Theatralität des politischen Machtspiels
4. 1. Der Markt als Spiegel des sozio-politischen Lebens
4. 2. Die noble Maske der Römer

5. Die Gesellschaft in Krise: zwischen Rationalisierung und Sakralisierung des Politischen

6. Die gesellschaftliche Wirkungslosigkeit des Aufstands

7. 'Was Tapferkeit des Einzelnen, wenn das Ganze verrottet ist?'

Kapitel 5
'Die Hermannsschlacht': Die ›Geburt‹ des Theaterkönigs aus dem politischen Mythos des Nationalhelden

1. 'Der Cid' als groteske Präfiguration von Grabbes 'Hermannsschlacht'

2. Grabbes 'Hermannsschlacht' im Spiegel von Kleists ›Nationaldrama‹: Theater der Propaganda statt Propaganda-Theater
2. 1. 'Die Hermannsschlacht' als irritierendes Nationaldrama
2. 2. Die (Ohn)Macht der Sprache
2. 3. Theatralität statt Brutalität

3. 'Die Hermannsschlacht' als Maskenspiel: Kleist und Grabbe im Vergleich
3. 1. Kleists und Grabbes Drama als Neubelebung der ›entleerten‹ Welt
3. 2. Kleists Hermann als Meister der Verstellung und Manipulation
3. 3. Grabbes zum Theater gewordenes Nationaldrama

Zum Schluss: Grabbes zaudernde Modernität

Literaturverzeichnis

1. Quellen
1. 1. Werkausgaben von C.D. Grabbe und Heinrich von Kleist
1. 2. Weitere Quellen

2. Forschungsliteratur
2. 1. Forschungsliteratur zu C.D. Grabbe und Heinrich von Kleist
2. 2. Weiterführende Forschungsliteratur

Danksagung