Shriek (kartoniertes Buch)

Verlag:
ISBN/EAN: 9783608937787
Sprache: Deutsch
Umfang: 492 S.
Einband: kartoniertes Buch
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Im Hinterzimmer eines düsteren Lokals in der Dschungelstadt Ambra sitzt eine einsame Frau über eine Schreibmaschine gebeugt. Der Raum ist in ein seltsames Licht getaucht, die Wände sind von einem giftgrünen Pilzbewuchs bedeckt. Janice Shriek ist dabei, die Lebensgeschichte ihres Bruders Duncan zu erzählen. Während die unberechenbaren Grauhüte und Pilzsporen ihr gefährliches Spiel mit Duncan und Janice treiben, entsammt zwischen den beiden größten Verlagshäusern der Stadt ein ebenso skurriler wie irrsinniger Krieg, der seinen Höhepunkt in einer dramatischen Opernaufführung findet: Fassungslos erleben die Zuschauer ein Blutbad - erst auf der Bühne und dann im Saal.
Jeff VanderMeer ist für "Die Verwandlung des Martin See" (im vorliegenden Band enthalten) mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet worden. Seine Werke - darunter sein hoch gelobter Erstlingsroman "Veniss Underground" - sind in über 20 Ländern erschienen. 2001 zählte ihn die SF-Zeitschrift "Locus" zu den zehn führenden Autoren phantastischer Literatur auf der Welt. Seine Homepage ist www.jeffvandermeer.com.
1 'Kein Mann und keine Frau soll'n sagen können, sie hätten mich erzürnt und lebten weiter, wenn nicht in schwerem Mißbehagen immerdar!' 'Ahoi, ich seh' Sophiens Insel voraus, beschwert durch finstre Nacht, so wie ein Echo wie ein Geist.' 'Ach, könnten wir das grause Schicksal doch von uns tun mitsamt dem Kriege, den wir nie hätten führen soll'n!' Was ist Ihnen aus dem Krieg der Häuser am lebhaftesten in Erinnerung geblieben? Erst vor sechs Monaten hat mir ein dreister junger Reporter diese Frage gestellt, nachdem er sich die Mühe gemacht hatte, mich in meiner Wohnung aufzuspüren: einer Ruine, die mit dem Müll eines Lebens voller Fehlstarts angefüllt ist. Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal mehr, für welche Flugschrift er arbeitete. Nach einem langen Tag, an dem ich den Fremdenführer für die Sorte von Leuten gespielt hatte, die ich die Ignoranten und die Grobiane nenne, war ich mürrisch und mißmutig. Allmählich fing ich an, einige der weniger ersprießlichen Eigenschaften meiner Kunden anzunehmen. Außerdem war er wirklich ausgesprochen jung! Selbst als Kind war Sybel nie so jung gewesen. Wahrscheinlich war der Kerl noch nicht mal geboren, als der Krieg ausbrach. 'Was ist Ihnen aus dem Krieg der Häuser am lebhaftesten in Erinnerung geblieben?' fragte er mich. Im Sonnenlicht, das durch das offene Fenster hereindrang, konnte man Staubkörnchen sehen, die hinter seinem Kopf schwebten. Jenes Fenster öffnete ich nur noch selten. Mir gefiel nicht, was dann in meiner Wohnung zum Vorschein kam: der abgetretene rote Teppich; die mit Pailletten besetzten Kleider, auf Bügeln in einer dunklen Ecke über einen plumpen alten Sessel geworfen; die Dutzende von Gemälden, die ich aus der Galerie gerettet hatte, allesamt völlig wertlos. Ich hatte weiß Truff woher sogar zwei Zeremonialschwerter - und Dutzende von Photoalben, aber ich brachte es nicht über mich, sie hervorzuholen. In der Wohnung hätte mal wieder gründlich gelüftet werden müssen, aber der Reporter hat nicht einmal die Nase gerümpft, das muß man ihm lassen - nicht einmal, als eine Staubwolke aufstieg, kaum hatte sein hagerer Hintern mit der Sitzfläche des zweiten Sessels näheren Kontakt aufgenommen. 'Was mir in Erinnerung geblieben ist?' wiederholte ich. Bei Truff, was war sein Gesicht glatt und sorglos, selbst in diesem Licht. Sehen alle Unschuldigen so aus? 'Die Oper, natürlich', sagte ich. Seine Augen leuchteten auf und weiteten sich, und er kritzelte irgendwelche Notizen auf einen nutzlosen Block, den er mitgebracht hatte. 'Als wir über den Krieg berichteten - insbesondere mittendrin -, hatten wir kein Papier', sagte ich in einem hilfreichen Tonfall. 'Unsere Notizen mußten wir mit unserem Blut auf Taschentücher schreiben. Meistens ging uns die Tinte aus.' Er sah erschrocken auf, und ihm glitten braune Strähnen über die noch brauneren Augen. Dann betrachtete er mit einem fast schuldbewußten Gesichtsausdruck seinen Notizblock, bis ich loskicherte - ein Geräusch, über das ich mehr erschrak als er - und er begriff, daß ich nur Spaß machte. 'Sind Sie aus irgendeinem Grund wütend auf mich?' fragte er, und jetzt hatte er keine Ähnlichkeit mehr mit einem Reporter. Plötzlich war er nur noch ein kleiner Junge, so wie Duncan einst ein kleiner Junge gewesen war. Ich starrte den aufstrebenden Reporter an und seufzte, lehnte mich in meinem Sessel zurück und sagte: 'Nein. Ich bin nicht wütend. Ich bin alt und müde. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Oder etwas zu essen? Ein Freund hat mir ein paar Kekse gebacken. Ich glaube, die sind hier noch irgendwo.' Ich fing an, unter den Kissen zu meinen Füßen zu suchen. 'Nein', sagte er, etwas zu schnell. 'Das ist nicht nötig. Ich möchte nur, daß Sie mir vom Krieg und von der Oper erzählen.' Seine Lippen würden immer voll sein und trotzdem ausdruckslos. Ein ernster Mund ohne die Andeutung einer Krümmung nach oben oder nach unten, die verraten hätte, ob er ei
Ein Buch voll von Ironie, Einfallsreichtum und abgründigem Witz