Die Varusschlacht (kartoniertes Buch)

Der germanische Freiheitskrieg - Propyläen
ISBN/EAN: 9783549073223
Sprache: Deutsch
Umfang: 320 S.
Einband: kartoniertes Buch
Nicht lieferbar

Dieser Artikel ist zur Zeit nicht lieferbar.

Auch verfügbar als:
Das alles und noch viel mehr weiß Focus-Redakteur Christian Pantle auf ebenso kenntnisreiche wie unterhaltsame Weise zu beantworten. Im Stil einer Reportage führt er uns an die Anfänge unserer Zeitrechnung, als die antike Supermacht im Zenit ihrer Machtentfaltung stand und dabei war, sich große Teile Germaniens einzuverleiben. Mit der spektakulären Niederlage am Teutoburger Wald wendete sich das Blatt in dem fast dreißigjährigen Krieg - mit bis heute spürbaren Folgen für die Geschichte Europas. Pantle versteht es glänzend, das dramatische Schlachtgetümmel plastisch zu schildern und die Protagonisten lebendig werden zu lassen. Wir erfahren Neues über die jüngsten archäologischen Funde, lernen den Schauplatz des Geschehens kennen und staunen über die geniale Taktik, mit der Arminius seinen Gegenspieler in die Falle lockte. Abbildungen, Schaubilder und Karten ergänzen Pantles Bericht und machen das Buch zur idealen Einführung in eines der spannendsten Kapitel unserer Geschichte.
Christian Pantle, geboren 1970 in München, promovierte eben dort zum Doktor der Humanbiologie. Nach Stationen bei der Süddeutschen Zeitung, der Augsburger Allgemeinen und beim Tagesspiegel ist er seit 2000 als Wissenschaftsredakteur im Ressort Forschung und Technik des Magazins Focus tätig, mit den Schwerpunkten Archäologie, Frühgeschichte, Natur und Technik.
4. Blitzkrieg 4 n. Chr. Neuerlicher Germanienfeldzug des Tiberius 4/5 n. Chr. Gründung des Römerkastells Anreppen im heutigen Kreis Paderborn 5 n. Chr. Tiberius leitet amphibische Zangenoperation an der Elbe Ende der Unruhen in Germanien »Caesar [Tiberius] rückte sogleich in Germanien ein und besiegte die Canninefaten, Attuarier sowie Brukterer«, umreißt Paterculus den Beginn des Feldzugs 4 n. Chr. »Zudem nahm er die Cherusker in die Obhut des römischen Volkes auf.« Wie solch eine Aufnahmezeremonie ablief, schildert unser Augenzeuge anschaulich am Beispiel eines anderen Germanenstammes, der Chauken: »Die gesamten jungen Krieger gaben ihre Waffen ab«, so Paterculus. »Sie alle fielen zusammen mit ihren Führern vor dem Tribunal des Feldherrn auf die Knie, umgeben von einem waffenblitzenden Ring unserer Soldaten.« Die Inobhutnahme war also nichts anderes als der römische Euphemismus für eine unblutige Unterjochung, und man kann erahnen, was in einem bis dato freien Germanen vor sich ging, wenn er vor einem Spalier fremder Soldaten zu Kreuze kriechen musste. Welchen Tiefschlag bedeutete die Unterwerfungsprozedur wohl für das kollektive Selbstwertgefühl des Stammes? Vermutlich brannte ein großer Teil der Bevölkerung innerlich dar - auf, es den Invasoren heimzuzahlen, auch wenn es kaum jemand wagte, dies offen zu zeigen. Ob der mittlerweile 20-jährige Arminius unter den knienden Cheruskern war, erfahren wir leider nicht. Wir wissen noch nicht einmal, ob der Fürstensohn zu der Zeit noch bei seinem Stamm wohnte, da über seine Jugend ähnlich wenig Informationen existieren wie über die seines Zeitgenossen Jesus Christus. Die antiken Biographen zeigten für diesen Lebensabschnitt geringes Interesse, und so ist die heute vielfach verbreitete Behauptung, Arminius sei zeitweise in Rom aufgewachsen, nichts als pure Spekulation. Falls der Adelsspross 4 n. Chr. noch unter seinen Stammesgenossen lebte, ist es wahrscheinlich, dass er spätestens jetzt in die römische Armee eintrat. Das Imperium zog oft die jungen Männer eines gerade unterworfenen Volkes massenhaft zum Militär ein, also den potentiell aufsässigsten Teil der Bevölkerung, um Widerstand im Keim zu ersticken. Nach der Kapitulation der Cherusker »überschritt Tiberius die Weser und drang weiter ins Landesinnere vor«, fährt Paterculus fort. »Der Sommerfeldzug wurde bis in den Dezember ausgedehnt und brachte uns den Vorteil weiterer Siege.« Die Römer fühlten sich nun so sicher, dass die Armee »mitten im Landesinneren an den Quellen der Lippe überwinterte« – höchstwahrscheinlich im heutigen Anreppen nahe Paderborn im Osten Nordrhein-Westfalens. Dort entdeckten Archäologen die Reste eines großen Kastells, bei dem nicht nur die Örtlichkeit sehr gut zum Bericht des Paterculus passt, sondern auch das Alter: Das Gründungsjahr lässt sich anhand des Jahresringmusters im Bauholz auf spätestens 5 n. Chr. datieren. Der Wintersitz erstreckte sich über 23 Hektar und besaß einen herausragenden Zentralbau: Das Kommandeursgebäude maß 71 auf 47,5 Meter, was etwa einem halben modernen Fußballfeld entspricht. Ein derart gigantischer Wohnsitz sprengte selbst für römische Verhältnisse die üblichen Dimensionen und war für einen normalen Befehlshaber eindeutig zu protzig. Man kann daher annehmen, dass sich hier Tiberius als Statthalter über Germanien und designierter Nachfolger des Augustus einen prachtvollen Herrschaftssitz errichten ließ. Zur Ausstattung gehörten Laubengänge und Gartenanlagen in abgeschotteten Innenhöfen, wie es auch von Luxusgebäuden anderer Militärlager bekannt ist. Roms Führungsschicht war offenbar selbst im tiefsten Germanien nicht bereit, auf den gewohnten Komfort und mediterranen Lebensstil zu verzichten. Nördlich des Kommandeurspalastes befand sich eine große Badeanlage, die mindestens zwei Räume besaß, unter denen man heiße Luft hindurchleiten konnte. Von dieser Fußbodenheizung und den warmen Bädern machten die Römer im kalten germanischen Winter offenbar regen Gebrauch: Sie überbeanspruchten die Ofenanlage derart, dass diese mehrfach ersetzt werden musste. Tiberius selbst blieb nicht in seinem neuen Herrschaftssitz. Er überquerte zum Jahreswechsel die Alpen, machte Augustus seine Aufwartung und kehrte im Frühjahr 5 n. Chr. zu seiner Truppe zurück. Kaum angekommen, startete er einen weiteren Kriegszug, bei dem er die Germanen von Land und See her buchstäblich in die Zange nahm.