Ein Sommer mit Hugo (kartoniertes Buch)

Roman
Verlag:
ISBN/EAN: 9783492304887
Sprache: Deutsch
Umfang: 160 S.
Einband: kartoniertes Buch
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Sommer, Sonne und die Strände von Biarritz - schöner kann die Liebesgeschichte zwischen Harold Cobert und seiner späteren Frau kaum beginnen. Aus einer sommerlichen Romanze reift eine Beziehung und mit ihr der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind. Doch noch ahnen die beiden nicht, was das Schicksal ihnen und ihrer Liebe für Steine in den Weg legen wird.
Juni 2008 Samstagmorgen. Ich bin aus dem Schlaf geschreckt. Ein schlechter Traum. Meine Frau hat gesagt: Das Baby ist tot. Vor knapp drei Monaten war sie früher als sonst nach Hause gekommen. Hatte ihre Tasche aufs Sofa gelegt, mich geküsst und im Badezimmer ein Glas Wasser getrunken. Dann war sie vor der Tür des Zimmers, in dem ich am Schreibtisch saß, stehen geblieben. Sie trug ihre goldbraunen Stiefeletten und die Jeans, die ich so mag, ein weißes Oberteil und eine beige, gerippte Strickweste. Dazu ihre Kette mit den Anhängern, die bei jeder Bewegung leise klimpern und ihr ein apartes Hippieflair verleihen. 'Wie war dein Tag?', fragte sie. 'Gut. Und deiner?' Sie zuckte unmerklich zusammen, als hätte sich eine Erinnerung in ihr geregt. Inzwischen hatte ich die kleine, rechteckige Schachtel bemerkt, die sie in der linken Hand hielt. 'Ich habe in der Apotheke einen Test gekauft.' In einem Atemzug hatte sie das gesagt. 'Ich bin schon eine Weile überfällig.' Es war, als würde die ganze Welt stillstehen. Stumm lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und lächelte sie an. 'Urteilsverkündung in fünf Minuten.' Der Holzboden knarrte unter den Sohlen ihrer Stiefeletten. Als ich wieder allein war, schweifte mein Blick ziellos durch den Raum, bis er durchs Fenster auf das von den Regengüssen verwaschene Blau des Himmels fiel. Langsam sank die Dämmerung über die Stadt. Die zweite Märzhälfte neigte sich dem Ende zu. Ich hatte gewusst, dass es früher oder später passieren würde. Aber nicht so schnell. Wir waren seit dem 22. September verheiratet und hatten seit anderthalb Monaten allen Vorsichtsmaßnahmen wie auch dem Rauchen Adieu gesagt. Wobei ich mir jetzt zur Ablenkung gern eine angezündet hätte. Meine Gedanken überschlugen sich. Der erste, den ich seltsamerweise zu fassen bekam, war dieser: Ich bin nicht steril. Bis ich meine Frau kennenlernte, hatten meine Beziehungen nie länger als drei Monate gedauert. Drei Tage, drei Wochen oder drei Monate. Höchstens. Und immer drei. Angst, sich zu binden. Angst um jedes Zentimeterchen Freiheit, das man verlieren könnte. Zudem hatte ich den Sex in Zeiten des Aidsbooms entdeckt - Gummis hatten verhindert, dass ich in derartige Situationen überhaupt erst geriet. Ich würde also Vater werden, mit vierunddreißig Jahren. Vielleicht. In weniger als fünf Minuten würde ein blauer Streifen meinem Leben eine neue Richtung geben. Oder auch nicht. Ich war aufgestanden und hatte rasch nachgerechnet. Die zeitliche Übereinstimmung war verblüffend. Das Gedicht Le Revenant von Victor Hugo kam mir in den Sinn. Meine Freundin Christel hätte den Termin als Zeichen gedeutet, als Bestätigung ihrer Prophezeiungen, als eindeutigen Gottesbeweis. Absurde Dinge, an die ich nicht glaube. Abergläubische Wahnvorstellungen, denen ich mit der Haltung eines Oscar Wilde begegne: 'Man sollte nicht überall Zeichen sehen, es macht einem das Leben zur Qual.' Das Thema Gott hat mich lange verfolgt, vermutlich weil alle anderen darauf hinauslaufen. Wenn es ihn gibt, hat die Welt, hat das Leben, haben sogar Gut und Böse wirklich einen Sinn. Wenn nicht, ist alles totaler Nonsens und wird nur vom Zufall und vom Gesetz des Stärkeren regiert. Endlose Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Ich reagiere schon seit Langem mit einem wohldurchdachten Agnostizismus, einer Art pascalscher Wette, nur umgekehrt. Anstatt auf die Existenz von Gott zu setzen und mich sklavisch nach Seinen Geboten zu richten, erfreue ich mich lieber meines Lebens im Hier und Jetzt. So habe ich, wenn es Ihn wirklich nicht gibt, wenigstens nichts verpasst. Sollte Er aber doch existieren, werde ich meine Sünden mit ehrlicher Reue schon wiedergutmachen können. Theologie im Schnellverfahren, aber trotzdem eine raffinierte Argumentation, schließlich bin ich nicht umsonst zwölf Jahre bei Ignatius von Loyola in die Schule gegangen. Jedenfalls weigere ich mich, das Leben und seine irdischen Freuden einem hypothetischen Paradies im Jenseits zu opfern. Ic