Submarino (kartoniertes Buch)

Roman, Heyne Hardcore
ISBN/EAN: 9783453675957
Sprache: Deutsch
Umfang: 384 S.
Einband: kartoniertes Buch
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Knallharter sozialer Realismus Armut, Missbrauch und eine alkoholabhängige Mutter. Nick und sein jüngerer Bruder sind in schlimmen Verhältnissen aufgewachsen, bis eine Tragödie die Familie auseinanderriss. Nun wird Nick aus dem Gefängnis entlassen. Er ist ein Mann, der weiß, was er will: hart trainieren, hart trinken und hart werden gegen die ganze Welt.
Jonas T. Bengtsson, geboren 1976, wurde für seinen ersten Roman, Aminas Briefe, 2005 mit dem Dänischen Debütantenpreis ausgezeichnet. Sein zweiter Roman Submarino wurde von Thomas Vinterberg verfilmt. 2010 gewann Bengtsson den Per-Olov-Enquist-Preis. Wie keiner sonst ist sein dritter Roman, die Filmrechte sind bereits vekauft. Jonas T. Bengtsson lebt in Kopenhagen.
Als wir heute aufwachten, war er ganz still. Als wir heute aufwachten, war er ganz still. Als wir alle heute wach wurden und Mutter aus dem Zimmer kam, in dem sie die ganze Nacht geschlafen hatte, lag er einfach nur still da. In seinem Kinderwagen, im Flur. Total weiß. Mutter hatte die ganze Nacht geschlafen, aber sie hatte nichts gehört. Es gab ja auch nichts zu hören. Er war vollkommen still. Mutter bekam einen Schock, als sie ihn fand. Saß vollkommen still da und hatte einen Schock. Viele Stunden lang. Dann riefen wir an. Mutter konnte nicht. Aber das muss man. Man muss doch anrufen. Mutter saß da und versuchte, ihm die Brust zu geben, obwohl er ganz still war. Mutter hatte ja einen Schock. Wir sitzen im Zug. Der Mann heißt John. Wir könnten Vater und Sohn sein, Freunde. Aber die, die an uns vorbeigehen, halten uns bestimmt für zwei Fremde, die sich gegenübersitzen. Vor dem Einsteigen hat John zu mir gesagt: 'Du machst doch keinen Scheiß. Du machst doch keinen Scheiß, oder?' Ich habe ihm zugenickt. Meine Zigarette ausgedrückt. Dann sind wir eingestiegen. Seitdem haben wir die Klappe gehalten. John ist um die fünfzig, hat einen Vollbart mit grauen Strähnen. John arbeitet. Ich sehe in die Zeitung, die neben mir liegt. John sieht aus dem Fenster. Beobachtet mich aus den Augenwinkeln. John ist schuld daran, dass ich hier bin. Er hat die Papiere gefunden. Ich bin mir fast sicher. Aber gesagt hat er nichts davon. Am Hauptbahnhof steigen wir aus. John geht neben mir. Ganz dicht. Wir warten auf den Bus. Stehen nebeneinander. Beim Einsteigen stempelt John beide Fahrkarten. Wieder sitzen wir uns gegenüber. Es hat geregnet. Wir gehen durch das Friedhofstor. An den Gräberreihen entlang. Ein paar neue, viele alte. Aus einem Betonsockel neben einer Metallgießkanne ragt ein Wasserhahn empor. Daneben steht ein kleiner Rechen. Wir gehen zu den Gemeinschaftsgräbern. Ein grünes Viereck, umrahmt von niedrigen Büschen. 'Und hier liegt er?', fragt John. Ich nicke. Das Gras ist ungepflegt, an ein paar Stellen vergilbt. Ich schließe die Augen, versuche mich zu erinnern, wo sie ihn beerdigt haben. Ich war seit damals nicht mehr hier. Hab nicht einmal mehr an ihn gedacht. Nicht oft. Richtig kennengelernt habe ich ihn nie. Das antwortete ich jedenfalls auf die Fragen des Gefängnispfarrers. Als sie die Papiere gefunden hatten. Als sie mich einen Lügner genannt hatten, der sich Freigang verschaffen wollte. Als sie mir ein bisschen, ein ganz klein bisschen verziehen hatten. Ich dachte nicht oft an ihn. Sah sein Gesicht vor mir, wenn ich sehr müde war. Sonst nicht. Sonst nie. Vor dem Loch. Das Loch. So nennen sie es. Draußen heißt es Isolationszelle. Da sitzt man, wenn man auf seinen Prozess wartet und wenn man verurteilt wurde und Scheiße gebaut hat. Drogen oder Gewalt. Eines von beiden. Es war mein zweites Mal dort. In Schuhen ohne Schnürsenkel und mit einem Fenster so hoch oben, dass ich es nicht erreichen konnte. Die Sonne schien jeden Tag eine halbe Stunde lang in die Zelle, wenn sie auf der anderen Seite des Hofes über der Mauer stand. Ich glaube, es war eine halbe Stunde. Schätzungsweise. Vielleicht war es auch länger. Eine Uhr hatte ich da drin ja nicht. Zu viele Leute haben versucht, sich mit dem kleinen Metalldorn des Verschlusses die Pulsadern aufzukratzen. Morgens um acht wurde ich geweckt. Frühstück auf einem Tablett. Um zwölf kam die Wache wieder. Mittagessen auf einem Tablett und um sechs Abendbrot, wieder auf einem Tablett. Den Rest der Zeit schätzte ich. Ich hätte den Alarm drücken können. Meinen Finger auf dem Knopf lassen und nach der Uhrzeit fragen. Ich hätte es tun können. Doch dann hätten sie das Abendbrot vergessen. Das haben sie mir klargemacht, bevor ich ins Loch gesteckt wurde. Das Loch. Zuerst Ana. Tagsüber und nachts. Ihr Gesicht. Dann mein Bruder. Von der Decke. Ich muss nicht mehr schlafen, um ihn zu sehen. So klein. So klein. Ich habe zwei Brüder. Einen mit einem Namen, den ich nicht me