Dreizehn Morde hat das Jahr (kartoniertes Buch)

Anthologie
ISBN/EAN: 9783453540101
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Einband: kartoniertes Buch
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Für Mord gibt es keine Jahreszeit Das ganze Jahr rum wird gemordet. Es beginnt sogar schon im alten Jahr. Für Mia Morgowski ist der letzte Tag des Jahres, Silvester, eine tödliche Veranstaltung. Und zwölf Monate und dreizehn Leichen später setzt Sandra Lüpkes im Dezember den Schlusspunkt hinter dieses mörderische Jahr. Ein mörderisches Jahr mit Originalstorys von Mia Morgowski, Alina Bronsky, Robert Hültner, Stefan Müller, Jan Costin Wagner, Karr & Wehner, Udo Wachtveitl, Que Du Luu, Hagemann-Stitz, Lautenbach-Ebend, Bernhard Jaumann, Richard Birkefeld, Robert Brack und Sandra Lüpkes.
Jan Costin Wagner wurde 1972 geboren. Er lebt als freier Schriftsteller und Musiker bei Frankfurt und in Finnland, dem Heimatland seiner Frau. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet und in 14 Sprachen übersetzt. Mit der Figur des jungen finnischen Polizisten Kimmo Joentaa schrieb er sich in die Herzen von Lesern wie Kritikern. Für "Das Schweigen" erhielt Wagner 2008 den Deutschen Krimipreis, der Roman wurde 2010 fürs Kino verfilmt. Die amerikanische Ausgabe des Romans "Eismond" wurde 2008 für den Los Angeles Times Book Prize nominiert. 2010 erschien Wagners erste Songwriter-CD "behind the lines." Der Autor ist verheiratet mit der finnischen Künstlerin Niina Wagner.
Januar Der Tote sah nicht nur aus wie der Typ, den Schubert sein halbes Leben lang gehasst hatte. Der Tote war auch dieser Typ. Allerdings sah er sich selbst in seinem derzeitigen Zustand überhaupt nicht ähnlich, so dass selbst Schubert sich im ersten Moment getäuscht und ihn für einen anderen gehalten hatte - für einen Unbekannten. Die goldenen Locken waren lang, viel zu lang. So wie sie jetzt in der Pfütze festgefroren waren, wirkten sie nicht wie ein aufwendig gehegter Kopfschmuck, nicht wie ein oft kopiertes Markenzeichen, nicht wie ein Fetisch für Millionen. Sie hätten auch einem Obdachlosen gehören können, der sich die Haare vor einem halben Jahr mit einer stumpfen Papierschere gestutzt hatte, was bei ihm auch ungefähr der Zeitpunkt der letzten Haarwäsche gewesen sein könnte. Interessanterweise hatten diese toten Haare ausgerechnet jetzt die Farbe, die Schuberts Frau auch manchmal am Kopf trug, und zwar dann, wenn sie sich mal einen teuren Friseur geleistet hatte. Was allerdings nur in dem seltenen Fall passierte, wenn sie sich beim Selberfärben im heimischen Badezimmer sehr grob vergriffen hatte. Dann sperrte sie die Tür zu und schluchzte so, dass die Wände und Schuberts Herz in einem Takt erzitterten. Schubert konnte seine Frau nicht weinen hören, jetzt nicht und schon früher nicht, völlig unabhängig vom Anlass. Irgendwann klopfte er dann vorsichtig an die Badezimmertür und reichte ihr durch den Spalt, der sich für einen Augenblick auftat, den Telefonhörer. Sie telefonierte hastig, dann ließ sie sich von Schubert auf dem gleichen engen Wege das schwarze Strickmützchen reichen. Sie tauchte aus dem Badezimmer auf, mit roten Augen und die Mütze tief in die Stirn gezogen. So zog sie ab, und wenn sie einen halben Tag später zurückkam, dann schmiegte sich ihr Haar sehr ungekünstelt um ihr rundes Gesicht und schimmerte in allen Nuancen von sonnenbeleuchtetem Gold. Schubert mochte seine Frau, mit der er fast zwanzig Jahre verheiratet war. Er tat, was er konnte, damit sie sich bei ihm wohlfühlte. Er hörte ihr zum Beispiel zu, wenn sie ihm irgendwelche Sachen erzählte. Manchmal erzählte er ihr auch was, aber das einzige Thema, zu dem er wirklich engagiert sprechen konnte, war seine Arbeit. Und Schuberts Frau mochte Schuberts Arbeit nicht. Jedenfalls mochte sie nichts davon hören. Vor allem keine Einzelheiten. Sie fand es grässlich, wenn jemand starb, selbst wenn sie diesen Jemand gar nicht kannte (was meistens der Fall war). Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen, die Schubert kannte, interessierte sie sich auch gar nicht für die detaillierten Umstände des Todes. Es ließ sie scheinbar völlig kalt, ob jemand erstochen oder erschlagen worden war, sie war im Bezug darauf überhaupt nicht wissbegierig. Sie fragte höchstens, ob der Pechvogel verheiratet gewesen war oder ob er Haustiere hatte. Je nachdem, wie die Antwort ausfiel, blinzelte sie dann voller Mitgefühl oder voller Zorn in ihre Teetasse. Schubert mochte seine Frau, genau aus dem Grund, dass er sie so gut wie nie verstand. Es machte ihm auch gar nichts aus. Wenn sie sich zum Beispiel für irgendwas begeisterte, was er nicht begeisterungswürdig fand, so war das für ihn völlig in Ordnung. Er war nicht der Meinung, dass Eheleute im gleichen Takt zu ticken hatten. Schuberts Frau, und das war ihm vom ersten gemeinsamen Moment an klar, war völlig anders als er. Sie kochte zum Beispiel nur vegetarisch, weil sie den Verzehr von Fleisch barbarisch fand. Das fand Schubert wiederum schade, aber er respektierte ihre Einstellung. Er war in der Lage, sich sein Steak selber zu braten, aber er ließ es sein. Die Küche gehörte seiner Frau, sein ganzes Zuhause war von ihr beseelt. Er wollte sie nicht verletzen, indem er vor ihrer empfindlichen Nase tote Tiere in die Pfanne schlug. Wenn sein Heißhunger auf Fleisch sein Blut zu sehr in Wallung brachte und ihm Gefühle nahebrachte, die auch seine Vorfahren dazu veranlasst haben mussten, Mammuts aufzulauern und andere komplizierte