Kopfüber (gebundenes Buch)

Warnung: Dies ist keine Liebesgeschichte. Was nicht heißt, dass es kein Happy End gibt. Aber Sie können das Buch gleich wieder zuklappen, wenn Sie die Gewissheit brauchen, dass am Schluss der Märchenprinz mit seiner Märchenprinzessin in den güldenen Sonnenuntergang hineinreitet. Eigentlich geht es bei dem, was ich Ihnen gleich erzählen werde, weniger um romantische Liebe als um eine Geschichte, in der das richtige Leben eine tragende Rolle spielt, in der es darum geht, wie wir alle zu wissen glauben, was uns glücklich macht, was für uns gut ist, wie unser ganz persönliches Happy End auszusehen hat ¿ nur dass uns das Leben selten beschert, was wir von ihm erwarten, und wir zu unserem Happy End erst über eine ganze Reihe unverhoffter Umwege gelangen. Außerdem könnte sich herausstellen, dass unsere persönliche Vorstellung vom Paradies für andere eine reine Horrorvision ist. Umgekehrt natürlich auch ... Nehmen Sie zum Beispiel Victoria Townsley. Mit fünfunddreißig ist sie unglaublich erfolgreich. Sie leitet das Features-Ressort von Poise! ¿ einem unheimlich angesagten, hippen, coolen und perfekten Hochglanzmagazin ¿, und Victoria scheint der Inbegriff all dessen zu sein, was Poise!-Leserinnen gern wären. Sie ist groß und einigermaßen schlank (wenn sie einen guten Tag hat), lässt ihrem glänzenden Haar Aveda, ihrem zarten Pfirsichteint Eve Lom angedeihen und behandelt ihre ansonsten vielleicht nicht ganz so makellose Haut (was man ja nur sehen kann, wenn sie nichts anhat) mit einem Lemon Scrub von Bliss. Kurzum, sie verwendet genau das, was das Beauty-Ressort von Poise! als Nonplusultra der Beauty-Produkte empfiehlt, wenn man jugendliche Ausstrahlung, Spannkraft und einen Anti-Aging-Effekt von mindestens dreißig Jahren anstrebt. Victoria ¿ Vicky für ihre Kollegen und Freunde ¿ wohnt in einem wunderhübschen Apartment in der Nähe der Marylebone High Street, das im diskreten Design von Heal eingerichtet ist, überall schokoladenbraune Lederaccessoires, balinesische Bambuskörbe von ihrer Dienstreise im letzten Jahr sowie ein Touch ach so trendiger Chinoiserien in Form von chinesischen Kommoden, die sie irgendwann an einem Samstagvormittag auf der Portobello Road aufgegabelt hat. Im Kühlschrank lagern etliche Flaschen Weißwein, zwei Dosen Diet Coke und ein paar Diät-Joghurts. Im Butterfach befindet sich eine halbe Cadbury's Milchschokolade, aber Vicky hat sie vollkommen vergessen: Das Verfallsdatum ist schon vor drei Monaten abgelaufen, aber das wird ihr am Mittwoch, zwei Tage bevor ihre Periode einsetzt, ziemlich schnuppe sein. Vickys Katze Eartha hat sich auf ihrem Bett breitgemacht, räkelt sich lässig und streckt die Pfote, wie um ihrem Anspruch auf das Revier Nachdruck zu verleihen, freut sich auf Vickys Heimkehr von der Arbeit, wenn sie ihr schnurrend auf den Schoß springen wird, glücklich darüber, die wichtigste Person in Vickys Leben zu sein, und begeistert, dass sie die einzige ist, die regelmäßig mit Vicky das Bett teilt. Denn ganz gleich, wie sehr Sie und ich alles bewundern mögen, was Vicky bisher erreicht hat, wie sie ihre Karriere aus dem Nichts aufgebaut hat und zu einer der erfolgreichsten Journalistinnen Londons aufgestiegen ist; dass sie keine Verpflichtungen hat, jeden Abend auf glamouröse Partys, Buchpräsentationen und Filmpremieren gehen und morgens bis neun ausschlafen kann ¿ Vicky ist nicht glücklich. Mit ihren fünfunddreißig Jahren kann Vicky nicht fassen, dass sie immer noch ein Single ist. Kann nicht fassen, dass ihre Freundinnen alle nach und nach unter die Haube gekommen sind und sie öfter Brautjungfer spielen musste, als ihr lieb ist, während sie selber noch nie in Betracht gezogen wurde. Die Frage hat sich nie auch nur annähernd gestellt. Es hat sie nie gekümmert, als sie in den Zwanzigern war, da hatte ihre längste Beziehung ein halbes Jahr gedauert, und sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich im Journalismus einen Namen zu machen, damals, als sie vom Liverpo ...