Zeiten und Welten bei PERRY RHODAN NEO (Teil zwei) Ein Werkstattbericht von Michael H. Buchholz

25. Oktober 2016

Vorbemerkung der Redaktion: Als einer von zwei Exposéautoren steuert Michael H. Buchholz die Geschicke von PERRY RHODAN NEO. Vor allem in jüngster Vergangenheit zeichneten sich seine Romane durch originelle Spielereien mit der Zeit und ihren Erscheinungen aus.

Davon handelt auch sein Werkstattbericht. Wegen seiner Länge haben wir ihn in drei Teile gegliedert. Gestern brachten wir Teil eins, heute kommt Teil zwei, morgen kommt Teil drei.


Die Assoziation zu Karl May war damit in mir angeregt und wollte sich nicht mehr legen. Ich gebe gern zu, dass der »Mayster« zu meinen literarischen Vorbildern gehört. Also machte ich mir das Vergnügen, Atlan in der Maske eines Landvermessers nach Vicksburg zu schicken, der eine Henryrifle mit sich führte und einen Rotfuchs als Robotpferd ritt.

Die Henryrifle gab es wirklich (im Gegensatz zu Mays Henrystutzen); dieses Repetiergewehr war zu der Zeit eines der modernen Gewehre und erst 1862 käuflich geworden. Die Stichworte Landvermesser und Rotfuchs verweisen natürlich auf Mays berühmtesten Roman »Winnetou I«.

Die Beinahebegegnung Atlans mit dem Desperado Billy Ray Dawson in Redwood war überhaupt nicht vorgesehen. Aber als es auf meinem Monitor stand, dachte ich unwillkürlich an einen anderen Desperado früherer Lesejahre, nämlich jenen Revolverhelden namens Piet Rawland, dem Perry Rhodan auf Wanderer begegnet. Und ich verfiel auf den Gedanken, Dawson zu unserem NEO-Gegenstück zu Rawland zu machen.
Aber da ich mit Osterhaus schon eine reale Person als Vorbild gefunden hatte, wollte ich auch dem Desperado einen echten Namen verleihen. Ich suchte also nach realen Bankräubern und stieß auf Billy Ray Dawson als Anführer einer Jugendbande, allerdings einer der 1970er-Jahre. Ich versetzte ihn kurzerhand um ein Jahrhundert zurück und machte ihn um fünf Jahre älter.

Die Beschreibung Vicksburgs und des nahen Ortes Redwood entsprechen den damaligen Gegebenheiten. Ich ließ Atlan Osterhaus wiedertreffen und hernach durch beide Orte reiten. Derweil zermarterte mir den Kopf, mit welchem Knalleffekt ich die Wild-West-Begebenheit würde abschließen können.

Da stieß ich auf ein rätselhaftes Foto, das mir schier den Atem verschlug. Es gehörte zu der Sorte Fotos, die es nicht geben dürfte. Und genau das war es, was mir als Knalleffekt fehlte! Ob es nun echt war oder gefälscht, wie einige Leute annehmen, das spielte keine Rolle. Es war zumindest sonderbar genug, um es in die Geschichte mit aufzunehmen, die ich erzählte.

Das Foto zeigte einen von Unionssoldaten erlegten Pteranodon, eine Flugechse mit gewaltigem Hammerkopf und gewiss sieben Metern Spannweite. Und das Verblüffendste war: Angeblich war dieses Foto in der Nähe von Vicksburg (!) im Jahr 1864 (!) aufgenommen worden. Perfekt!

Was für ein Geschenk, dachte ich nur. Und so fliegt kurz darauf ein Pteranodon aus dem Transmitter, Dawson stürzt seinerseits hinein. Atlan ist kurz darauf mit dabei, wie die Unionssoldaten das Tier erlegen und es als Beweis ihrer unglaublichen Jagd fotografieren. Und wie im Roman angegeben, erschien das Foto wirklich in den Zeitungen von Vicksburg und war einige Zeit lang das beherrschende Gesprächsthema jener Gegend. Einen besseren Abschluss meines »Sprungsteins der Zeit« konnte ich mir gar nicht wünschen.
Der beeindruckend schönen, aber noch namenlosen Frau im Tal drückte ich einen Speer in die Hand, damit die Spekulierer unter unseren Lesern die Assoziation zu Mirona Thetin aufnehmen konnten – hatte doch Atlan vor rund 50 Jahren in der Erstauflage Mirona Thetin mit einem Speer getötet.

Damit war die Vicksburg-Geschichte zu Ende – dachte ich.

Als ich dann an die Arbeit des PERRY RHODAN NEO-Bandes 126 ging, produzierte mein Unterbewusstsein zwei »Clues« in Form des Ohrclips und der Gewehrpatrone eines Spencergewehrs. Das Auffinden beider Gegenstände war nicht geplant und war auch keine Exposé-Vorgabe ... es stand plötzlich im Manuskript, ohne dass ich selbst eine Erklärung dafür gehabt hätte.

Natürlich überlegte ich, was es mit den beiden Gegenständen auf sich haben könnte, und wie sich insbesondere wohl das hohe Alter der Gewehrpatrone erklären ließe. Doch bis zum Abschluss des Romans tappte ich völlig im Dunkeln. Es war auch nebensächlich, denn in »Schlaglichter der Sonne« ging es um etwas völlig Anderes.

Zum ersten Mal war es mir seit meinem Einstieg bei NEO nämlich vergönnt, mit Band 126 eine Fortsetzung zu einem Roman zu schreiben, den ich achtzehn Bände zuvor mit einem offenen Ende beendet hatte: Ich meine Band 108, »Die Freihandelswelt«.

Die damalige Nebengeschichte um Reginald Bull und den Attentäter verlangte immer noch nach einer Auflösung, und so entwickelte ich den Erdroman 126 eigens dahin, diese Auflösung in Thriller-Manier zu liefern. Wobei ich das Finale gern Rüdiger Schäfer überließ, der so mit dem Showdown eine großartige Eröffnungsszene für seinen unmittelbar folgenden Roman 127 bekam. Ich ahnte damals nicht, dass die beiden zufälligen Nebensächlichkeiten, die Patrone des Kalibers .52 und der Ohrclip, die Kristallisationskerne des Bandes 133 ergeben würden.