Mein NEO-Bordbuch vom Ende September 2015 Werkstattbericht von Michael H. Buchholz

27. Oktober 2015

Während seiner Arbeit an aktuellen Romanen und Exposés beschäftigt sich Michael H. Buchholz stets damit, Details aufzuschreiben, die ihm ein- und auffallen. Auszüge daraus liefert er in kurzweiligen Rückblicken – heute geht es um den Abschluss des Septembers 2015 ...

25. September 2015

Die Nachricht von Rainer Castors plötzlichem Tod überschattet heute alles andere. Deshalb setze ich den geplanten Eintrag aus und versuche stattdessen, meine Empfindung wiederzugeben. Was leichter gesagt ist als getan.
Ich kannte Rainer persönlich, wenn auch nicht so gut wie andere. Wir trafen uns auf verschiedenen Cons, das erste Mal vor vielen Jahren in Mainz.

Intensiver wurde unser Kontakt dann mit meinem Eintritt ins ATLAN-Team – war das wirklich schon 2004? Rainer Castor und Uwe Anton bildeten damals das Exposéteam hinter dem Centauri-Zyklus der Miniserie. Rainer unterstützte mich bei meinen ersten professionellen Gehversuchen auf unerwartet hilfreiche Weise; er ließ mich vor allem keinen Augenblick spüren, dass ich »der Neuling« war. Jede Frage war eine, der er sich angelegentlich annahm, und das nötigte mir ungeheuren Respekt ab.

Wieder etwas später bestritten wir einen gemeinsamen Programmpunkt bei den PERRY RHODAN-Tagen in Sinzig, und so ist er mir in Erinnerung geblieben und wird es auch bleiben: als ein grummeliger, manchmal kauziger, aber immer liebenswerter Autor, der scharfzüngig sein konnte, auch ungeduldig, der aber immer für die Fans da war. Unverkennbar in seiner Jeanskluft, dem weißen T-Shirt, den langen Haaren, so sehe ich ihn neben mir sitzen, ihn, den einstigen Assistenten Hans Kneifels. Er wusste offenbar nicht nur alles über Atlan, sondern weit mehr noch über Arkon und vor allem anderen über die Technik des Perryversums bestens Bescheid.

Rainer, du wirst uns allen fehlen. Die nächste Frage kommt bestimmt, und wer sie dann beantworten wird (oder kann), steht in den Sternen.

Rüdiger Schäfer und ich haben dir damals, in den letzten Tagen der »ATLAN-Fanzine-Serie«, ein Andenken in der Figur des Rai Castore geschaffen. Vielleicht hat dich das amüsiert, uns allemal – und heute bin ich sehr dankbar dafür. Die Figur des Rai Castore war als ein überragender Techniker angelegt, der in der Fiktion ein dir würdiges Abbild war: voller kosmischer Visionen ... Ad astra, Rainer.

26. September 2015

Einen Tag später ist Rüdiger Schäfer zu Gast bei mir – eine unserer regelmäßigen Exposékonferenzen steht an.

Doch zuvor ... Wie üblich an einem Wochenende, werde ich bis zu Rüdigers Eintreffen schon am frühen Samstagmorgen mit Mails aus Hamburg bombardiert. Dieter Schmidt lektoriert soeben die 108 und hat da noch ein paar Fragen ... Da weder Major Tom noch Peter Schilling antworten, muss ich wohl ran. Außerdem ist es mein eigener Roman, was es allerdings nicht leichter macht.

Was schreibt also Dieter?

Ob ich die Triangulation des Geesenkurses auch wirklich bis auf das letzte Lichtjahr genau geprüft habe? Wann welches Schiff wo wie lang refraktiert? Ob mein Mac überhaupt den Satz des Pythagoras kennt? Ob Reginald Bull das alles wirklich in der kurzen Zeit schaffen kann? Ich soll außerdem mal eben schnell alle Tagesdaten durchsehen, da könnte es nämlich sein, dass ...

Es klingelt. Rüdiger ist eingetroffen.

Natürlich ist heute Rainers Tod sofort ein Thema. Das Austauschen der Erinnerungen springt schnell von Con zu Con; und die Frage »Weißt du noch, damals ...?« fliegt zwischen uns nur so hin und her. Das ist es, was bleibt, denke ich zwischendurch. Du lebst ein Leben voller Höhen und Tiefen, voller Krisen und Erfolge, und am Ende erinnern sich andere irgendwo irgendwie daran. Wenn du Glück hast.

Dann zwingen wir uns zurück zur Arbeit: The show must go on.

Wir checken den Stand der Dinge.

Exposé 114: fertig.

Roman 109: Gerade von Rainer Schorm fertiggestellt.

Die restlichen Bände der laufenden Staffel, also Band 115 bis 120 – vorkonzipiert und als Storyboard: fertig.

Ideen zu Details werden erörtert, verworfen oder verändert.

Zwischendurch: Telefon. Klaus Bollhöfener, der Marketingmann des Verlages, ist dran. Ob denn, und ob wir, und überhaupt. Nur zur Erinnerung – es ist Samstag, aber das gilt im NEOversum nichts. Rüdiger telefoniert, ich tanke derweil Kaffee nach.

Nach dem Telefonat kommen wir zu den Neuerungen. Ganz wesentlich: Seit kurzem unterstützt uns Peter Dachgruber als neuer Chefingenieur an Bord. Seine Aufgabe wird sein, unsere Ideen auf Machbarkeit und technische Genauigkeit nicht nur zu prüfen, sondern das Ganze auch in Form zu bringen. Erste Ergebnisse und Schemazeichnungen liegen bereits vor, und sie begeistern uns. Peter wird zudem alle bisherigen Datenblätter gewissenhaft prüfen, und er ist auch schon fündig geworden, was eklatante Fehler darin betrifft.

Sein und unser Ziel ist, innerhalb des NEOversums eine technische Basis zuschaffen, die in sich stimmig und logisch ist und – so hoffen wir – den Eindruck hinterlässt, nicht nur Fiction, sondern auch ein wenig Science zu sein. Exposé 114 ist das erste, das auch durch Peters Technikfilter gelaufen ist.

Mit einer für uns beide sehr motivierenden Erkenntnis beschließen Rüdiger und ich unsere heutige Zusammenkunft: Jetzt, nach den ersten neun geschriebenen Romanen, können wir stolz auf ein ungemein schlagkräftiges Team verweisen!

Mit Kai Hirdt und Rainer Schorm haben sich zwei Stammautoren etabliert, deren Schaffensfreude unserer eigenen in nichts nachsteht und die zudem beide richtig gut schreiben können. Dieter Schmidt ist ein Argus-Lektor, wie man ihn sich besser gar nicht wünschen kann. Und Neuzugang Peter Dachgruber bringt in gewisser Weise die Voraussetzungen mit, unser Rainer Castor werden, sofern man sowas überhaupt vergleichen kann.

Selbst Susan Schwartz war offenbar von NEO an sich und dem Team dahinter ganz angetan. Sie wird schon bald einen zweiten Roman beisteuern, und zwar die Nummer 112 (und niemand hat sie dazu gezwungen, nach allem, was ich weiß). Unmittelbar davor dürfen wir ebenfalls Erstauflagenautor Oliver Fröhlich bei uns begrüßen, der den Band 111 schreiben wird.

Entsprechend stolz auf das Erreichte halten Rüdiger und ich noch rasch unsere NEO-Erstlinge als Exposéautoren in die Kamera, ehe wir uns wieder trennen – das Foto wird Teil eines Werkstattberichtes werden, der dieser Tage speziell für die nächste Handlungsstaffel entstehen wird.

Dann heißt es auch schon wieder zurück in die Mühle des Kreuzverhörs durch Anwalt Dieter.

Wer nicht dabei ist, kann es sich kaum vorstellen. Darum hier ein rascher Einblick. Wir checken wirklich jeden Handlungstag, jedes genannte Datum, jede Reichweite und Flugdauer, jedes Gramm Deuterium in den Einspritzkammern auf Kongruenz, Konsequenz und Kontinuität – sprich auf Plausibilität der Handlung. Insgesamt und in ihren feinsten Verästelungen. Im Grunde prüfen wir jeden einzelnen Satz.

Heraus kommen soll dabei einmal mehr ein NEO-Roman, den die Leser genießen.

Am Abend habe ich das Gefühl, als wäre ich den ganzen Weg bis Geesen zu Fuß gegangen. Mindestens.

In der Nacht träume ich von Pythagoras.