Dein Expokrat und Kumpel

6. Mai 2014

Zur Lesung mit Christian Montillon, die am 25. April 2014 in der Buchhandlung Drachenwinkel in Dillingen/Saar stattgefunden hat, präsentieren wir diesmal einen Bericht von Ben Calvin Hary. Von ihm stammt auch das illustrierende Foto.

Das Saarland ist keine Fandom-Hochburg. Veranstaltungen für Science-Fiction- und Fantasy-Fans sind im äußersten Südwesten der Republik eher rar gesät. Als Freund der phantastischen Literatur ist man deshalb hierzulande froh, dass es Geschäfte wie die Buchhandlung Drachenwinkel in Dillingen gibt.

Der Drachenwinkel ist in der Region quasi ein »Insider-Tipp«; ein Laden mit ungewöhnlichem, gemütlichem Gothic-Flair, wie geschaffen für Lesungen mit phantastischem Sujet: Hier stapeln sich Fantasy-Romane in den Regalen, man wird von Tischen voller keltisch anmutender Amulette, Trinkhörner (samt Met-Sortiment) oder diversem Wicca-Zubehör begrüßt. Im hinteren Bereich laden Couches und eine kleine Theke zum Verweilen ein.

Eigentlich ist dies eher eine Bühne für Fantasy-Schriftsteller. Markus Heitz las hier schon. Zuletzt hielt NEO-Autor Oliver Plaschka, gemeinsam mit drei anderen Autoren, eine Steampunk-Lesung.

SF-Autor Christoph Dittert, PERRY RHODAN-Lesern bekannt unter dem Pseudonym Christian Montillon, war insofern ein ungewöhnlicher Gast auf dem Dillinger Podest. Die Serie war deshalb auch nicht allen, die zu seiner Lesung am 25. April 2014 kamen, ein Begriff.

Montillon eröffnete den Abend daher mit einem kleinen »Rhodan-Grundkurs«: Wer ist Perry Rhodan? Was sind das für Heftromane, welchen Charme hat die SF von einst auf heutige Leser? Was ist NEO?

Im Anschluss las der Gast aus dem Prolog und ersten Kapitel seines nächsten, noch unveröffentlichten NEO-Band 71 vor – ein Abenteuer auf Iprasa – und fragte seine Zuhörer nach ihrer Meinung: »Ruhig ehrlich sein, ich bin nachher allein im Auto und kann in Ruhe weinen.« Das Urteil der Zuhörer fiel gnädig aus.

Dann ging aber auch schon »zur Sache«: Ein gut gelaunter Christoph Dittert diskutierte mit den Fans und Besuchern über stilistische und dramaturgische Unterschiede zwischen NEO und der Erstauflage und darüber, warum die NEO-Linie niemals mit der Erstauflage zusammenlaufen wird. Die ausgedruckten Exposés der Bände 2700 und 2750 wurden hochgehalten, den anwesenden Lesern damit die Nase ein wenig lang gemacht.

Dann plauderte der Autor über die Zusammenarbeit und Arbeitsteilung in der Exposé-Redaktion, zwischen ihm und Hartmut Kasper. Die beiden verfassen demnach jedes Exposé gemeinsam, zu gleichen Teilen. Kein selbstverständlicher Ansatz: »Frühere Exposé-Teams haben die Handlungsebenen untereinander aufgeteilt. Feldhoff und Vlcek haben das beispielsweise so gemacht. (...) Das merkt man den Romanen aber auch an. Das waren dann immer zwei verschiedene Serien, die so nebeneinander her liefen. Am Schluss floss das dann ineinander.«

Zu Beginn hätten Hartmut Kasper und er das genau so aufteilen wollen, »weil wir glaubten, das muss man so machen. Aber dann (...) haben wir uns gefragt: Warum eigentlich?« Letzten Endes hätten sie ihren eigenen Arbeitsfluss gefunden: viele Telefonate, offener Ideenaustausch, gemeinsames Schmieden an der Handlung. Die Endversion der Exposés schreibt Montillon und versendet sie an die Autoren. Doch wer hat nun welchen Anteil an den Ideen?

Montillon: »Wir haben ... ganz am Anfang ausgemacht dass wir’s nie sagen. Einfach um zu verhindern, dass da jemand kommt und zum Beispiel meint, alles was schlecht ist, kommt vom Dittert, alles Gute von Hartmut Kasper.«

Der Abend entwickelte sich zur gemütlichen Frage- und Gesprächsrunde. Einer der Gäste wollte wissen, wer entscheide, welcher Autor welches Exposé bekäme (Antwort: »Ich, so wie die Autoren Zeit haben und der Roman zum Autor passt.«). Ein Anderer vermisste den Humor der alten Tage, was eine Diskussion über humoristische, tagesaktuelle Bezüge in den heutigen Romanen sowie über Darltons Gucky-Späße nach sich zog.

Überhaupt war der Mausbiber ein wiederkehrendes Thema. So kommentierte der Autor die Neuausrichtung der Figur zu Beginn des Tribunals-Zyklus: »Die einen fanden’s klasse, die anderen völlig daneben. Aber egal war es keinem. Das war es im Prinzip auch, was wir wollten.«

Auch räumte er auf Nachfrage schmunzelnd ein, dass die Ähnlichkeit zwischen Guckys neuer Rolle als Para-Vampir und der Figur Sylar aus der TV-Serie »Heroes« sicher nicht von ungefähr komme, »auch wenn’s sicher nur eine unbewusste Inspiration war.«

Schließlich ließ Montillon unter der Hand durchblicken, dass wohl ein Geheimprojekt mit dem Ilt in der Hauptrolle in Planung sei – natürlich ohne sich über weitere Details zu äußern.

Aber es ging auch um handfeste Themen: sinkende Druckauflagen, die Chancen, die der E-Book-Markt bietet. Was die Autoren in heutiger Zeit zusätzlich zu ihrer Arbeit für PERRY RHODAN tun müssen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern – wie etwa Hartmut Kasper, der in der »wirklichen Welt« Lehrer ist, oder Verena Themsen, die als Physikerin arbeitet und ihre Schriftstellerei nur nebenher betreibt.

Auch auf Christian Montillon selbst kam die Rede. So erzählte er von seiner Zeit als jugendlichem Fan, als er vier PERRY RHODAN-Auflagen parallel las. Und von seinem Traum, eines Tages bei dieser Serie mit zu schreiben, »weil’s die coolste war«. Dann, als er dieses Ziel erreicht hatte, habe er sich gesagt: »Klasse! Und jetzt will ich noch was anderes machen.« Und habe angefangen, »???«-Romane zu schreiben. »Die zwei Sachen, die ich als Jugendlicher toll fand, die darf ich jetzt selber machen.«

Der Autor wirkte in diesen Augenblicken sehr menschlich, sehr greifbar. Und auch sonst blieb er auf Augenhöhe mit den Fans, hielt zum Beispiel auch mit eigenen (Fan-)Meinungen zu früheren PR-Zyklen nicht hinterm Berg (»Ratber Tostan? Furchtbar!«). Man hatte stets das Gefühl, es mit einem guten Kumpel zu tun zu haben.

Fazit: Ein insgesamt sehr kurzweiliger, interessanter Abend in gemütlicher Umgebung, der leider viel zu schnell vorüber war.