Zwischen Katastrophen und Personenkult – Teil 1 Eine Kolumne von Rainer Nagel über Sekten im PERRY RHODAN-Universum

31. Januar 2020

Im PERRY RHODAN-Report 538 erschien ein Artikel von Rainer Nagel, der sich unter dem Titel »Zwischen Katastrophen und Personenkult« mit Sekten im PERRY RHODAN-Universum beschäftigte. Diesen Artikel dokumentieren wir gern auch an dieser Stelle – wegen seines Umfangs in drei Teilen. (Heute kommt Teil eins, morgen folgt Teil zwei, übermorgen dann Teil drei.)

Verführer aus dem All

Häufig entstehen Sekten im Perryversum als Macht- oder Verführungsinstrumente außerirdischer Angreifer oder als Begleiterscheinungen kosmischer Begegnungen. Manchmal tragen sie die Handlung, ein andermal sind sie nur schmückendes Beiwerk.

Werden Sekten bei PERRY RHODAN als tragende Handlungselemente eingesetzt, dienen sie dazu, die Galaktiker mehr oder minder subtil zu verführen, zu beeinflussen und zu unterdrücken. Als Lehrstück zu diesem Thema bietet sich die Sekte um Gon-Orbhon (auch »Orbhonisten« genannt) an, die im »Sternenozean«-Zyklus eine wichtige Rolle spielt.

Kurz gesagt predigt diese Sekte die Abkehr von der Technik im Namen des Gottes Gon-Orbhon. Jeder, der nicht der Sekte angehört, soll nach ihren Lehren der Vernichtung anheimfallen. Ihr Zentrum ist der – treffend benannte – Tempel der Degression in Terrania (PERRY RHODAN 2234, »Expedition ins Ungewisse« von Arndt Ellmer, 2004). Ihre Lehren sind im Buch Gon niedergelegt. Hier findet man also alle Kennzeichen einer religionsähnlichen Gemeinschaft, die zudem von Anfang an stark radikalisiert ist.

Im September 1331 NGZ tritt der Sektenführer Carlosch Imberlock erstmals öffentlich als Verkünder des bis dahin unbekannten Gottes Gon-Orbhon auf (siehe PERRY RHODAN 2213, »Der Traum von Gon-Orbhon« von H. G. Francis, 2004). Er schart schnell eine große Anzahl von Jüngern um sich, denn zur gleichen Zeit haben viele Terraner den gleichen hypnotischen Traum.

Die Betroffenen sehen einen See, in dem ein Schwert steckt, und über dessen Oberfläche ein makelloser, hünenhafter Humanoide schwebt. Er erscheint als furchtbares, allmächtiges Wesen. Seine Augen sind geschlossen, werden sich aber bald öffnen. Wenn es so weit ist, werden nur diejenigen überleben, die der Technik abschwören. Der Empfänger dieses Traumes ist erfüllt von dem Wunsch, sich diesem Wesen unterzuordnen.

Es hilft natürlich, dass zu diesem Zeitpunkt gerade die Erhöhung der Hyperimpendanz wirksam geworden ist und auf Terra ein gewisses Chaos herrscht – der ideale Nährboden also für das Entstehen einer Sekte.

Wer den Traum hat, kann sich zwar gegen den Einfluss wehren, doch die Kraft zum Widerstand fehlt den meisten Menschen in der Verwirrung und Unsicherheit jener Tage.  So einfach ist das manchmal. Mondra Diamond zum Beispiel gelingt es, Bré Tsinga hingegen nicht – sie wird sogar zur »Unterführererin«, wie in PERRY RHODAN 2221 (»Die Sekte erwacht« von H. G. Francis) geschildert wird.

Carlosch Imberlock sind 14 solcher Unterführer, Adjunkten genannt, direkt unterstellt, die in öffentlichen Predigten neue Sektenjünger rekrutieren. Die Anzahl der Adjunkten bleibt stets gleich; wenn ein Adjunkt verhaftet wird oder ein Selbstmordattentat verübt, wird offenbar umgehend ein Nachfolger ernannt.

Denn schon früh verüben Orbhonisten Attentate auf technische und wissenschaftliche Einrichtungen der LFT. Der Terranische Liga-Dienst verdächtigt Imberlock als Drahtzieher, kann ihm aber nichts nachweisen.

Die Anwälte der Sekte behindern und verzögern die Ermittlungen: Nach den Worten Imberlocks tritt jeder, auf den der »Blick Gon-Orbhons fällt« (der also die Vision hat), in Gon-Orbhons Glaubensheer ein. Juristisch gesehen sei dies nicht mehr Teil der Sekte. Der Trick ist etwas durchsichtig, aber für die terranische Justiz scheint er auszureichen.

Als Gon-Orbhon im März 1333 NGZ persönlich im Solsystem auftaucht (PERRY RHODAN 2278, »Brennpunkt Talan« von Arndt Ellmer, 2005), übernimmt Imberlock in seinem Namen die Macht auf der Erde. Alle wichtigen Persönlichkeiten Terras werden mental beeinflusst, enttarnte Widerständler und andere nicht linientreue Personen öffentlich hingerichtet. Der Glaube an Gon-Orbhon wird zur Staatsreligion auf Terra (PERRY RHODAN 2284, »Die fliegenden Rochettes« von Leo Lukas, 2005).

Gleichzeitig wird Gon-Orbhon befreit, der in typischer PERRY RHODAN-Manier eigentlich ein Guter ist (seine Lebensgeschichte erfahren die Galaktiker aus dem Mund von Bré Tsinga in PERRY RHODAN 2267, »Ich, Gon-Orbhon« von Leo Lukas, 2005), der von einer wahnsinnig gewordenen kosmischen Entität unterdrückt und benutzt wird.

Der Einfluss auf die Orbhonisten erlischt, die Sekte hat sich von einem Moment auf den anderen praktisch erledigt. Gon-Orbhon erhält die Chance, sich zu rehabilitieren, und wird von allen Vergehen freigesprochen – so geschildert in Uwe Antons Abschlussband des Zyklus, »Ahandaba« (2005).

Interessant ist allerdings, dass die verbotene Tempelgemeinschaft der Degressionslehre noch im Jahre 1344 NGZ existiert (siehe PERRY RHODAN 2304, »Schatten über Atlan-Village« von Michael Marcus Thurner, 2005). Da der psionische Einfluss da schon lange erloschen ist, gibt es offensichtlich nur eine Splittergruppe ernsthafter Gläubiger. Sie spielt allerdings später keine Rolle mehr.

Perry Rhodan 2213: Der Traum von Gon-Orbhon
Francis, H G
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845322124
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