Was, wenn die Aliens kommen? Eine Kolumne von Wim Vandemaan über einen phantastischen Abend in der Hansestadt Dortmund

29. November 2021
Das Vokaltrio LUAH

Am 2. November 2021, es wurde schon dunkel, die Gräber waren mit Kerzen versorgt, fuhr ich in die alte Hansestadt Dortmund – dorthin hatte mich Thomas Koch eingeladen, der für den WDR moderiert, aber nicht nur das.

In Dortmund spielte sich das LesArt-Festival ab; auf dem Programm standen zwar nicht Gott und die Welt, aber doch weltliche Künstlerinnen und Künstler, die, lebten wir heute noch barock, »göttlich« genannt werden würden: Lütfiye Güzel und Fritz Eckenga, Friedrich Küppersbusch und Wladimir Kaminer, Denis Scheck »u.v.a.m«.

Der Plan war, dass ich zusammen mit dem Freiburger Soziologen Dr. Andreas Anton über die Auswirkungen einer Begegnung mit Außerirdischen diskutieren sollte, ich natürlich als Sprecher eines Weltraumromanserienhelden, der seit 60 Jahren Erfahrungen mit solchen Erstkontakten gesammelt hat, wenn auch nicht als Soziologe.

Dazu sollte der große Josef Tratnik aus dem ersten PERRY RHODAN-Roman lesen und das wunderbare Kölner Jazz-Trio LUAH entsprechende Sphärenklänge liefern.

Andreas Anton hat zur Sache bereits mehrfach publiziert, darunter Titel wie »Die Gesellschaft der Außerirdischen: Einführung in die Exosoziologie« (2019) oder »Sie sind da: Wie der Erstkontakt mit Aliens unsere Gesellschaft verändern könnte – Ein Gedankenexperiment« (2020).

Anton würde, soweit ich es verstanden habe, die Position vertreten, eine reale Begegnung mit extratrerrestrischem Leben würde hienieden förmlich alles verändern; ich würde eher vermuten, dass es einen ZDF-Brennpunkt mit Shakuntala Banerjee oder Theo Koll oder sogar beiden geben würde, danach aber wieder die Causa Kimmich oder die Frage in den Mittelpunkt rücken würde, wann endlich Erling Haaland wieder für den BVB auflaufen würde.

Soweit der Plan.

Am Abend vorher musste Dr. Anton leider absagen. Worauf sich Thomas Koch auf die Suche nach einem gleichwertigen Ersatz machte: einen Gesellschaftswissenschaftler, der das menschliche Leben studiert und seine Erfahrungen mit außer- wie überirdischen Erscheinungen gesammelt hat, vertraut ist mit phantastischer Literatur, zumal mit PERRY RHODAN.

Das Anforderungsprofil machte klar, dass es da eigentlich nur einen geben könnte – und der kam denn auch: Torsten Sträter.

Thomas Koch, der den Abend ebenso souverän wie witzig moderierte, stellte die kniffligtse aller Fragen gleich vorab: Wie viele PERRY RHODAN-Romane Sträter denn bislang gelesen habe?

Sträter dachte nach, zählte und kam auf Null. Jedenfalls, wenn man die vielen »John Sinclair«- und »Macabros«-Romane nicht mitzählte, die ja nur in einem weiteren, sehr viel weiteren Sinne zum Perryversum gehören. Aber er blickte auf eine schonungslos schöne Schulzeit zurück, wo er Mitschüler kennengelernt habe, die schon damals eine ganze Bibliothek aus verchromten PERRY RHODAN-Büchern ihr eigen genannt hätten.

Und er hatte, und das nicht zu knapp, noch PERRY RHODAN-Titelbilder vor Augen. Aus diesen Bildern schloss er auf die wahrscheinliche Handlung – und das verblüffend exakt.

Auch »Gucky« sagte ihm etwas, »ein Name, bei dem man vermutet, jeder Optiker müsse sich darum reißen, so zu heißen. Ist aber in Wirklichkeit ein Biber. Oder ein Fuchs. Oder beides.«

Was, wollte Koch wissen, Sträter eigentlich gemacht hätte, hätte er an diesem Abend nicht über den Erstkontakt mit Aliens diskutiert und der Optikerbranche Rat und Lebenshilfe gegeben?

»Ich wäre in den Keller gegangen und hätte dort Dübel fotografiert.«

Obwohl er mit Mikrofon sprach, war er manchmal kaum zu verstehen – so schallend lachte es aus dem Publikum.

In einer Pause sprachen Tratnik und die Kapelle sich miteinander ab – und legten dann einen Auftritt hin, der auf mich (und nicht nur auf mich) wie ein lange und sorgfältig eingeübtes Bühnenprogramm wirkte. Dabei war es weitgehend improvisiert:

LUAH – portugiesisch für »Mond« - ist laut Selbstdarstellung  ein Vokaltrio, das »Elemente aus Jazz-/Folk-/Pop- und Weltmusik zu einer Symbiose« verbindet. Elsa Johanna Mohr, Lena-Larissa Senge und Ula Martyn-Ellis – drei junge Frauen, drei Stimmen: Wenn das Wort »Sphärenklänge« je einen Sinn hatte, dann hier. Der Gesang war derart schön und eigenwillig, dass man meinte, wirklich an Bord eines Raumschiffs aus dem Kugelsternhaufen M 13 versetzt worden zu sein.

Dass eine der Sängerinnen dann auch noch geradezu verblüffend der Kommandantin Thora gleicht, machte die Illusion perfekt. Jedenfalls für alle PERRY RHODAN-Leser, die nicht ausschließlich »Macabros« gelesen haben.

Moderator Koch fragte irgendwann, was eigentlich mit dem Unterschied zwischen E- und U-Musik sei? Wenn es diesen Unterschied gäbe – an diesem Abend hatte er sich in Wohlgefallen aufgelöst.

Und wenn die Aliens denn landen, und zwar mal nicht in New York oder Washington, sondern – sagen wir mal: – auf dem Weihnachtsmarkt der alten Hansestadt Dortmund?

Dann sollen wir ihnen Torsten Sträter, Josef Tratnik und LUAH entgegen schicken. Keine Frage: die Damen & Herren & Weiteres from outer space werden Terra gerne in ihren Reiseführer der empfehlenswerten Planeten aufnehmen.

Wim Vandemaan

Die Gesellschaft der Außerirdischen
Schetsche, Michael/Anton, Andreas
Springer VS
ISBN/EAN: 9783658218645
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Sie sind da
Anton, Andreas (Dr.)/Schetsche, Michael (Prof. Dr.)
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