PERRY RHODAN in der Schule – Teil eins Eine Kolumne von Alexandra Trinley über ihre Erfahrungen als Lehrerin

14. November 2020

Im PERRY RHODAN-Roman »Gucky kehrt zurück« (Band 3088, geschrieben von Michael Marcus Thurner), war auch ein Artikel von Alexandra Trinley enthalten – als Teil des aktuellen PERRY RHODAN-Reports. Die Autorin ist als Lehrerin tätig, in der Fan-Szene ist sie durch ihre Arbeit an Fan-Zeitschriften und die Betreuung des PRFZ-Newsletters bekannt geworden.

Diesen Artikel wollen wir auch an dieser Stelle zur Verfügung stellen. Wegen seines Umfangs kommt er in zwei Teilen: heute Teil eins, morgen Teil zwei.

 

Damals, als PERRY RHODAN-Romane noch als Schund niedergemacht wurden, der von wertvollerer Literatur ablenken und jugendliche Leser verdummen würde, war die Lehrerzunft noch nicht so froh um jeden einzelnen Teenie, der freiwillig liest. Heutzutage spaltet sich die Schülerschaft: in jene, die Wälzer vor allem zur Fantasy und zu Lebenskonflikten lesen, und in jene, die nur lesen, um Ärger mit den Lehrern zu vermeiden. Eine dritte Gruppe liest den Sportteil der Zeitung.

Science-Fiction-Fans sind die Ausnahme, und die wenigen mir bekannten Schüler, die PERRY RHODAN lesen – alle männlich, – benutzen die Silberband-Sammlungen ihrer Väter, Onkel oder Freunde.

Warum lesen die Jugendlichen nicht? Nun, der Leseprozess muss im Kind angelegt werden. Wem nie vorgelesen wurde und wer beim erzwungenen Kampf mit der Verschriftung gleichsam mit der Machete in der Hand durch einen Erzähltext schreitet, bekommt keine Bilder in den Kopf. Dann entsteht keine Lesefreude.

Zusätzlich ballert heutzutage eine Flut vorgefertigter Bilder aus diversen Medien mit einer Intensität auf die Kids ein, die das Lesen mühselig und lächerlich erscheinen lässt: Warum Buchstaben entziffern und Welten im Kopf formen, wenn es Filme gibt?

Die eigene ungeübte Vorstellungskraft wirkt im Vergleich zum Vorgefertigten so prickelnd wie selbstgebastelte Geburtstagsgeschenke. Was bei eher realistischen Texten schon problematisch ist, baut bei der Phantastik unüberwindliche Hürden auf: Die Lebensader des PERRY RHODAN-Lesens, nämlich das Kopfkino, kommt so nicht zum Zug. Aber auch bei anderen Romanen nicht.

Entsprechende Übungen sind, dass man zu einem Textausschnitt Bilder malen oder das Geschilderte als Dialog, Tagebucheintrag oder inneren Monolog einer Figur schreiben lässt. Dies sind gängige, den Lehr- und Arbeitsplänen entsprechende Formen. Sehr oft kommt der innere Projektionsvorgang nur schleppend zustande, das Lesen bleibt flach.

So ins komplexe Perryversum eindringen? Schwierig! Diesen langen Weg können Schüler nur freiwillig gehen.

Als deutlich jüngere Pädagogin versuchte ich es in einem Leistungskurs im Fach Deutsch mit dem PERRY RHODAN-Planetenroman 403 »Tariga sehen und sterben« von Hubert Haensel. Dessen jugendliche Protagonisten leben auf einem Kolonialplaneten, der ohne Rücksicht auf seine Natur terrageformt wurde, und geraten über interaktive Medien in Gefahr.

»Kann man zum Schuljahresende mal lesen und ein wenig diskutieren«, dachte eine unerfahrene Lehrerin, und irrte sich. Ha! Da werden »Jülziish« mit tellerförmigen Köpfen beschrieben. Wie sehen die aus? Was soll das sein? Zum Glück half das Handy mit Bildern aus. Und das war nur ein Problem.

Das Entrücktwerden aus der Realität mag auch nicht jeder. Eine sehr fleißige Schülerin ging nach heftiger Gegenwehr zu einer Viertelstunde intensiven Lesens über, verstand den Text auch, nur um verwirrt festzustellen: »Frau Trinley, ich fühle mich grad wie in einer total anderen Welt!« Sie mochte das nicht. Leider dauerten diese Klärungen dann so lange, dass für die Diskussion der Themen kaum Zeit blieb.

Mein Fehler: Ich als Science-Fiction-Leserin hatte den Roman als leicht verständlich eingestuft. Das war er jedoch nicht, weder in der Sache noch im Vokabular. Gehen wir den ersten Abschnitt durch: Den Begriff »Milchstraße« kennt nur, wer sich für Astronomie interessiert. »Galaxis« ist schon verständlicher. »Kosmische Mächte«, »Superintelligenzen«, »Mächtigkeitsballung«? Serienkonzepte müssen im Vorfeld geklärt werden – wenn die Zeit reicht. Begriffe wie »Suprahet« und »Zeittafeln von Amrighar«, die Insidern wohlige Schauder über den Rücken jagen, sind Rezeptionshindernisse.

Woher soll ein Achtzehnjähriger wissen, ob es Hoschpian nicht vielleicht doch gibt? Früher wurden biografische Fakten über Shakespeare angefeindet. Heute sorgt die Informationsflut des Internets für Klärungsbedarf.

Dann sind da die Neologismen – das sind Wortneubildungen –, Fremdwörter und Archaismen, also veralteter Wortschatz. Was ist beispielsweise ein »Äon«? Dieses Wortmaterial sitzt genrebedingt in einem verfremdeten Zusammenhang, der das Verständnis erschwert. Heute würde ich es im Vorfeld einführen, und die Idee des Terraforming vielleicht über Übungen zum Konjunktiv II erschließen. »Wenn ich mir einen Planeten ausdenken könnte, …« Oder einen Sachtext. Und das Nötigste am Perryversum im Vorab klären, aus Zeitgründen.

Perry Rhodan 3088: Gucky kehrt zurück
Michael Marcus Thurner
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845360881
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Perry Rhodan 3088: Gucky kehrt zurück
Michael Marcus Thurner
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900005721