Ein Blick auf die heutige Autorenarbeit Eine Kolumne von Robert Corvus

8. Februar 2023

Der PERRY RHODAN-Report 563 widmete sich der Arbeit von Autorinnen und Autoren im Verlauf der Zeit. Veröffentlicht wurde er in PERRY RHODAN-Band 3204 (»Jenseits der Schwarzsterngrenze« von Kai Hirdt).

Ein Artikel stammt von Robert Corvus, der seit einiger Zeit fest zum Autorenteam der größten Science-Fiction-Serie der Welt gehört. Wir dokumentieren ihn an dieser Stelle als eine eigenständige Kolumne.

Ein Jahresplan und seine Folgen

PERRY RHODAN ist ein Gemeinschaftsprojekt, das vom Engagement vieler und ihrer Verbindung untereinander lebt. Das ist der Hauptunterschied zur Arbeit an einem eigenständigen Science-Fiction-Roman. Mit Hochachtung lese ich davon, wie Falk-Ingo, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter in früheren Zeiten gearbeitet haben – und frage mich bei solchen Gelegenheiten stets, ob ich das überhaupt könnte. Denn die Basis meiner Arbeitsmethodik ist der Computer und seine Erweiterung, das Internet.

Telefoniert wird auch, vor allem, wenn es grobe Linien abzusprechen gilt: »Kannst du dir eine militärisch geprägte Geschichte vorstellen?« Oder: »Hättest du mal Lust auf die Biografie eines Bösewichts?«

Selbstverständlich beschenkt das Leben auch uns Autoren ab und zu mit Unvorhergesehenem, weswegen zuweilen Romane getauscht werden.

Und dann kommt das Exposé. Immer mit erläuternden Fußnoten, die Details zu Personen und Technik auflisten. Oft mit Datenanhängen, die zum Beispiel neue Schauplätze kompakt vorstellen. Manchmal mit separaten Datenblättern, in denen das noch ausführlicher geschieht. Mein persönlicher Liebling ist das Datenblatt zur RAS TSCHUBAI. Es hat über hundert Seiten, erläutert auch allgemein die Raumschifftechnik des Perryversums, bietet Übersichtszeichnungen und dergleichen. Eine lohnende Lektüre, auch für sich genommen. Manchmal lese ich ohne konkreten Anlass darin.

Nach erster Sichtung des Exposés suche ich die Informationen zusammen, die ich noch brauche. Weitere Datenblätter, auf die verwiesen wurde. Heftromane, die zentrale Figuren oder Schauplätze behandeln. Wie komme ich da ran? Über eine DropBox-Ablage, oder, wenn ich dort nicht fündig werde, eine E-Mail (!) an die Redaktion, die mir die Sachen schickt.

Dennoch gibt es immer auch Fragen und Abstimmungsbedarf. Die Exposéautoren, die Redaktion, die Technik-und-Lore-Experten – sie alle sind eine E-Mail entfernt. Die Besonderheit: Wegen des vergleichsweise engen Zeitabstands zwischen Schreiben und Veröffentlichen ist das eigene Projekt auch für sie aktuell, sozusagen »heiß«. Die Antworten kommen entsprechend schnell, meist innerhalb weniger Stunden.

Die Recherche spielt sich auf zwei Ebenen ab:

In der Perrypedia, für die man den engagierten Fans gar nicht genug danken kann. Dort findet man oft die Informationen, die man sucht, oder zumindest die Quellen, in denen man weiter recherchieren kann.

Und die bestehenden Manuskripte und Exposés. Wie durchsucht man aber ein paar Hundert Word-Dokumente effizient nach sämtlichen Nennungen der Figur »Axelle Tschubai«? Das Tool DocFetcher ist mein Freund – mein Feind dagegen ist der Tippfehler im Suchbegriff. Aber dieses Thema bedecken wir besser mit gnädigem Schweigen.

Exposé, Rückfragen und Rechercheergebnisse resultieren in meinem Plan für den Heftroman. »Moment!«, wird manch einer rufen. »Dieser Plan für den Heftroman – liegt der nicht bereits als Exposé vor?«

Doch, schon.

Aber es muss meine Geschichte werden. Ich muss sie kneten. Ich muss Perspektiven auswählen und Schwerpunkte setzen. Ich muss ergänzen und straffen.

Manche Kolleginnen und Kollegen machen das mit einem weiteren Fließtext-Exposé. Ich nutze oft das Tool yWriter, eine Art virtuellen Karteikasten. Derzeit gehe ich zu grafischen Planungen mit den sogenannten »Denkbrettern« der Schreibsoftware Papyrus über (bei deren Entwicklung Andreas Eschbach beratend tätig ist). Hier kann ich verbinden, verschieben und löschen, und stets bleibt alles ordentlich und leserlich.

Das erfährt viele Iterationen, bis ich die wesentlichen »Beats« der Geschichte auswendig aufsagen kann. Dann bin ich drin. Dann ist es meine Geschichte geworden. Dann muss ich sie schreiben.

Das ist keine strenge Sequenz. Beim Schreiben stoße ich auf Wissenslücken, eine weitere E-Mail an die Experten im Hintergrund geht raus. In einer Szene merke ich, dass die Figur, die den Thermostrahl abbekommt, einfach nicht verdampfen will. Dass sie sogar »gute Argumente vorbringt«, wieso sie in der Handlung noch nützlich sein wird. (Nein, ich höre keine Stimmen. Jedenfalls nicht oft.)

Manche Sachen sind Schrott. Meine Freundin, die Löschtaste, ist immer in Reichweite meines kleinen Fingers.

Manche Passagen sind nicht übel, aber sie stehen an der falschen Stelle. »Ausschneiden« und »Einfügen« sind ein Zwillingspaar, das uns der Himmel geschickt hat.

Manche Formulierungen werden es ohnehin nicht durch das Lektorat schaffen. Die »Maßnahme« wird von der Volltextsuche noch vor Abgabe aufgespürt, und unter dem gestrengen Chefredakteursblick ballt auch niemand die Fäuste (denn wir wissen: Die Faust ist das Ergebnis des abgeschlossenen Ballungsvorgangs der Hand).

Also gut: Alles passt?

Nein, natürlich nicht. Aber die Überarbeitungen machen es nur noch anders, nicht mehr besser. Also geht eine weitere E-Mail auf die Reise, diesmal mit dem Manuskript im Anhang.

Wenn ich es recht verstehe, wird es am anderen Ende der Leitung ausgedruckt, weil das der Arbeitsweise des Chefredakteurs entspricht. Es ist das erste Mal, dass die Geschichte mit Papier in Berührung kommt.

Meine Rückmeldung erhalte ich auch wieder per E-Mail, erst eine recht detaillierte Kritik des Chefredakteurs, dann das Manuskript mit Lektoratsanmerkungen. Diese schaue ich durch, mich schaudert ob der Fehler und Schwächen, die ich nicht selbst bemerkt habe. In Einzelfällen schlage ich der Redaktion alternative Lösungen vor, um diese zu beheben. Alles über das Netz …

Ich bin Falk-Ingos Autorengeneration dankbar dafür, was sie geschaffen und uns übergeben hat. Unter Arbeitsbedingungen, die mir großen Respekt abnötigen.

Aber im Kern ist unsere Arbeit vermutlich doch dieselbe geblieben. Wir erleben Abenteuer in unserer Phantasie und laden die Leserschaft ein, daran teilzuhaben. Wir gehören zu den Menschen, die niemals aufhören, von den Sternen zu träumen.

Ad astra, pax terra.