Der »Mythos«-Zyklus und die Medien – Teil zwei Eine Kolumne von Alexandra Trinley über gesellschaftliche Serienhintergründe

31. Juli 2021

Im PERRY RHODAN-Roman »Wo die Äonenuhren schlagen« (Band 3124, geschrieben von Oliver Fröhlich) wurde auch ein umfangreicher Beitrag von Alexandra Trinley veröffentlicht – als ein Teil des aktuellen PERRY RHODAN-Reports. In ihrem Artikel schreibt die Autorin darüber, wie im abgelaufenen »Mythos«-Zyklus der PERRY RODAN-Serie gesellschaftliche Themen verarbeitet wurden.

Diesen Beitrag dokumentieren wir auch an dieser Stelle. Wegen seines Umfangs bringen wir ihn in drei Teilen: Gestern kam Teil eins, heute bringen wir den zweiten Teil, morgen folgt der abschließende dritte Teil.

 

Wie filtert man die Wirklichkeit?

Das Ausschneiden Terras aus der Wirklichkeit geht Arkons Verschwinden in der undurchdringlichen Bleisphäre voran, das ebenso Aspekte unserer Realität abbildet. Man betrachte etwa die Datenverleugnung von Verschwörungstheoretikern oder die Verleugnung von Genoziden durch bestimmte Staaten – es gibt haufenweise Parallelen. Ohne Handyaufnahmen wäre George Floyds Tod auf globaler Ebene nicht »real« und wirksam geworden.

Erinnert sich noch jemand an den Abend in den 1970er-Jahren, an dem der Präsident der irischen Sinn-Féin-Partei, Gerry Adams, plötzlich in den Nachrichten auftauchte? Viele Jahre lang hatten die Briten das Gesicht des IRA-Aktiven aus Presse und Fernsehen verbannt, so wie vorher die irische Sprache an irischen Schulen verboten war. Jedes Ausblenden beeinflusst die wahrgenommene Wirklichkeit.

Um sie ins rechte Licht zu setzen, muss man Aufzeichnungen sichten. Das ist der Grund, aus dem Diktaturen den Zugriff auf Kommunikationswege und Daten akribisch beobachten und reglementieren. Die Atopen schränkten bereits einige Zyklen vorher die freie Fortbewegung ein und hoben die Selbstbestimmung der Milchstraßenvölker auf.

Die Cairaner gehen grundsätzlicher vor: Den zu Kontrollierenden werden die Daten entnommen. Da fast alle Speichermedien der Milchstraße (soweit sie in die Handlung einbezogen wurde) positronisch sind, gelingt den überaus freundlichen Usurpatoren so ein Schlag, der Widerstand grundsätzlich unterbindet.

Das Datensterben durch Posizid ist ein bemerkenswertes Gedankenspiel: Wenn wir den Zugriff auf unsere Speichermedien, unser Internet, unsere Daten verlören, was bliebe uns? Und was könnten wir tun, wenn dann jemand eine neue Version der Wirklichkeit einführen würde?

Einen möglichen Dateninfarkt zu durchdenken, das ist ein angesagtes Thema unserer Zeit. Heute schon baden wir in einer Überfülle belangloser Inhalte, die ebenso irreführend wie irrelevant sind und uns trotzdem auf Trab halten.

Der »Raptus Terrae« im Perryversum – das Entfernen des Planeten, der als Beweis der Manipulation hätte dienen können – wird durch einen kaum erklärten Mechanismus durchgeführt. Hinzu kommt das Terranische Odium, jener Eingriff in die ÜBSEF-Konstante des Individuums, der nicht nur Erinnerungsverlust bewirkt, sondern auch ein Gefühl von Fremdheit beim Erinnern, wodurch Eindrücke von Terra, Luna und Perry Rhodan als unwirklich erlebt werden. Hinzu kommt eine feindselige Abneigung, die ohne das Wissen um die Beeinflussung durch die Cairaner unerklärlich ist.

Spiegelt auch dies unsere Zeit? Anders gefragt: Wie gut können wir zwischen persönlichen und medial vermittelten Erlebnissen unterscheiden? Und in welchem Ausmaß sorgen untergeschobene Erinnerungen – oder die Unterstellung untergeschobener Fakten – bei einem Menschen für Unruhe?

Einflüsse der Medienwirklichkeit finden sich auch in der »Topographie«, also der Räumlichkeit des »Mythos«-Zyklus. Die epische Breite schuf eine Vielzahl von Protagonisten, an die wir uns kaum gewöhnen konnten, weil sie nach wenigen Romanen schon wieder geparkt wurden, um dann unvermutet wieder da zu sein. Wie etwa die Shenpadri und das gefrorene, fremde Terrania, von denen man nach einer eindrucksvollen Einführung durch Andreas Brandhorst lange nichts hörte, oder Col Tschubai, der in PR 3007 verschwand und erst in PR 3093 wieder auftauchte. Diese verwirrende Vielfalt entspricht unseren Medieneindrücken und den vielen Begegnungen des täglichen Lebens.

Damit eine solche Abweichung auffällt und Zusammenhänge erkennbar werden, braucht man Beweisgegenstände und ein entsprechendes Gedächtnis. Eines, wie Exposéautor Vandemaan es immer wieder unter Beweis gestellt hat. Wer diesen Überblick nicht hat, muss sich mit der bunten Bilderwelt der Einzelromane begnügen, und das geht anscheinend recht gut.

Es wäre eine Untersuchung wert, wie vielen Lesern das Prinzip des Zappens, das hier parallel zum extrem langfristigen Ausspinnen von Handlungsfäden angewandt wurde, überhaupt auffiel. Auch dies ist modern, werden solch mangelnde Verbindungen doch in einer Vielzahl von Serien beobachtet, aber meist nur von eingefleischten Fans beklagt.