Der Redakteur erinnert sich: Gedanken an ein Taschen-Universum

24. September 2018

1998 siedelten wir die erste Miniserie im PERRY RHODAN-Universum an. Mit den zwölf Romanen des »Traversan«-Zyklus unternahmen wir den riskanten Versuch, die Marke ATLAN im Zeitschriftenhandel wiederzubeleben. Robert Feldhoff verfasste die Exposés, Rainer Castor machte die Datenrecherche, und eine Gruppe von Autoren schrieb die spannenden Bände.

Die Verkaufszahlen waren überraschend gut, die Reaktionen der Leser zumeist positiv. Erste Gespräche über eine Buchausgabe liefen bald darauf an. Jeder war mit uns der Ansicht, dass »Traversan« ein echter Erfolg geworden war.

Was also lag näher, als sich über eine weitere Miniserie Gedanken zu machen? Im Frühjahr 1999 skizzierte ich erste Überlegungen zu einer Miniserie, die ich unter die Überschrift »Taschen-Universum« stellte. Es sollte eine direkte Fortsetzung zu »Traversan« werden, auch in Form von Heftromanen. Meine Ideen waren überhaupt nicht ausgereift, aber das sollten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sein.

Ich wollte Atlan in eine klassische Situation bringen – er sollte auf einem fremden Planeten zu sich kommen, obwohl er sich kurz zuvor in einer Tiefschlafkammer auf dem Planeten Traversan befunden hat. »Am Ende erkennt er, dass er in einem Mini-Universum ist«, formulierte ich lakonisch.

Ich wollte ein bizarres Universum haben, »eine Art Steampunk«, dazu »Raumschiffe mit allem möglichen Schnickschnack« und »eigene Naturgesetze«. Über die Details machte ich mir damals keine Gedanken, denn ich dachte mir: »Wir können das alles definieren, es muss nur passen.«

Das »Taschen-Universum«, wie ich das Gebilde nannte, wollte ich fest in der Seriengeschichte verankern. Es sollte »vor 1,2 Millionen Jahren als Hordenabwehr eingerichtet« worden sein, dort habe man ein Hilfsvolk deponiert, dessen Nachkommen nichts von seiner Vergangenheit wissen. Aber, ganz klar: »Atlan mit Ritter-Aura kann als einziger das Geheimnis lösen.«

Das Hilfsvolk hatte ich nicht weiter definiert, ich wollte es vor allem exotisch haben. Die weitere Verknüpfung zur Seriengeschichte lag mir als altem Fan der »Meister der Insel«-Romane sehr nahe: »Lemurer fanden vor 50.000 Jahren schon Hinweise auf das Taschen-Universum. Es gelang ihnen, einen Eingang zu öffnen ...«

Während des Krieges gegen die Haluter, so meine Überlegung, seien auch Lemurer in das Taschen-Universum geflüchtet, dort seien sie in die Barbarei zurückgefallen, würden aber mit dem Hilfsvolk zusammenarbeiten. In meinem Arbeitspapier spekulierte ich über eine »neue Kultur« der so verschiedenen Völker.

Atlan reist natürlich nicht ohne Hilfsmittel in das Taschen-Universum. Ich sah die beliebte Figur im Auftrag von ES auf Reisen: »ES gibt Atlan einen Datenträger mit – der geht aber gleich zu Beginn von Band 1 verloren, wird erst später wiedergefunden.« Man kann nicht gerade behaupten, dass dies unglaublich originell sei, aber als erster Ansatz für eine Geschichte hätte das sicher funktioniert.

Die Kultur im Innern des Taschen-Universums werde von außen bedroht. Ob es die Meister selbst sein würden, war mir nicht klar, über die Gegner Atlans hatte ich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Vorstellung. Die Gegner, so überlegte ich, »brauchen was aus dem Taschen-Universum, um ihre Macht weiter auszudehnen«. Könnte sogar »die Duplo-Technologie daher« stammen?

Den eigentlichen Ablauf der Miniserie skizzierte ich gar nicht. Mir war nur eines klar: »Irgendwann löst sich das Mini-Universum auf, die Sonnen fallen ins normale Universum zurück.« Die Idee war, dass es gut zehntausend Jahre dauern würde, bis die Sonnen aus dem Taschen-Universum in die Milchstraße fallen würden – als eine kleine Sternballung. »Und das wäre im Jahr 1400 NGZ oder so – als Spekulation für die Leser!«, notierte ich mir.

Unklar war mir noch, mit welchen besonderen Gaben eigentlich Atlan auftreten wollte. Bei manchen Notizen ist mir nach all den Jahren nicht mehr klar, was ich meinte. Völlig ernsthaft schrieb ich: »Was macht Atlan einzigartig? Kann er als einziger Musik? Weil er als einziger die verschiedensten Tonlagen aus dem eigenen Universum mitbringt?«

Warum aus dem Ideenpapier nichts wurde, ist nur noch schwer nachzuvollziehen. Ende der 90er-Jahre entwickelten Redaktion und Marketing viele Ideen, die nicht umgesetzt werden konnten. Neue Buchreihen standen im Zentrum des Interesses, vor allem, nachdem Eckhard Schwettmann zum Verlagsleiter der Buchverlage ernannt wurde.

In diesem Zusammenhang war eine neue Heftromanreihe mit ATLAN auf einmal nicht mehr so wichtig. Der Band 2000 der PERRY RHODAN-Serie kam zudem auf uns zu, Ernst Vlcek zog sich aus der Exposéarbeit zurück, und Robert Feldhoff und ich mussten einiges in den Abläufen umstrukturieren.

So gerieten die Notizen zum »Taschen-Universum«, die ich auch an Robert Feldhoff geschickt hatte, in Vergessenheit. Aber offenbar behielten wir den einen oder anderen Vorschlag in den folgenden Jahren im Hinterkopf ...

 

Klaus N. Frick