Der Redakteur erinnert sich: Sonnensturm oder Hölle

18. Dezember 2022

Als bekannt wurde, dass die PERRY RHODAN-Taschenbücher künftig nicht mehr innerhalb der Verlagsgruppe Pabel-Moewig erscheinen würden, sondern beim Wilhelm Heyne Verlag in München, wurde ich von mehreren Autoren angeschrieben. Sie würden gern für PERRY RHODAN schreiben, und sie hätten Interesse daran, sich an der neuen Reihe zu beteiligen.

Unter diesen Personen waren einige neue Talente, die unbedingt ihre Romane veröffentlichen wollten – unter anderem mein alter Freund Achim Mehnert. Es meldeten sich aber auch Schriftsteller, die schon länger aktiv waren und deren Namen mir etwas sagten.

Einer von ihnen war Konrad Schaef aus Kitzingen, den ich noch nicht persönlich kannte. Er hatte in den 60er-Jahren unter dem Pseudonym Conrad Shepherd drei Romane für unsere Serie verfasst, die ich als Jugendlicher gelesen hatte, und wollte gern mit eigenen Ideen an PERRY RHODAN mitwirken. Er reichte mehrere Exposés und Vorschläge für PERRY RHODAN-Taschenbücher ein.

Bei einem der beiden Ideenpapiere war er sich nicht einmal sicher, wie es heißen sollte: Er notierte zwei Titelvorschläge. Einmal schlug er »Sonnensturm« vor, die andere Überlegung lautete »Hölle hoch 4«. Sein Exposé hatte Konrad mit einem Computer verfasst und mit einem der damals modernen Nadeldrucker ausgedruckt.

Seine Geschichte klang von den ersten Sätzen an nach einem Wirtschafts-Thriller, angesiedelt in der Zukunft der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, gesellschaftlich und wirtschaftlich aber in den 90er-Jahren verhaftet. Konrad wollte die Geschichte »etwa im Zeitraum nach dem Flug der BASIS« zur Großen Leere ansiedeln. »Der mächtigste Wirtschaftsfaktor innerhalb des Galaktikums, die Kosmische Hanse«, so das Exposé, »ist nach den vergangenen Ereignissen in großen finanziellen Schwierigkeiten«.

Unter anderem hätten einige Kontore »mit Aktivitäten wirtschaftlicher Gruppierungen zu kämpfen«, die ihnen »mit der Bildung von Monopolen und Kartellen das Leben schwer machen«. Das alles sollte den Hintergrund für die eigentliche Geschichte bilden. Damals störte mich nicht, dass Konrad so »retro« schrieb, auch wenn ich mich wunderte: Sollten einige Jahrtausende in der Zukunft nicht die wirtschaftlichen Zusammenhänge anders sein als zu unserer Zeit? Reichte es wirklich aus, die aktuelle Wirklichkeit zu nehmen und in eine ferne Zukunft zu projizieren?

Für den eigentlichen Roman war das nicht so wichtig. Konrad Schaef skizzierte eine interessante Welt, die er als Agama IV bezeichnet und die im Roman auch als »Hölle Hoch 4« bekannt werden sollte. Die Wüstenwelt sollte spezielle Bodenschätze aufweisen, wobei die Umweltbedingungen viele Herausforderungen bereit hielten: eine hohe Schwerkraft und harte klimatische Bedingungen.

Als Hauptfigur konzipierte Konrad Schaef einen Hanse-Spezialisten; es sollte eine typische Agentengeschichte werden, eine Art »James Bond im Weltraum«. Mir gefiel gut, dass die Handlung bodenständig angelegt war, mit einem spannenden Planeten und sehr klaren Konflikten auf seiner Oberfläche und im All. Für mich klang das spannend.

Die Überlegungen des Schriftstellers, auch die »aktuellen Geschehnisse in der Lokalen Gruppe in den Jahren 1201 bis 1208 NGZ« im Roman zu verarbeiten, mochte ich nicht. Ich kritzelte ein »nein! too much« an den Rand des Manuskript-Ausdrucks. Überzeugend fand ich hingegen die geschilderten Handlungsstränge, die der Autor sehr klar und ausführlich formulierte.

Ich wandte mich bei meinen Notizen gegen den Autorenvorschlag, die arkonidische Organisation FAMUG als »Bösewicht im Hintergrund« zu benutzen. Mir war ein klarer Gegner mit einer nachvollziehbaren Agenda lieber als eine Organisation, die eigentlich die neue Stärke Arkons im Bild hatte und sich wohl kaum um irgendwelche Bergbauplaneten kümmern würde.

Unklar blieb mir allerdings , wie Konrad Schaef seinen Roman zu Ende bringen sollte. Welche Pointe hatte er sich ausgedacht, mit welchem Trick sollte der Hanse-Spezialist am Ende gewinnen? Hier sah ich Nachholbedarf, hier sollte der Autor sich noch einiges einfallen lassen.

Dennoch war ich von dem Exposé und seiner stringenten Handlung durchaus angetan. Ich rief den Autor an, wir sprachen meine Kritik durch, dann einigten wir uns auf den weiteren Verlauf. Meine handschriftliche Notiz auf der ersten Seite lautet »PR-TB 387«.

Unter der Nummer 387 und dem Titel »Hölle hoch vier« wurde der Roman im Juni 1995 tatsächlich veröffentlicht. Es war Konrads erster Beitrag für die Reihe der PERRY RHODAN-Taschenbücher im Heyne-Verlag. Ein zweiter sollte folgen, sein drittes Taschenbuch veröffentlichten wir dann schon in Zusammenarbeit mit dem Bechtermünz-Verlag.