Die Woche der Splitter-Tipps (Teil 5) Christophe Arleston u.a.: Chimaira 1887

13. Mai 2016

Zwischen Bordellen, Gewalt und Politik

Eine ungewöhnliche Kulisse für ein Comic-Epos: Das Freudenhaus »Purpurrote Perle« liegt in Paris, orientiert sich an einer wohlhabenden Kundschaft und ist somit ein Zentrum für Intrigen und politische Verhandlungen, die nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollen. Man schreibt das Jahr 1887; die Handlung spielt in Frankreich, das sich mittlerweile von dem verlorenen Krieg gegen das Deutsche Reich erholt hat.

Bordelle sind nicht unbedingt typische Orte für Comic-Geschichten. Sie kommen gelegentlich vor, sie zeigen eine eher lockere, fast fröhliche Atmosphäre, in der getrunken und »geliebt« wird. Meist aber sind Bordelle ebenso ein Tabuthema wie Toiletten: Man weiß, dass sie existieren, aber sie finden im Comic so gut wie gar nicht statt.

Das ist in »Chimaira 1887« völlig anders. Hauptperson des Comics, von dem hierzulande bereits vier Teile erschienen sind, ist das Mädchen Chimaira. Sie wird mit 13 Jahren in ein Bordell verkauft, in die »Purpurrote Perle« in Paris, wo sie schnell lernt, wie man den Männern zu Willen ist. Ebenso schnell lernt sie die Methoden der Manipulation und wird schnell – in sehr jungen Jahren – eine Zeugin und später Mittäterin für allerlei politische und wirtschaftliche Intrigen.

Dabei spielen durchaus historische Persönlichkeiten eine Rolle. So hat beispielsweise Gustave Eiffel, bekanntlich unter anderem der Erbauer des Eiffelturms, eine Reihe von Auftritten. Ebenso tauchen amerikanische Geschäftsleute auf. Und Ferdinand de Lesseps, der Erbauer des Suezkanals, arbeitet zur Handlungszeit daran, auch einen Kanal durch Panama zu bauen. Wer sich mit der geschilderten Zeit auskennt, hat dadurch ein zusätzliches Lesevergnügen.

»Chimaira 1887« ist ziemlich grob. Das Leben im Bordell wird nicht als nett geschildert, und es wird klar, dass ein Bordell für viele Frauen eben nicht das erhoffte Leben darstellt, sondern ein Ausweg aus persönlicher Not ist. Huren gelten auch in einem recht vornehm wirkenden Bordell als Menschen unterster Klasse: Die Männer, die zu ihnen kommen, sind meist verheiratet und holen sich bei ihnen die Vergnügungen, die sie im wirklichen Leben nicht erhalten.

Christophe Arleston überzeugt mich seit Jahren als Comic-Autor; so auch hier. In Zusammenarbeit mit dem Co-Autor Melanÿn, der mir leider nicht so viel sagt, erzählt er eine Geschichte, die im ersten Moment keine grellen Höhepunkte hat, die aber in jedem Comic-Band einen eigenständigen Spannungsbogen präsentiert und jeweils auf die Fortsetzung neugierig macht. Die Dialoge packen, die Figuren wirken vielschichtig und handeln nachvollziehbar. Wer Arleston bisher als Autor von phantastischen und erfolgreichen Fantasy-Epen kannte, wird bei »Chimaira 1887« womöglich überrascht sein. Ich mochte diese andere Seite des Autors sehr – ohne zu wissen, welchen Stellenwert der Co-Autor wirklich dabei hat.

Vincent kannte ich bereits. Seine Trilogie »Albatros« spielt ebenfalls im späten 19. Jahrhundert, hier war er als Zeichner wie auch als Autor tätig. Bei »Chimaira 1887« überzeugte er mich ebenfalls. Sein Blick auf die Welt des auslaufenden 19. Jahrhunderts steckt voller Details; seine Figuren wirken manchmal grell in einer Welt, die mit der unseren mehr gemeinsam hat, als man sich normalerweise vorstellt.

Bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: Auch wenn »Chimaira 1887« in einem Bordell spielt, gibt es keine erotischen Szenen in diesem Comic. Zwar wirken die Prostituierten durchaus attraktiv und werden in eindeutigen Szenen mit ihren Kunden gezeigt – das aber stellt die Serie eher beiläufig dar.

»Chimaira 1887« ist gewissermaßen ein Sittenbild einer gewissen Zeit, gezeigt mit den Augen eines jungen Mädchens, die schon mehr gesehen haben, als man Mädchen in diesem Alter zumuten sollte. Ich fand die ersten vier Bände der Serie faszinierend und abschreckend zugleich, spannend und mitreißend erzählt, originell in Szene gesetzt und illustriert.

Band eins erschien unter dem Titel »Die purpurrote Perle« und mit der ISBN 978-3-86869-503-8. Band zwei trägt den Titel »Feuerrote Spitzen« und kann mithilfe der ISBN 978-3-86869-504-5 überall im Buch- und Comic-Fachhandel bestellt werden. Band drei ist unter dem Titel »Die Furie von St. Lazare« und mithilfe der ISBN 978-3-86869-505-2 zu bestellen. »Blutsverwandt« ist der Titel des vierten Bandes, der die ISBN 978-3-86869-514-4 trägt.

Alle vier Bände umfassen jeweils 48 Seiten und kosten 13,80 Euro; die schön gestalteten Hardcover-Bände sind im Splitter-Verlag erschienen.
 

Klaus N. Frick


Christophe Arleston u.a.: Chimaira 1887 Band 1Chimaira 1887 Band 1:
Die purpurrote Perle

48 Seiten für 13,80 Euro.
ISBN: 978-3-86869-503-8
Splitter-Bestellmöglichkeit inklusive Leseprobe
Amazon-Bestellmöglichkeit

 

Christophe Arleston u.a.: Chimaira 1887 Band 2Chimaira 1887 Band 2:
Feurrote Spitzen

48 Seiten für 13,80 Euro.
ISBN: 978-3-86869-504-5
Splitter-Bestellmöglichkeit inklusive Leseprobe
Amazon-Bestellmöglichkeit

Christophe Arleston u.a.: Chimaira 1887 Band 3Chimaira 1887 Band 3:
Die Furie von St. Lazare

48 Seiten für 13,80 Euro.
ISBN: 978-3-86869-505-2
Splitter-Bestellmöglichkeit inklusive Leseprobe
Amazon-Bestellmöglichkeit

 

Christophe Arleston u.a.: Chimaira 1887 Band 4Chimaira 1887 Band 4:
Blutsverwandt

48 Seiten für 13,80 Euro.
ISBN: 978-3-86869-514-4
Splitter-Bestellmöglichkeit inklusive Leseprobe
Amazon-Bestellmöglichkeit