Wenn es den klassischen Science-Fiction-Autor schlechthin gibt, so ist es H. G. Wells. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert schrieb er Kurzgeschichten und Romane, die für die phantastische Literatur stilprägend wurden. Ob Invasionsgeschichte oder Zeitreise, Wissenschafts-Thriller oder Horror – Wells lieferte Ideen, von denen zahlreiche Autoren bis heute profitieren.
Es lag also nahe, auf dieser Basis auch Comics zu entwickeln. In einer sechs Bände umfassenden Reihe werden die wichtigsten Wells-Werke vom Splitter-Verlag in aufgefrischter Form präsentiert. Verantwortlich dafür ist der französische Comic-Autor Dobbs, der sich hierfür mit verschiedenen Zeichnern zusammengetan hat. Zuletzt las ich die Bände zwei und drei dieser Reihe, in denen der klassische Roman »Der Krieg der Welten« neu interpretiert wird.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Ohne Vorwarnung landen die Marsianer auf der Erde – in diesem Fall in einer ländlichen Region in England. Sie stecken in riesigen Maschinen, die offenbar erst abkühlen müssen. Zuerst sind die Menschen nur neugierig, dann kommt es zu ersten Konflikten. Mit dreibeinigen Maschinen beginnen die Marsianer ihren Krieg gegen die Menschen. Obwohl die Armee aufzieht und mit Kanonen und Gewehren kämpft, haben die Soldaten keine Chance.
Ein fürchterlicher Krieg entbrennt, in dem die Menschen nur unterliegen können. Rein technisch sind die Marsianer mehrfach überlegen. Ihr Feuerstrahl vernichtet Waffen und Menschen gleichermaßen, in ihm wird alles verbrannt.
Dass die Menschheit den Angriff der Marsianer übersteht, liegt letztlich daran, dass die Umwelteinflüsse stärker sind. Die Feinde aus dem All werden durch Mikroben getötet, der Krieg bricht in sich zusammen.
Heute mag einem Leser die Auflösung des Science-Fiction-Themas als banal vorkommen, zur Jahrhundertwende dürfte das eine aufregende und neue Idee gewesen sein. Die Geschichte ist eindrucksvoll genug: der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung, die Verzweiflung der britischen Landbevölkerung, die Versuche, sich vor den Marsianern zu verstecken ...
Der Comic-Autor Dobbs rafft die Geschichte, damit sie in zwei Comic-Bände passt. Handlungsstränge werden zusammengefasst, andere ersatzlos gestrichen. Der Autor konzentriert sich vor allem darauf, die menschlichen Aspekte ins Zentrum zu stellen: die Suche eines Journalisten nach seiner Familie, seine Flucht vor den marsianischen Kampfmaschinen und seine Angst. Das gelingt sehr gut, die Geschichte wird somit auch für jene Leser spannend, die den Roman oder eine seiner Verfilmungen kennen.
Stark sind vor allem die Zeichnungen. Vicente Cifuentes hat einen realitätsnahen Stil, der den Geist des späten 19. Jahrhunderts einfängt, aber kein bisschen altmodisch wirkt. Ob es eine dörfliche Idylle ist oder der Angriff der Marsmenschen – bei Cifuentes wirkt das stets eindrucksvoll. Seine Zeichnungen sind klar, die Linien wirken kräftig, und die starke Farbgebung verstärkt die Szenen. (Es empfiehlt sich, die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlages oder im PERRY RHODAN-OnlineShop anzuschauen!)
Beide Bände von »Der Krieg der Welten« sind sehr gelungen, ein Schmuckstück für jede Comic-Sammlung. Sie zeigen eine tolle Möglichkeit, einen Literatur-Klassiker auf hervorragende Weise in ein anderes Medium zu überführen. Meine Empfehlung für alle Comic- und Science-Fiction-Fans!
Der erste Band des Zweiteilers – zugleich der dritte Band der H.-G.-Wells-Reihe – ist mithilfe der ISBN 978-3-95839-503-9 überall im Comicfach- und Buchhandel zu erhalten; Band zwei hat die ISBN 978-3-95839-504-6. Beide Bücher umfassen jeweils 56 Seiten und kosten 15,80 Euro.
Klaus N. Frick
