PERRY RHODAN-Fans: Interview mit Dietmar Schmidt – Teil 1 PERRY RHODAN-Leser und Profi-Übersetzer

18. November 2014

Immer wieder stellen wir uns selbst die Frage: Wer sind eigentlich die PERRY RHODAN-Leser? Auch Medienvertreter oder Buchhändler wollen das gelegentlich wissen.

Aus diesem Grund hat der PERRY RHODAN-Autor Michael Marcus Thurner eine Interview-Serie gestartet. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen bittet er Leute ins Rampenlicht, die die Buntheit und die Vielfalt des Leserkreises veranschaulichen sollen.

In der fünften Folge stellt der Autor einen Fan vor, der seine Science-Fiction-Begeisterung zum Beruf gemacht hat – er ist Übersetzer. Wegen seiner Länge wird das Interview in zwei Teilen erscheinen. Heute ist Teil eins dran; dabei geht es ums Übersetzen – morgen folgt Teil zwei mit dem Schwerpunkt PERRY RHODAN.

MPERRY RHODAN-Fan Dietmar Schmidt (Bild: Dietmar Schmidt)ichael Marcus Thurner: Dietmar, du bist 51 Jahre alt und seit langer Zeit PERRY RHODAN-Leser. Und du hast eine interessante berufliche Laufbahn eingeschlagen, die sehr viel mit Büchern zu tun hat, obwohl es anfänglich gar nicht danach ausschaute. Erzähl bitte mal über deine Karriere.

Dietmar Schmidt: Wenn man das Karriere nennen möchte. Ich habe Chemie studiert und 1994 promoviert, aber die Arbeitsmarktsituation war damals recht schlecht. Ich bin noch ein Jahr als Postdoctoral Fellow zu einem Forschungsaufenthalt in den USA gewesen, aber die Perspektive hat sich dadurch nicht verbessert. Ich besaß ein wenig Schreiberfahrung und hatte während des Studiums gelegentlich Artikel aus dem Englischen übersetzt, und mit dieser »Berufserfahrung« habe ich mich noch während der Zeit an der Universität Bonn bei Bastei Lübbe als Übersetzer beworben.

Damals bestand Bedarf nach neuen Leuten, ich bekam eine Probeübersetzung. Als nach meiner Rückkehr aus den USA die Möglichkeit bestand, weiter SF und Fantasy zu übersetzen, ergriff ich die Gelegenheit. Viele meiner Kollegen haben auf Computerprogrammierer umgeschult. Für mich wäre das eine Option gewesen, aber wenn ich schon den ganzen Tag am Rechner sitzen sollte, wollte ich mich lieber mit Sprache beschäftigen. So ging es los. Ich habe mich bei Stefan Bauer zu bedanken, der damals SF- und Fantasy-Lektor bei Bastei Lübbe war und mich sehr gefördert hat, und bei Axel Merz, der mich überhaupt erst auf die Idee brachte, man könnte ohne sprachwissenschaftlichen Abschluss Romane übersetzen.

Michael Marcus Thurner: Als Übersetzer bist du ausschließlich für den Bastei-Verlag tätig. Eine Fixanstellung ist in deinem Berufsbereich ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Dietmar Schmidt: Für mich kam das Angebot vor allem überraschend. Es war 2007, und die »gerechte Beteiligung« von Übersetzern am Verkaufserfolg ihrer Übersetzungen war ein Thema – für alle, die es nicht betraf, vermutlich kein heißes Thema. Die Verlagsgruppe Lübbe probierte die Idee aus, Übersetzer nicht projektbezogen, sondern dauerhaft zu beschäftigen, und ich wurde gefragt, ob ich Interesse hätte. Ich hatte.

Regelmäßiges Gehalt, bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kannte ich noch von der Universität, als Freiberufler war mir Urlaub eine ganze Weile lang etwas sehr Fremdes. Bereut habe ich meine Entscheidung nicht, auch wenn ich dadurch nur noch sehr wenig phantastische Titel übersetze, sondern mehr historische Romane, Thriller, Jugendbücher und sogar ein paar Liebesromane.

Michael Marcus Thurner: Welche sind denn die bekanntesten Autoren, die du übersetzen durftest? Gab es denn Kontakt zu ihnen?

Dietmar Schmidt: Ken Follett, Dan Brown (ich gehörte zum Übersetzergeschwader für »Das verlorene Symbol«), Poul Anderson, David Weber, Stephen Baxter, Peter F. Hamilton (von beiden nur Erzählungen in der Anthologie »Unendliche Grenzen«, die hierzulande unverdient gefloppt ist), Karl Edward Wagner, Robert E. Howard (auch nur je eine Erzählung, aber für mich echte Highlights), Piers Anthony, Justina Robson, Jeff Kinney (damit auch ein Jugendbuchautor dabei ist), Mike Mignola und Christopher Golden.

Kontakt hatte ich zu Brian D’Amato, der eine großangelegte Trilogie um das Ende des Maya-Kalenders schreiben wollte, von der aber nur zwei Bände erschienen sind. Er war sehr in Sorge wegen der deutschen Umsetzung, aber ich glaube, wir wurden uns einig. Davon abgesehen – nein. Ich erhalte in der Regel keine Kontaktinformationen, und Rücksprachen laufen über Verlag und Agenturen.

Michael Marcus Thurner: Ich habe mir sagen lassen, dass englische Texte manchmal sehr schlampig – um nicht zu sagen, schlecht – geschrieben wurden und es dann am Übersetzer liegt, ein Buch zu »retten«. Hattest du schon mal mit derartigen Problemen zu tun?
Dietmar Schmidt: Ein Problem ist, dass der Buchmarkt insgesamt sehr schnelllebig geworden ist und bei den einzelnen Stationen von Schreiben über Übersetzen bis Vorliegen der gedruckten Fassung immer weniger Zeit bleibt.

Normalerweise versuche ich, so dicht am englischen Original zu bleiben wie möglich und mich so weit davon zu entfernen wie nötig. Es gibt aber – seltene – Fälle, in denen man dieses Prinzip nicht einhalten kann. Ich sage aber keine Beispiele.

Michael Marcus Thurner: Andererseits gibt es heutzutage viele Leser, die das englische Original lesen und dann die Übersetzung bekritteln. Sind dir schon mal Fehler passiert, über die du dich richtig ärgern musstest?

Dietmar Schmidt: Ja, absolut. Ich ärgere mich über jeden Fehler, und wenn ich eine entsprechende Rückmeldung bekomme, nehme ich mir das sehr zu Herzen, bin aber dankbar und versuche mich zu bessern. Manchmal liegt man einfach daneben, manchmal übersieht man etwas. Da mag der Zeitdruck eine Rolle spielen, ist aber keine Rechtfertigung – der Leser zahlt für ein Buch und kann ein ausgereiftes Produkt erwarten.

Michael Marcus Thurner: Wie muss man sich deine Arbeitsbedingungen vorstellen: Sitzt du den ganzen Tag im stillen Kämmerlein und übersetzt Seite für Seite? Liest du den Text vorher zur Gänze durch, bevor du mit der Übersetzung beginnst, um ein Gefühl für den Stoff zu bekommen? Ist Übersetzen denn auch eine kreative Arbeit?

Dietmar Schmidt: Kreative Anteile hat es meiner Meinung nach schon, zum Beispiel dort, wo man vom Original weg muss. Dazu kommen Begriffsfindungen – vor allem in der Science Fiction und Fantasy ein zentraler Aspekt. Als ich mich auf die Honor-Harrington-Serie vorbereitete, habe ich mehr über Seekriegführung und Kriegsschiffbau gelernt, als ich je wissen wollte – darunter auch, dass man Kriegführung und Schiffbau ohne Fugen-s schreibt.

Normalerweise lese ich nur das aktuelle Kapitel, ich möchte bei einem Krimi nicht unbewusst etwas verraten, das nur ich weiß, weil ich den Schluss schon kenne. Es gibt aber auch Bücher, die man unbedingt ganz gelesen haben muss, ehe man loslegt, Bücher beispielsweise, in denen wiederkehrende Motive eine Rolle spielen. Das merkt man aber schnell.

Davon abgesehen: Ja, ich sitze jeden Tag von morgens bis abends vor dem Rechner, recherchiere, zerbreche mir den Kopf über bestimmte Stellen und erzeuge vor allem Text. Ich übersetze Seite für Seite, egal, was kommt. Ich gehe oft zurück und ändere Stellen, aber ich arbeite mich genauso durch den Text, wie der Leser ihn nachher liest.

Michael Marcus Thurner: Woran arbeitest du aktuell? Darfst du das verraten?

Dietmar Schmidt: Ich übersetze im Augenblick eine Graphic Novel nach einem Roman von Neil Gaiman, »The Graveyard Book«, die bei Eichborn erscheinen wird. Als altem Comicfan ist das ein besonderes Zuckerl für mich, wie ihr südlich der Grenze so sagt.

(Soweit der erste Teil des Interviews. Teil zwei folgt morgen.)