Mein NEO-Bordbuch vom September 2015 Werkstattbericht von Michael H. Buchholz

28. September 2015

Während seiner Arbeit an aktuellen Romanen und Exposés beschäftigt sich Michael H. Buchholz stets damit, Details aufzuschreiben, die ihm ein- und auffallen. Auszüge daraus liefert er in kurzweiligen Rückblicken – heute geht es um zwei Tage im September 2015 ...

7. September 2015

Die zweite Staffel unter unserer Ägide gestaltet sich paradoxerweise zugleich leichter als auch schwieriger im Vergleich zur ersten. Leichter deshalb, weil wir auf dem guten Fundament der ersten zehn Bände aufbauen können. Schwieriger, weil die Handlung komplex ist, aber am Ende leicht verständlich rüberkommen soll.

Aufmerksame Leser haben es gewiss bemerkt: Es gibt mehrere Arten von »Fäden«, die wir einstricken. Im Grunde sind es drei: kurze, mittlere und lange Fäden. Die kurzen sind allein für den laufenden Zyklus relevant. Die mittleren verknüpfen die Zyklen mit- und untereinander. Und die langen greifen weit voraus und geben die grundsätzliche Richtung vor, in die wir uns bis Band 150 und darüber hinaus entwickeln wollen.

Zu allen drei Fadenarten haben wir Hinweise eingestreut, die hoffentlich zum Spekulieren einladen. Genaues Lesen ist also ab und zu Pflicht. Das wenigste steht »nur so da«, und manche Nebenbemerkung ... nun ja, seht einfach selbst.

Mir macht die Arbeit am zweiten Zyklus noch mehr Spaß als beim ersten, was sicher auch daran liegt, dass ich schon weiß, was kommen wird. Ihr indessen könnt sicher sein: Wir lesen eure Kommentare und Wünsche aufmerksam und diskutieren sie auf ihre Verwendbarkeit hin. Nicht alles passt da ins Konzept, manches andere schon, und wir freuen uns immer, wenn wir den einen oder anderen Wunsch erfüllen können. Das, woran ich jetzt denke, wird sicher vielen gefallen.

19. September 2015

Ich bin an diesem Tag zu einer Lesung im Rahmen einer Soirée eingeladen. Neben einem Livemusic-Act bin ich der »Stargast« des Abends. Ich, der ich gegenwärtig nicht sprechen kann! Ein Scherz vom ES’schen Format.

Was tun?

Ich setzte auf altbewährte Kampfgefährten.

Zuerst versichere ich mich der Unterstützung von Klaus Bollhöfener. Ich schildere die Situation und bitte ihn um durchschlagskräftige Waffen aus seinem Marketing-Arsenal. Verlässlich trudeln in den darauffolgenden Tagen Pakete aus Rastatt ein: Poster, Plakate, Broschüren und Romane.

Sodann überrede ich mit Engelszungen meine liebe Frau Sabine, mir ihre rednererfahrene Stimme zu leihen. Ob sie sich vorstellen könne, an besagtem Abend ein wenig aus NEO vorzulesen? Sie kann.

Doch dann: Am Tag vor der Soirée knickt ihre Gesundheit ein. Nur mit hohen Dosen strenggeheimer Aramedizin kann sie ihre Schmerzen einigermaßen im Zaum halten. Die Lesung ist schlagartig massiv gefährdet. Noch gegen Mittag am Tage X sieht es mit unserer Teilnahme alles andere als gut aus ...

Aber die Sternengötter und -teufel haben ein Einsehen. Nachmittags geht es ihr besser, und sie will es wagen.

Der Veranstalter hatte mich im Vorfeld um Hintergrundinfos für seine Anmoderation gebeten, und ich habe es glatt verdrängt. Also mache ich mich am Samstag kurz vor dem Aufbruch noch daran, in wenigen Sätzen darzulegen, was PERRY RHODAN NEO überhaupt ist und welche Rolle ich dabei spiele.

Dann ist der große Moment gekommen, und ich, der ich nur dabeizusitzen brauche und vor allem möglichst klug und irgendwie schriftstellerisch auszusehen habe, bin ziemlich nervös.

Wie wird das in diesem Kreis ankommen? Ein Autor, der nicht selber liest, sondern lesen lässt, und ein Publikum, dass von NEO wahrscheinlich noch nie gehört hat? Und am wichtigsten: Wird Sabines angegriffene Konstitution überhaupt ausreichen?

Zu allem anderen ist der uns gegebene Zeitpunkt strategisch ungünstig – wir sind ausgerechnet die Nummer vor der Eröffnung des Kalten Büffets. Ich argwöhne, dass sich ganz Vorwitzige vielleicht aus der Lesung stehlen und mit geballter Kraft zum Büffet vorstoßen werden, statt der Eröffnungsszene mit Jester Orpheus aus Band 101 zu lauschen, die Sabine soeben zu Gehör bringt.

Aber weit gefehlt. Der Raum ist bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt, viele müssen stehen – und alle hören aufmerksam zu. Sabine liest und brilliert mit der fehlerfreien Aussprache so lautlese-unfreundlicher Wörter wie »positronikgesteuertem Pulsatortriebwerk«. Sie schafft es, das Publikum bis zur Auflösung der Orpheusszene zu fesseln und den Zuhörern auch noch den Limonenkaugummi – nicht in den Mund, sondern in die Ohren zu schieben.

Der Applaus gehört ihr! Ich nicke ihr dankbar zu. Dann gehöre ich für die nächsten Stunden dem Publikum, das überraschend viele Fragen und ehrliches Interesse an der Serie und ihrer Produktion hat. Immerhin kann ich ganz leise flüstern und so die meisten Fragen beantworten.

Überraschend für mich ist, wie viele (einstige und immer noch) SF-Freunde es auch in dieser Gesellschaft gibt. Und PERRY RHODAN als Produkt ist akzeptiert und in eben dieser Gesellschaft angekommen. Kein Wort vom Heftchenimage oder Groschenromanen. Lediglich gibt es Staunen über das PR-Phänomen an sich und Neugierde auf NEO.

»NEO hat an diesem Abend ganz ohne Frage neue Lust auf Weltraumabenteuer geweckt«, verrät mir der Veranstalter später beim Abschied. Er ist sichtlich zufrieden. Er berichtet von vielen positiven Kommentaren, die er von seinen Gästen zur Lesung erhalten hat. »Danke, dass ihr dabei wart.« Wir grinsen uns an, sammeln unsere Waffen wieder ein und kehren, abgekämpft, aber siegreich, nach Hause zurück.