Manchmal wird es anders ... Werkstattbericht von Hubert Haensel

29. April 2015

Mittlerweile habe ich fünfzig Silberbände bearbeitet, aber nur sehr wenige der Bücher boten für die Umsetzung identische Voraussetzungen. Das ist kein Wunder, denn die PERRY RHODAN-Serie lebt in unzähligen Facetten, die sich gegenseitig ergänzen. Nicht jedes Element ist gleich wichtig und unverzichtbar. Da gibt es die Haupthandlung, die mehr oder weniger geradlinig zum Ziel führt.

Aber nur diesen roten Faden in die Silberbände aufzunehmen und alles andere zu ignorieren, wäre wie der Besuch eines Feinschmeckerlokals, in dem ich mir nur den Hauptgang und ein Glas Wasser bestelle. Wie sehr würden mir letztlich die den Appetit anregende Vorspeise fehlen, das feine Aroma des passenden Weines und der Genuss der Nachspeise, die das Geschmackserlebnis erst richtig ausklingen lässt. Natürlich kann ich eine zweite Vorspeise entfallen lassen, ebenso den obligatorischen Kaffee hinterher.

ÜbPERRY RHODAN-Silberband 130: »Der Frostrubin«ertragen auf die Silberbände bedeutet das: Ich habe hin und wieder ein einzelnes Romanheft nicht in die Bearbeitung miteinbezogen oder nur mit einem sehr geringen Textanteil. Weil es insgesamt zu viel geworden wäre oder weil die Geschmacksrichtung eines Teils nicht mehr zur Zusammenstellung des Menüs gepasst hätte – die Gründe dafür können vielfältig sein. Auf jeden Fall wird dem Leser nichts Entscheidendes fehlen. Ebenso gibt es die kleinen, aber feinen Spezialitäten, die Nebenhandlungen in der Serie. Sie würden dem roten Faden nicht fehlen, wenn es sie nicht gäbe, doch nach ihrem Genuss fühlt man sich einfach zufrieden.

Eigentlich können solche Feinheiten nur Lesern auffallen, die den entsprechenden Abschnitt der PERRY RHODAN-Serie kennen. Neuleser werden fehlende Episoden erst dann bemerken, wenn sie sich schon etwas intensiver mit ihrem neuen Hobby befasst haben.

Soweit das Allgemeine. Im Speziellen rede ich von Eric Weidenburn, dem Terraner, der ein besonderes Sendungsbewusstsein entwickelt hat.

In der Heftserie findet sich ein erster Hinweis auf Weidenburn in Band 1086. Er tritt selbst noch nicht in Erscheinung, aber seine Sinnsprüche auf altertümlich anmutenden Plakaten werden publik. Seine »Lebensgeschichte«, und das im wahrsten Sinn des Wortes, finden wir in Heft 1094 »Der Mann aus Haiti«. Aktiv handelt Weidenburn jedoch erst in Heft 1104; er hat sich als Blinder Passagier auf der BASIS eingeschlichen und gelangt somit in Perry Rhodans Nähe.

Für die Heftserie war diese Reihenfolge durchaus in Ordnung. Erst wurde das Interesse an Weidenburn geweckt, acht Wochen später kam seine Lebensgeschichte, weitere zehn Wochen danach trat er höchstpersönlich in Erscheinung.

Bei der Bearbeitung für die Buchausgabe stellen sich diese Relationen allerdings anders dar. In Buch 128 »Das rotierende Nichts« sind die ersten Hinweise auf das Wirken Eric Weidenburns zu finden. Das liest sich beispielsweise  so: »Im Jahre 425 Neuer Galaktischer Zeitrechnung gehörten Papierplakate nicht zu den Alltäglichkeiten. Gaddic las mit großer Aufmerksamkeit, was auf diesem stand: ›Isolation ist Sicherheit! Dies sagt Weidenburn.‹ Gaddic schüttelte den Kopf. Ob Weidenburn eine Person oder eine Organisation war, blieb sich gleich – die Parole war nach Gaddics Ansicht ausgesprochener Blödsinn.«

Oder an anderer Stelle: »Als er sich weit hinausbeugte, entdeckte Gaddic ein zweites Plakat. Es war einige Häuser weiter aufgehängt, und sein Text erschien nicht weniger absurd. ›Wisst ihr, wohin die Hanse-Schiffe fliegen?« Dies fragt Weidenburn.‹«

Im Silberband 129 »Der steinerne Bote« ist ein weiterer Hinweis auf Weidenburn enthalten, nämlich: »Rhodan warf einen Blick zur Seite und entdeckte an einer Hauswand ein von der Witterung halb zerfressenes Plakat. Mit Mühe entzifferte er den Aufdruck: ›Isolation ist Sicherheit, sagt Weidenburn.‹ Er lächelte müde. Da war noch eine Aufgabe. Er musste herausfinden, was es mit diesem Weidenburn auf sich hatte, dem Anhänger in immer größerer Zahl zuströmten.«

Ginge es ausschließlich nach der Reihenfolge der Romanhefte, dann müsste in diesem Silberband zudem das schon genannte Heft 1094 mit Weidenburns Geschichte enthalten sein. Doch in diesem Buch, das den Abschluss der Porleyter-Bedrohung ebenso zum Thema hat wie den Bereich des rotierenden Nichts, wäre der Mann aus Haiti zum absoluten Fremdkörper geworden, der sich so gar nicht in den Roman eingefügt hätte. Deshalb ließ ich die Geschichte da entfallen.

Andererseits halte ich jenes Heft für eine der kleinen Perlen, die zum Flair der Serie beitragen. Deshalb habe ich etwas getan, das meines Wissens zum ersten Mal geschehen ist. Ich habe Heft 1094 aus seinem angestammten Zyklus »Die Kosmische Hanse« in den neuen Zyklus »Die Endlose Armada« übernommen. In Silberband 130, dem ersten Buch des neuen Zyklus, ist nun zu lesen, wie Eric Weidenburn zu dem wurde, was er ist. Und sein Werden und Wachsen steht damit nicht isoliert, denn Weidenburn wird nahezu zeitgleich als Blinder Passagier entdeckt.

Da mich als Bearbeiter der Silberbände natürlich interessiert, was unsere Leser gut finden und was vielleicht weniger gelungen, bin ich für jede Lesermeinung dankbar. Also seht euch den Silberband 130 »Der Frostrubin« auch mit dem Wissen an, das ich hier quasi aus dem Nähkästchen ausgeplaudert habe. War die Umstellung in Ordnung? Das Buch erscheint am 11. Mai 2015.

 

Hubert Haensel