Kolumne von Falk-Ingo Klee Da waren die Zeigerpflanzen weg!

13. Januar 2017

Wenn man seinen Namen zum ersten Mal gedruckt als Autor auf einem Titel sieht, ist das ein ganz besonderes Ereignis, an das man sich in der Regel auch nach vielen Jahren noch deutlich erinnert. Gut, auf etlichen Heften der TERRA ASTRA-Reihe hatte mein Name schon gestanden, aber nie zuvor auf einem Heft der ATLAN-Serie. Meine Bewährungsprobe war Band 526, der mit dem Titel »Stadt der Außenseiter« am 2. November 1981 erschien.

Als Exposéautorin wirkte damals Marianne Sydow, die auch die einzige Autorin der Serien ATLAN und PERRY RHODAN war. Das Lektoratszepter bei TERRA ASTRA, ATLAN und PERRY RHODAN schwang Günter M. Schelwokat, kurz GMS genannt. Natürlich war alles genau geregelt: Zeilenlänge (60 Anschläge), Zeilenanzahl pro Seite (40), Manuskriptgesamtlänge 190.000 Anschläge. GMS wollte es aber länger: 196.000 bis 198.000 Anschläge, denn er benötigte – wie er es nannte – ein bisschen »Streichreserve«.
In ihrem Exposé schrieb Marianne, dass Atlan und seine Begleiter einen ortskundigen Führer benötigten, weil der Weg durch einen Sumpf führte. Nur Einheimische wussten, welche typischen Pflanzen, also Zeigerpflanzen, signalisierten, wo man sich gefahrlos durch das Gebiet bewegen konnte.

Ich war kurz nach dem Krieg in Bochum geboren und aufgewachsen, einer Großstadt, die damals wie das gesamte Ruhrgebiet auf Teufel komm raus Kohle förderte und Stahl kochte, um die junge Bundesrepublik nach vorne zu bringen. Ich kannte Kohle-, Abraum- und Schlackenhalden, auch die Ruhr, die am Ufer sicherlich die eine oder andere sumpfige Stelle aufwies, aber weder einen echten Sumpf noch dessen Zeigerpflanzen.

Im Biologieunterricht war dieser Landschaftstyp ebenfalls sehr, sehr stiefmütterlich behandelt worden, denn Sumpf war damals ökonomische Wüste, die schnellstmöglich trockengelegt werden musste, um Ackerland zu schaffen. Kurzum, mein Sumpfpflanzenwissen war null.

Verglichen mit den heutigen Möglichkeiten waren unsere Hilfsmittel als Autoren damals archaisch. Unser PC war eine mechanische Schreibmaschine, das Rechtschreibprogramm lag in Form eines gedruckten Dudens daneben, Wikipedia war ein leibhaftiges Lexikon sprich Brockhaus und das Internet waren Nachschlagewerke – allesamt in Buchform und vom Preis her alles andere als Schnäppchen.

Schon damals war meine Bibliothek, was Flora und Fauna betraf, recht gut bestückt, aber keiner der Verfasser hatte es für nötig befunden, dem ungeliebten Sumpf ein spezielles Kapitel zu widmen. Ich las mich also durch diverse Seiten und Querverweise – als berufstätiger Mensch war mir das nur nach Feierabend und am Wochenende möglich – , bis ich nach einer guten Woche fündig wurde. Nun wusste ich endlich, was Sumpfpflanzen auszeichnete und kundigen Leuten so alles signalisierten.

Erleichtert und guten Mutes ging ich dann daran, den Roman zu Papier zu bringen. Natürlich verriet ich in meinem Text den Lesern, warum in der Geschichte spezielle Sumpfgewächse als Zeigerpflanzen dienten, wie sie aussahen und funktionierten, um Atlan und Co. einen sicheren Weg durch den morastigen Untergrund zu gewährleisten.

Das Original-Manuskript ging an GMS, einer von drei Durchschlägen (mittels Kohlepapier auf dünnem Durchschlagpapier) an Marianne Sydow als Exposéautorin und einer an den Nachfolgeautor, in diesem Fall Arndt Ellmer. Selbstverständich alles per Post als Brief (an E-Mails dachten damals selbst die kühnsten Science-Fiction-Autoren nicht), die vierte Kopie war für mich als Autor zum Selbstbehalt.

Der Vorlauf vom abgelieferten Manuskript bis zum gedruckten Roman betrug einige Monate. Etwas früher als im Handel erhältlich, bekam ich als Autor Belegexemplare meines Romans. Neugierig las ich dann das gedruckte Werk – meinen ersten ATLAN-Roman – und war ziemlich perplex. Meine mühsam erarbeiteten Informationen über die Sumpf-Zeigerpflanzen fehlten gänzlich. Es hatte GMS gefallen, ausgerechnet diesen Text als Streichreserve zu betrachten ..

Übrigens: Alle ATLAN-Romane (natürlich auch Band 526 zum Nachlesen) gibt es als E-Book auf allen bekannten Plattformen für schlappe 1,49 Euro. Und die Zyklen der ATLAN-Serie gibt es als digitale 50-Band-Pakete für nur 49,99 Euro. Sicher auch im Neuen Jahr als Geschenk für SF-, ATLAN- und PERRY RHODAN-Fans besser geeignet als SOS (Schlips, Oberhemd, Socken) für ihn oder Parfüm für sie ...