Interview mit Mirjam Nast: PERRY RHODAN wird erforscht

28. Juni 2013

Die ersten Gespräche gab es bereits im Sommer 2009, seit dem Sommer 2011 laufen die Arbeiten: Das Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen untersucht die PERRY RHODAN-Serie. Im Rahmen eines größeren Projektverbundes, der den schönen Titel »Ästhetik und Praxis populärer Serialität« trägt, arbeiten verschiedene Projektgruppen in diversen Universtäten mit Themen der Populärkultur.

Von Tübingen aus ist Mirjam Nast für PERRY RHODAN zuständig. Kernziel ihrer Untersuchungen sind nicht die Inhalte der Serie, sondern die Leser und Fans. Unter anderem sollte erforscht werden, wie sie den Kauf, die Lektüre und das Sammeln ihrer Serie mit ihrem Alltag verknüpfen. Sie führte zahlreiche Interviews, unter anderem auch auf dem PERRY RHODAN-WeltCon 2011 in Mannheim. Ihre Arbeit nähert sich langsam der »Zielgerade«, was Grund genug ist, sie einmal zu befragen.


Klaus N. Frick: Kannst du kurz einige Sätze zu dir selbst sagen? Außer den PERRY RHODAN-Lesern, die du interviewt hast, dürfte dich ja keiner kennen.

Mirjam Nast: Ich bin Doktorandin an der Universität Tübingen, wo ich Empirische Kulturwissenschaft und Neuere deutsche Literatur studiert habe. Momentan arbeite ich mit Kolleginnen und Kollegen in einem vergleichenden Projekt zu PERRY RHODAN- und »Tatort«-NutzerInnen, das Teil der genannten Forschergruppe zu Populärer Serialität ist.
Gleichzeitig schreibe ich meine Dissertation, in der ich mich mit dem Thema Lesen einer Heftromanserie aus ethnographischer Perspektive befasse – eben am Beispiel von PERRY RHODAN.


Klaus N. Frick: Warst du eigentlich vor Beginn deiner Arbeit über PERRY RHODAN eine Leserin dieser Serie?

Mirjam Nast: Vor dem Projektstart kannte ich PERRY RHODAN nur vom Hörensagen. Unsere Idee war es zunächst, »John Sinclair«-LeserInnen zu befragen. Als ich mich mit dem Umfeld verschiedener Serien befasste, stellte ich aber schnell fest, dass PERRY RHODAN eine viel aktivere Fanszene hat, die ich für untersuchenswert hielt. So habe ich begonnen, mich für die Serie zu interessieren – und sie auch zu lesen.


Klaus N. Frick: Zuvor hattest du eine Magisterarbeit zu »John Sinclair« verfasst, wenn ich mich recht erinnere. Woher kommt die Faszination für Serienromane?

Mirjam Nast: Ich habe in Tübingen bei Kaspar Maase studiert, der sich intensiv mit der Rezeption von Heftromanen befasst hat, allerdings mit einem Schwerpunkt auf dem »Schundkampf« im wilhelminischen Kaiserreich. Prozesse und Fragen im Spannungsfeld von »Hoch-« und Populärkultur, ihrer Ästhetik und Nutzung haben mich schon immer interessiert.
Literatur und Lektüren bieten sich dabei für mich an, weil sie ein Verknüpfungspunkt meiner beiden Studienfächer sind. Das Thema Heftromane liegt da nahe und ist mir auch persönlich nicht fremd. Als Kind bzw. Jugendliche habe ich »Jerry Cotton«-Hefte gelesen.


Klaus N. Frick: In deiner Forschungsarbeit gehst du ja in erster Linie auf die Fans und Leser ein. Wie hast du sie kennengelernt?

Mirjam Nast: Gezielt durch Aushänge oder Beilage-Flyer in Romanheften nach Interviewpartnern zu suchen, erwies sich als schwierig, so dass die Interviews teilweise durch die Vermittlung von Bekannten zustande kamen oder durch Zufallstreffen. Sehr hilfreich war aber auch der Aufruf auf eurer Homepage, durch den sich eine ganze Menge Leserinnen und Leser bei mir meldeten, von denen ich leider gar nicht alle befragen konnte. An dieser Stelle ganz herzlichen Dank an alle, die sich bei mir gemeldet haben!


Klaus N. Frick: Wie habe ich mir denn so ein Interview vorzustellen?

Mirjam Nast: Auf keinen Fall wollte ich stichwortartig einzelne Fakten abfragen. Es ging vielmehr darum, die Leser  zum Erzählen zu bringen, über ihre Erfahrungen mit der Serie, wie sie dazu kamen, PERRY RHODAN zu lesen, und wie das tatsächlich ganz kleinteilig in ihrem Alltag aussieht. Das ist für meine Arbeit sehr wichtig, weil ich anhand dieser vielen Details das Zusammenspiel von LeserInnen, Produzierenden, Texten und materiellen Aspekten aufzeichnen will, die am Leseprozess beteiligt sind.


Klaus N. Frick: Wie hast du die Leser empfunden?

Mirjam Nast: Als sehr unterschiedlich. Den PERRY RHODAN -Leser gibt es nicht, wie mir übrigens auch in den Interviews versichert wurde. Ich habe mich auch bemüht, Leute mit unterschiedlichen Hintergründen einzubeziehen, um kein einseitiges Bild zu bekommen.
Weil meine Studie aufgrund der 18 Interviews nicht repräsentativ ist – was sie ja auch nicht sein soll – bin ich auf weitere Daten angewiesen, um meine Interviews innerhalb der Gesamtleserschaft verorten zu können.


Klaus N. Frick: Wann werden denn die Forschungsergebnisse erstmals öffentlich präsentiert?

Mirjam Nast:
Im großen Umfang geschieht das, wenn meine Dissertation veröffentlicht wird, das heißt hoffentlich im Laufe des Jahres 2014. Vorher werden noch einige Aufsätze von mir erscheinen, unter anderem in dem Band »Unterhaltung und Vergnügung. Beiträge der Europäischen Ethnologie zur Populärkulturforschung«, den ich mitherausgebe und der bereits im Druck ist.


Klaus N. Frick: Darfst du dich dann Frau Doktor Perry Rhodan nennen? Ernsthaft: Was wäre dann der offizielle Titel?

Mirjam Nast:
Dr. rer. soc. – rerum socialium –, da es ja eine sozialwissenschaftliche Arbeit ist.


Klaus N. Frick: Ich freue mich schon jetzt auf die Ergebnisse, ob in gedruckter Form oder in Form eines Vortrags, und bedanke mich für die Antworten!