Eine geplante Herausforderung Werkstattbericht von Hubert Haensel zum Silberband 129

27. Februar 2015

Kaum ein Leser wird sich über die »Vorlaufzeit« bei einer Buchbearbeitung Gedanken machen. Warum auch? Er oder sie darf darauf vertrauen, dass er sein Druckerzeugnis (längst auch sein E-Book oder Hörbuch) zum gewohnten Zeitpunkt erwerben kann. Hin und wieder bestätigen Ausnahmen die Regel, was bei einer Serie wie PERRY RHODAN jedoch nicht vorkommen sollte. Nicht bei den seit nunmehr fast 54 Jahren regelmäßig Woche für Woche erscheinenden Romanheften der Erstauflage, ebenso wenig bei den Silberbänden.

V3D-Cover Band 129 von Johnny Bruckier Bücher erscheinen im Jahr, jeweils in den Monaten März und Mai, September und November. Die fertigen Manuskripte dementsprechend zu liefern, ist kein Problem. Aber nur dann, wenn ich als Bearbeiter weit genug im Voraus plane.

Im März 2015, also in Kürze, erscheint der PERRY RHODAN-Silberband 129 »Der steinerne Bote«. Dieses Buch bildet den Abschluss des Zyklus »Die Kosmische Hanse«. Geplant habe ich die Umsetzung dieses Zyklus in Buchform bereits im Herbst 2010. Der Einstiegsband »Der Terraner« erschien im September 2012.

Nun könnte man der Meinung sein, es reiche, jeweils sechs Hefte einzuplanen, sobald ich mit der Arbeit an dem jeweiligen Buch beginne. Das wäre theoretisch denkbar, praktisch jedoch Harakiri.

Warum?

Weil ich keineswegs immer nur sechs Heftromane in ein Buch aufnehme, eigentlich so gut wie nie. Zumeist sind es acht oder neun Hefte, die mehr oder weniger stark bearbeitet zu einem Buch zusammengestellt werden. Ich habe es auch schon geschafft, elf Titel zusammenzufassen.

Bereits das zwingt mich dazu, die hundert Romanhefte eines Zyklus von vornherein in einer Gesamtplanung aufzuteilen. Schon um zu vermeiden, dass letztlich nur noch Stoff für ein Buch mit höchstens 200 Seiten übrig bleibt.

Ein weiterer Zwang, der berücksichtigt werden muss, sind die einander abwechselnden, miteinander verzahnten Handlungsebenen. Was bei wöchentlicher Erscheinungsweise im Heft durchaus seine Berechtigung hat, nämlich die Spannung erhöht, verfehlt diese Wirkung im Buch. Zum Beispiel dann, wenn 50 Seiten einer Parallelhandlung zu lesen sind und anschließend ein halbes Jahr vergeht, bis dieses Thema wieder aufgegriffen wird.

Ein zutreffendes Beispiel dafür ist Buch 128 »Das rotierende Nichts«. Hier wurde die Handlung um den Haluter Icho Tolot aus den Romanheften 1057, 1067, 1073 und 1079 zu einem Block zusammengefasst.

Hand aufs Herz: Wer hätte den Anschluss aus Heft 1057 »Die Gestrandeten« noch parat gehabt, ohne nachlesen zu müssen, wäre jene Handlung bereits in Silberband 125 erschienen, also neun Monate früher?

Alles muss frühzeitig abgeklärt sein – möglichst bevor ich mit der Schreibarbeit am ersten Silberband eines Zyklus beginne.

Und trotzdem ... Egal, wie gut ich einen Zyklus bei der Planung kenne, selbst wenn ich ihn komplett durchgelesen habe: Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich nur lese oder ob ich bearbeite. Da kann es durchaus geschehen, dass letztlich Passagen gestrichen werden, die ich beim Lesen noch für gut befand. Oder auch, dass ich glaubte, Kapitel herausnehmen zu müssen, die sich mit einem Mal als sehr schöner Einschub erweisen. Weil der Zusammenhang entscheidet. Ebenso der zur Verfügung stehende Platz, falls die Variationsmöglichkeiten schon ausgereizt sind. In einer Zeit, in der die Zusammenhänge intensiver ineinandergreifen, lege ich zudem immer mehr Wert darauf, dass im Buch ein Thema gut abgerundet erscheint.

Was das mit Silberband 129 »Der steinerne Bote« zu tun hat und mit der »geplanten Herausforderung«?

Buch 128 »Das rotierende Nichts« endete mit Icho Tolot in der Trümmerwüste rings um den Frostrubin, bereitete also den Schauplatz für HC 129 vor. Und die Handlungsebene auf Terra brachte uns noch einmal die Bedrohung durch die Porleyter nahe, sie endete mit dem Kardec-Kreis. Jedes darüber hinaus aufgenommene Kapitel aus Folgeheften hätte den runden Abschluss zunichtegemacht.

Damit blieben bei der Planung für das letzte Buch des Zyklus tatsächlich insgesamt zwölf Romanhefte übrig. Aufteilen in zwei Bücher zu jeweils sechs Heften? Das wäre möglich gewesen, doch das hatte ich schon im Herbst 2010 von vornherein verworfen. Das hätte keine packende Handlung ergeben.

Was mir da bereits vorschwebte, war ein inhaltlich rundes Buch, das die Porleyter-Gefahr noch einmal vor Augen führt und zugleich den »sense of wonder« der fernen Weltraumregionen spürbar macht.

Also sechs Titel gnadenlos entfallen lassen und sechs zusammenfassen? Oder alle zwölf entsprechend heftig zusammenstreichen? Die Frage so zu stellen, wäre falsch gewesen. Viel wichtiger ist es, auf die runde Handlung zu achten.

Also einfach in die Geschichte vertiefen und nicht mit den Aktionen der Porleyter beginnen, die etwa im »Sperrgebiet Hyperraum« stehen, sondern gleich mit einem Hammer: »Das Ende eines Porleyters«. Der Schluss des Buchs stand ohnehin längst fest: »Das Kollektiv der Porleyter«, Heft 1099.

Dabei stellte sich – wie so oft – die Frage, was an Zusammenhängen wirklich erwähnt werden muss. Ich schrecke davor zurück, Handlungen zu unterdrücken, die künftig Bedeutung erlangen werden und dann dort wie das sprichwörtliche Kaninchen aus dem Hut hervorgezaubert werden müssten. Andererseits ist die eine oder andere Variation eines schon abgehandelten Themas durchaus verzichtbar.

Was mir persönlich als Fan beim Lesen gut gefallen hat, war die Lebensgeschichte Eric Weidenburns. Dieses Heft gehört zu jenen, für die ich vorher keine geeignete Platzierungsmöglichkeit sah. Es gibt oft schöne Episoden, die zwar die Handlung nicht voranbringen, aber dennoch wie das Salz in der Suppe sind. Den Roman »Der Mann aus Haiti« zähle ich dazu. Um diesen Rückblick auf Eric Weidenburn wäre es schade.

Was ich damit gemacht habe? Lasst euch überraschen! Sämtliche Betriebsgeheimnisse muss ich hier nicht ausplaudern. Allerdings würde mich interessieren, wie euch meine Lösung zusagt. Etwas Feedback hilft mir durchaus bei der Planung, dafür bin ich dankbar. Wenn ich mir die künftige Handlung vor Augen führe, dann wird es solche Herausforderungen öfter geben.

Ich lese PERRY RHODAN seit Heft 209 der Erstauflage. Seit nunmehr über zwanzig Jahren gehöre ich zu den Autoren der größten SF-Serie der Welt, aber ich habe heute wie damals den Blick des Lesers und Fans. Schon aus diesem Grund will ich, dass den Lesern die Silberbände gefallen und eine gut lesbare Zusammenfassung – und Erinnerung – ergeben. Im Bücherregal sind sie ohnehin ein Blickfang.

Hubert Haensel