Drohung aus dem Mikrokosmos Werkstattbericht von Rainer Schorm

22. Juli 2019

In der SF ist eine gewisse Neigung zur Steigerung wohl eingebaut. Schneller, größer, höher, weiter … oder eben kleiner.

Die Entwicklung schreitet fort, das ist eine Binsenweisheit. Chip-Revolution und Verkleinerung sind die Stichworte: Vom zimmergroßen Rechner zum Handy war der Weg nicht allzu weit, wie wir heute wissen.

Bei PERRY RHODAN NEO versuchen wir, so viel Aktualität zu berücksichtigen, wie das möglich ist, und diese dann ein wenig auszuspinnen. Dass das bisweilen auf beunruhigende Weise klappt, ist auch den Exposéautoren manchmal unheimlich.

In NEO 202 (»Die Geminga-Morde«) tauchen Mikrodrohnen auf, die auf forensisch schwer nachweisbare Art morden: Kaliuminjektionen und Eisprojektile werden eingesetzt. Ohne Nachweis, dass überhaupt ein Mord vorliegt, sind Ermittlungen sehr schwer. Ganz im Sinne von Attentäter oder Auftraggeber also – und im Roman wurde das zu einem spannenden Thema.

Dass die Idee von kaum erkennbaren – und damit kaum abzuwehrenden! – Mikroattentätern kein Hirngespinst ist, wurde den Exposéautoren vor Kurzem allzu klar. Der Hinweis auf ein »Scobel«-Video kam in der Zeit, als der Roman für die Hörbuchausgabe bearbeitet wurde.

In der Fernsehsendung »Scobel» des Senders 3sat lief der Beitrag »Den Feind ohne Risiko erledigen«. (Er ist noch in der Mediathek abrufbar.)

Wir wissen nun: Die Mini-Morddrohne ist längst Realität.

Die Erkenntnis, dass der Weg hin zu noch kleineren Mikromördern längst begonnen hat, überrascht an sich nicht. Dass der Krieg der Vater vieler Erfindungen ist, weiß heute jeder, der es wissen will, so widerlich die Erkenntnis auch ist. Die Exposéautoren, die den Beitrag bei der Konzeption des Romans nicht kannten, und der Autor selbst bekamen auf jeden Fall das unangenehme Gefühl vermittelt: »Da hätten wir doch lieber nicht recht gehabt.«

Besonders beunruhigend ist die Erkenntnis, dass es eigentlich gar nicht auf das technische Niveau ankommt, sondern auf die dahinterstehende menschliche Mentalität. Wer das Video sieht, die unanständig gute Laune des Moderators und den Applaus des Publikums, der weiß, was gemeint ist.

Der (fast) unsichtbare Tod könnte also bald überall lauern. Nicht nachweisbar, nicht zu verfolgen. Wir bei NEO versuchen, ein positives Zukunftsbild aufzubauen. Und dann erweist sich einmal mehr die Dystopie als wahrscheinlicher …

Der Drohnenkrieg hat längst begonnen, wie jeder wissen kann, der sich für solche Themen interessiert. Völkerrecht? Menschenrecht? Urteile ohne Gerichte? Unschuldsvermutung? Viele Menschen leben unter dem Damoklesschwert, von Drohnen getötet zu werden. Jeder sollte sich danach vorstellen können, welche Belastung eine ständige Bedrohung wie diese für Menschen ist.

Als Mitteleuropäer stellt sich hier die Frage: Wer war doch gleich »der Gute«? Man stelle sich nur vor, ein anderes Regime würde auf diese Weise Gegner töten; in Frankfurt, Berlin oder München.

Die Killer in den Kriegsgebieten der Gegenwart sind noch etwas unpräziser als die prognostizierten Nachfolgegenerationen, die wir in PERRY RHODAN NEO vorgestellt haben. Die Betonung liegt auf »noch«. Wobei sich der Kreis schließt, denn die Miniaturisierung im Zuge der Chipentwicklung ist in diesem Falle keine Verheißung, sondern eindeutig eine Drohung.

Was bleibt, ist das oben erwähnte, bedrückende Gefühl: »Da hätten wir lieber nicht recht gehabt.«

Rainer Schorm

Perry Rhodan Neo 202: Die Geminga-Morde
Ruben Wickenhäuser
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845349022
3,49 €
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Perry Rhodan Neo 202: Die Geminga-Morde
Ruben Wickenhäuser
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900003581