Die Expo-Arbeit mit Rainer Castor (Teil zwei) Eine Kolumne von Uwe Anton

21. Oktober 2016

Anmerkung der Redaktion: Für den Gedächtnisband, den der Terranische Club Eden (TCE) über den verstorbenen PERRY RHODAN-Autor Rainer Castor veröffentlichte, schrieb auch Uwe Anton einen Artikel. In diesem geht der PERRY RHODAN-Autor vor allem auf die langjährige Zusammenarbeit mit Rainer Castor ein.

Den Beitrag finden wir extrem lesenswert, weshalb wir ihn auch auf unserer Internet-Seite veröffentlichen. Wegen seiner Länge kommt er in zwei Teilen – gestern war es Teil eins, heute kommt Teil zwei, in dem es vor allem um die Arbeit an den wöchentlichen PERRY RHODAN-Exposés geht.

Das ging so weiter, nachdem Rainer auch für mich – nein, eher gemeinsam mit mir – die RHODAN-Expos gestaltete. Es war eine hektische Zeit, die durchaus zur Legendenbildung geeignet ist. Zwei Tage, nachdem Klaus N. Frick anfragte, ob ich die Krankheitsvertretung für Robert Feldhoff übernehmen wolle, saß ich im Zug nach Rastatt und schrieb zwischen Köln und Mannheim das erste Expo in einer Kurzfassung. Und zwei Tage, nachdem ich wieder zu Hause war, fuhr ich nach Andernach und erstellte zusammen mit Rainer die erste Grobkonzeption des Zyklus.

Ich gab Rainer weitergehende Befugnisse, als er sie bei Robert gehabt hatte. Ich musste noch meine Termine für Übersetzungen erfüllen, konnte nicht sofort voll einsteigen, musste Zeitmanagement betreiben. Klaus' Anruf war sehr überraschend gekommen. Aber dieses Gespräch in Andernach war das erste von vielen, die noch folgen sollten.

Rainer sollte nicht nur die reinen Daten zusammentragen, er sollte die Expos auch auf ihre Richtigkeit überprüfen, wie es heute andere Mitarbeiter tun, deren Arbeit so wertvoll ist, dass kein bloßer Leser es auch nur erahnen kann.

Und das ergab den ersten Konfliktpunkt. Ein »Expokrat« bei PERRY RHODAN ist stets hin- und hergerissen zwischen der – drücken wir es so aus – RHODAN-immanenten Logik und der Dramaturgie. Das kann ich gern ganz kurz erklären: Geht Perry tatsächlich auf diesen gefährlichen Außeneinsatz, oder schickt er seine besten Leute? Manchmal erfordert die Dramaturgie es, dass er selbst geht. Unsere Serie heißt eben PERRY RHODAN und nicht DON REDHORSE oder GUCKY.

Hier hat sich Rainer als knochenhart erwiesen, hier ergaben sich erste Konfliktpunkte. Er setzte die RHODAN-immanente Logik stets über die Dramaturgie, sah sich manchen Zwängen unterworfen, die die Dramaturgie einfach zerschlugen, was ich wiederum nicht zulassen konnte.

Ich entsinne mich noch gut an einen frühen Streitpunkt. Warum soll Arun Joschannan, damals noch sehr lebendig und der Erste Terraner der Liga Freier Terraner, persönlich auf einen sehr gefährlichen Einsatz auf einem Zirkusplaneten gehen? Wenn in Karlsruhe Terroristen, so Rainer, ein Einkaufszentrum überfallen und besetzen, zieht sich Bundeskanzlerin Angela Merkel auch keine kugelsichere Weste an und leitet den Einsatz, mit dem die Geiseln befreit werden sollen.

Er hatte ja Recht. Aber im großen Gesamtbild der Serie mussten wir Arun Joschannan damals profilieren, ihm ein Gesicht geben, Eigenschaften, die über seine bloße Funktion hinausgehen. Rainer hatte damit bis zum Ende unserer Zusammenarbeit Verständnisschwierigkeiten. Er wollte einfach nicht begreifen, dass man bei PERRY RHODAN manchmal dramaturgische Momente der RHODAN-Logik unterordnen musste, wollte man eine spannende Handlung schildern.

Und Rainer war hartnäckig und nicht besonders kompromissfähig. Wenn er sich eine Meinung gebildet hatte, vertrat er sie auch konsequent.

Nachdem Rainer sich aus der »normalen Welt« immer weiter zurückzog, veränderte sich auch unsere Kommunikation. Die gegenseitigen Besuche wurden seltener, die Gespräche dauerten an. Wir vereinbarten Wochen im Voraus Telefontermine, und die hatten es in sich. Telefonate von drei bis vier Stunden waren keine Seltenheit. Manchmal musste ich ein zweites oder gar drittes mobiles Telefon heranziehen, weil beim ersten der Akku völlig leer war. Rainer hatte ebenfalls mehrere Handgeräte zur Verfügung.

Mann, was haben wir uns dabei gefetzt.

De mortuis nil nisi bene, aber Rainer konnte manchmal durchaus uneinsichtig sein. Auch hier gibt es ein schönes Beispiel, bei dem ich allerdings nicht in die Details gehen werde. Aus Expos, die ich als Agentenromane konzipiert hatte, machte er einen milchstraßenweiten Krieg. Wir steckten eh in leichten Terminschwierigkeiten, und seine Bearbeitung der vier Expos kam und kam nicht. Und als sie dann kam, war sie in meinen Augen nicht brauchbar. Zurückbearbeiten konnte ich sie nicht, also habe ich meine Originale noch einmal überarbeitet und herausgeschickt. Die vier Romane, die danach entstanden, haben einen wichtigen Protagonisten eingeführt und zählten zu den beliebtesten des Zyklus.

Unfehlbar war Rainer also nicht.

Aber er hat PERRY RHODAN geliebt und sein eigenes Verständnis der Serie gehabt. Er war auch nicht konfliktscheu, hatte seinen ureigenen Ton, den ich richtig zu nehmen wusste. Dass sehr viele Menschen diesen Ton nicht zu nehmen wissen würden, war mir schon klar, als ich die Exposégestaltung abgab.

Rainer hat PERRY RHODAN gelebt und manche Leute auch bereitwillig vor den Kopf gestoßen. Darunter auch mich, aber ich wusste damit umzugehen.

Mann, was haben wir uns gefetzt.

Rainer, ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich dich vermisse, alter Freund.
 

Uwe Anton