5000 Eine exklusive Kurzgeschichte von Wim Vandemaan

9. Juli 2021

Das Telefon klingelte. Ich hob ab. Zunächst erklang das übliche Rauschen und Knistern, dann eine Stimme aus großer, wie intergalaktischer Entfernung.
»Hallo?«, rief ich in die Sprechmuschel. »Hallo? Hallo?«
Endlich verstand ich ein paar Worte: »Frick! Hier ist der Herr Frick!«
»Der Herr Frick?«
»Ja, genau! Der Herr Frick. Der Chefredakteur!«
»Ach, der Herr Frick«, sagte ich überrascht. »Das überrascht mich!«
»Mich nicht«, grollte Herr Frick. »Sagen Sie mal, dieser Roman, den Sie da für uns schreiben, die Nummer 3134, der ist, wie ich annehme, gut und fertig?«
»Genau«, sagte ich. »So gut wie fertig.«
Ich hörte, wie er die Stirn runzelte. »Es ist ja auch der 5000ste Roman aus dem Perryversum, wie Sie sicher wissen.«
»Weiß ich das?«, sagte ich.
»Oder zählen Sie nicht mit?«
»Doch, doch«, versicherte ich. »Nach dem 4999sten Roman kommt die Nummer 5000.«
»Unsere Leser zählen jedenfalls mit«, unterrichtete mich Herr Frick. »Die sind auf Zack.«
»Was wären wir ohne unsere Leser?«, lenkte ich ein.
»Die erwarten natürlich etwas Besonderes für diesen 5000sten Band.«
»Wie wäre es mit einem Tütchen Urzeitkrebse?«, schlug ich vor. »Und auf dem Tütchen das Titelbild von Nummer 442, ›Die Bestien von Zeut‹?«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, brummte Herr Frick. »Tütchen kommen immer gut. Aber unser Labor ist zur Zeit ausgelastet.«
»Schade.«
»Die einen sagen so, die anderen so«, tröstete mich Herr Frick. »Wir machen stattdessen kleine Verbeugungen vor den großen Kollegen. Dieser Kollege Scheer, der ist doch U-Bootfahrer gewesen?«
»So gut wie«, sagte ich.
»Dann lassen Sie den Roman eben unter Wasser spielen, an Bord eines U-Bootes, okay?«
»Dazu müsste ich ihn ein wenig umschreiben. Eigentlich spielt er ja …«
»Tun Sie das!«, fiel er mir ins Wort. »Jetzt zu Ernsting.«
»Der hat viel übersetzt. Aus dem Englischen.«
»Hm«, machte Herr Frick. »Warum nicht? Wir machen es so: Sie schreiben den Roman auf Englisch, und ich lasse ihn dann übersetzen?«
»Eine gute Idee«, stimmte ich zu. »Außerdem betrieb doch seine Familie in Essen eine Weile lang eine nicht sehr gut gehende Dackelzucht.«
»Bestens. Alle Welt liebt Dackel«, entschied Herr Frick. »Eine Unterwasserhandlung mit Dackeln als Hauptfiguren.«
»Im Exposé steht allerdings …«, wollte ich ausholen.
Er grollte nur: »Seit wann kümmern Sie sich darum, was in Exposés steht?«
Da hatte er auch wieder recht. Besänftigend teilte ich ihm mit: »Es taucht übrigens schon ein Hund im Roman auf.«
»Ein Dackel?«
»Nachts und unter Wasser sind alle Hunde gleich«, zitierte ich eine alte chinesische Volksweisheit.
Ich hörte, wie Herr Frick eine Augenbraue hob. »Das ist natürlich wahr, sagte er. »Unsere Leser werden die Anspielung schon verstehen. Die sind auf Zack!«
Für einen Moment hörte man nur das statische Rauschen in der Leitung.
»Mensch, Mensch«, sagte Herr Frick dann. »5000! Dabei soll das Ursprungsteam die Serie zunächst ja nur auf 3000 Romane angelegt haben.«
»Man war genügsam, damals«, vermutete ich. Ich bin ja nicht dabei gewesen.
»Stellen Sie sich vor, Herr Kasper, anderswo wäre man bei Numero 5000! Die 5000ste Fußballweltmeisterschaft! 5000 Jahre Wiedervereinigung! Da wäre was los!«
»Kann ich mir denken«, sagte ich.
»Wir lassen es bescheiden bei einer kleinen internen Feier«, sagte Herr Frick.
»Oh, prima! Wann denn?«
»Muss Sie nicht interessieren«, sagte Herr Frick. »Wie gesagt, intern. Nur die Redaktion, die Frau Bundeskanzlerin und die Nationalmannschaft.‒ Ich rechne stündlich mit dem überarbeiteten Roman, verstanden? U-Boote und Dackel nicht vergessen!«
»Aye«, sagte ich.
Und machte mich an die Arbeit.

 

Wim Vandemaan