»Rosig sieht sie aus, die Zukunft der E-Books.« Miriam Hofheinz im Interview

9. April 2014

Miriam Hofheinz gilt als eine der deutschsprachigen Expertinnen in Sachen E-Books schlechtin. Als »Head of Account Management« verantwortet sie mit ihrem Team die über 650 Verlagskontakte der Firma Bookwire GmbH, die auf den Vertrieb digitaler Medien spezialisiert ist. Einer ihrer Kunden ist der Pabel-Moewig Verlag – und in diesem die PERRY RHODAN-Redaktion.

Damit schließt sich in gewisser Weise der Kreis: Miriam Hofheinz hat zwischen 2001 und 2008 unter anderem das E-Book-Geschäft für PERRY RHODAN aufgebaut. Katrin Lienhard stellte ihr hierzu einige Fragen, die die E-Book-Expertin per Mail beantwortete.


Katrin Lienhard: Du hast in der PERRY RHODAN-Redaktion das E-Book-Geschäft aufgebaut. Wie war das damals? Musstest du viel Überzeugung leisten, dass man in Zukunft an E-Books nicht vorbeikommt?

Miriam Hofheinz: Tatsächlich gab es schon E-Books bei PERRY RHODAN, als ich im Januar 2001 nach Rastatt kam. Für Klaus Frick und Eckhard Schwettmann war immer klar, dass eine Science-Fiction-Serie wie PERRY RHODAN bei dieser Entwicklung nicht fehlen darf.

Aber natürlich ist es immer schwer, Projekte voranzutreiben, die in den verschiedensten Abteilungen eines Verlages Arbeit verursachen und es zu Beginn nicht absehbar ist, wie viel Umsatz mit dem Projekt zu erwirtschaften ist, sprich, ob sich die Arbeit überhaupt lohnt. Das Problem haben leider viele Verlage auch ein Jahrzehnt später. Aber glücklicherweise haben die PERRY RHODAN-Leser seit je her die E-Books sehr positiv aufgenommen, und so gedieh das Projekt PERRY-E-Books ganz wunderbar.


Katrin Lienhard: Was waren anfangs die größten Hindernisse?

Miriam Hofheinz: Um eine wöchentliche Heftromanserie wöchentlich als E-Book und ab Band 2400 auch wöchentlich als Hörbuch-Download zu bringen, muss der komplette Ablauf der Heftproduktion auch die Digitalen Derivate »mitdenken«, will sagen: Alle beteiligten Abteilungen müssen ihre Arbeitsabläufe anpassen/umstellen. Das war natürlich nicht immer einfach, aber wir haben es hin bekommen, und nun surrt die E-Book-Produktion seit Jahren wie am Schnürchen. 
 
Arbeitsintensiv war auch, die Verträge mit den Lizenznehmern zu verhandeln und jedem Partner wöchentlich die Daten in der gewünschte Zeit und Art zu übermitteln. Das war irre viel »Handarbeit«, und ich habe damals – ungelogen – von einem Dienstleister wie Bookwire geträumt, der das alles für mich übernimmt.


Katrin Lienhard: War es von Beginn an das Ziel, die komplette Erstauflage zu digitalisieren?

Miriam Hofheinz: Neben der PERRY RHODAN-Bettwäsche war das immer unser erklärtes Ziel.  Ich hatte natürlich gehofft, dass es schneller gehen würde. Aber ich bin sehr glücklich, dass ich trotz zweifachem Firmenwechsel immer an der Vision mitarbeiten konnte und nun in der glücklichen Position war, den berühmten »Knopf« zu drücken, mit dem die letzten 100 Titel an die Shops geschickt wurden. Das war schon ein sehr besonderer Moment für mich.


Katrin Lienhard: Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft des E-Books aus? Werden multimediale Inhalte an Bedeutung gewinnen?

Miriam Hofheinz: Rosig sieht sie aus, die Zukunft der E-Books.  Im Ernst: Gute Geschichten werden immer eine Zukunft haben. Ob diese auf Papier, digitaler Tinte, Zelluloid oder auf was auch immer »erzählt« werden. Vielleicht wird das E-Book in ein paar Jahren anders heißen, weil es viel mehr ist als eine digitale Version eines Print-Buches.

Aktuell werden 1:1-Umsetzungen von Print zu E-Book immer noch am meisten nachgefragt und verkauft. Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Nur weil sich die Trägermedien ändern - von statischem Print zu einem Gerät, das »singen und tanzen« kann -, heißt das nicht, dass sich unsere Lesegewohnheiten, mit denen wir sozialisiert wurden, an die wir uns seit Jahrzehnten gewöhnt haben, von jetzt auf gleich komplett ändern: dass gestern ein Buch lesen noch Rückzug von allem Lauten bedeutete und heute hinter jedem Wort »Vogel« ein Zwitschern lauert.

Selbstverständlich werden multimediale Inhalte an Bedeutung gewinnen, das weiß man spätestens, wenn man Vorschulkinder dabei beobachtet, wie natürlich und mit welcher Begeisterung sie das Familien-Tablet benutzen.
Aber so wie das Fernsehen nicht der Untergang des Radios war und so wie das Internet nicht alle anderen Medien verdrängt hat, wird auch der lautlose Text weiter bestehen.


Katrin Lienhard: Was hältst du von »Social Reading«? Wird es das Leseverhalten grundlegend verändern?

Miriam Hofheinz: Lesen ist schon immer social. Schon immer haben wir uns über Bücher unterhalten. Interessant ist es natürlich, dass man sich über die einschlägigen Plattformen mit viel mehr Leuten über die Geschichten unterhalten kann und dadurch noch viel mehr Facetten eines Textes in Erscheinung treten.

Richtig spannend wird es aber, wenn direkt im Buch diskutiert werden kann. Dass man direkt an dieser einen bestimmten Stelle, die einen so mitnimmt, seine Gedanken mit anderen, die auch genau die Stelle lesen, austauschen kann. Nicht erst das (E-)Buch weglegen und dann darüber reden, sondern schon während dem Lesen diskutieren. Diese Art des »Social Reading« wird mit Sicherheit unser Leseverhalten sehr verändern.


Katrin Lienhard: Was bevorzugst du privat: E-Book oder gedrucktes Buch?

Miriam Hofheinz: Ich bevorzuge gute Geschichten. Das Trägermedium ist mir dabei völlig egal. Es muss nur zu meiner aktuellen Situation passen. Auf Reisen lese ich digital auf E-Ink oder Smartphone, weil es praktischer ist. Lieblingsautoren lese ich im Hardcover, damit die Bücher auch später im Regal gut aussehen und ich mich an ihnen freuen kann. Taschenbuch-Käufe werden bei mir immer seltener. Wenn schon Print, dann auch in besonders hübsch.


Katrin Lienhard: Vielen Dank für die Antworten!