Schreiben im Kriegszustand – die schwierige Arbeit an PERRY RHODAN NEO 279 Werkstattbericht von Rüdiger Schäfer

16. Mai 2022

Es ist Ende März und ich schreibe an den letzten Kapiteln meines PR-NEO-Romans Nr. 279. Er wird den Titel »Leticrons Fall« tragen, schließt die »Leticron«-Staffel (NEO 270-279) ab und soll Ende Mai erscheinen.

Ich bin mehrere Wochen im Rückstand, was mich zum einen ärgert und zum anderen traurig und frustriert macht. Kurz vor Weihnachten gab es eine Krebserkrankung im engen Familienkreis. Die Pandemie drückt vielen – auch mir – seit nun schon zwei Jahren aufs Gemüt. Und dann ist da noch der Krieg in der Ukraine, der seit dem 24. Februar tobt und jeden Tag mit neuen Schreckensmeldungen aufwartet. Ein bisschen zu viel auf einmal für meinen Geschmack.

Auch in NEO 279 geht es um einen Konflikt, nämlich den zwischen Menschen und Gon-Mekara. Leticron, der selbsternannte Erste Hetran der Milchstraße, hat nicht nur M 13 und das Große Imperium, sondern auch das Solsystem und die terranischen Kolonien in der Lokalen Blase in seiner Gewalt. Die Situation ist kritisch, und als plötzlich eine gewaltige Flotte der Posbis auftaucht, droht sie endgültig zu eskalieren.

So ist das in der Unterhaltungsliteratur. Der Konflikt steht häufig im Mittelpunkt; das lernt man in jedem Schreibseminar als Erstes. Er erzeugt Spannung, er lässt uns mitfiebern, Position beziehen, und am Ende freuen wir uns, wenn die Guten gewinnen.

Anders verhält es sich, wenn besagter Konflikt aus seinem literarischen Gefängnis ausbricht und unsere Realität infiziert.

Ich kann natürlich nur für mich selbst sprechen – aber um kreativ arbeiten zu können, benötige ich eine gewisse positive Grundstimmung, und die zu bewahren, ist in letzter Zeit nicht gerade leicht.

Persönlich geht es mir gut. Ich muss weder Hunger noch Durst leiden, und wenn es kalt ist, drehe ich die Heizung an. Ich gehöre einer Generation an, die nie direkt von einem Krieg, von bitterer Armut oder gar von der Angst um das eigene Leben betroffen war. Ich lebe im Paradies, kann meine Meinung frei äußern, meinem Traumberuf nachgehen, genieße alle Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation. Bisher waren Kriege immer weit weg (Afghanistan, Irak, Syrien).

Und nun die Ukraine. Von Leverkusen nach Kiew sind es keine 2000 Kilometer.

Ein Flug von Düsseldorf in die ukrainische Hauptstadt dauert knapp eineinhalb Stunden und kostet um die 150 Euro. Vor ein paar Jahren war ich sogar kurz davor, mit Freunden einen Drei-Tages-Trip inklusive Besuch der Geisterstadt Prypjat bei Tschernobyl zu buchen.

Das Gefühl, die Welt würde sich langsam auflösen, kennen wohl viele von uns. Im Moment ist es mal wieder besonders stark ausgeprägt. Obwohl ich meinen Nachrichtenkonsum seit einigen Wochen deutlich eingeschränkt habe, drückt die Situation auf meine Stimmung. Man wird unruhig, unzufrieden, fragt sich, warum sich Menschen immer wieder die Köpfe einschlagen müssen, anstatt gemeinsam an den tatsächlich bedeutsamen Problemen dieses Planeten zu arbeiten. Ist es denn wirklich so schwer, aufeinander zuzugehen, miteinander zu reden, Kompromisse zu schließen, von denen am Ende die Mehrheit profitiert?

In solchen Zeiten kann das Schreiben auch helfen, obwohl ich dann aufpassen muss, mich nicht in philosophischen Monologen zu verlieren, wenn ich mit Perry Rhodan auf dem Mars unterwegs bin und es gegen Leticron geht. Der Terraner war einer der prägenden Helden meiner Kindheit und Jugend. Damals habe ich ihn als Leser begleitet, heute tue ich es als Autor.

Im Neoversum hat er es geschafft, den größten Teil der Menschheit zu einen. Er hat die Klimaerwärmung gestoppt und dafür gesorgt, dass es Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung für alle gibt. Mit den technischen Mitteln der Arkoniden und mit viel Geschick und Idealismus hat er den Menschen das Tor zu den Sternen geöffnet und ihnen vor Augen geführt, wie grotesk und unbedeutend Grenzen sind – ob sie nun auf Landkarten oder in unseren Köpfen existieren.

In der Wirklichkeit des Jahres 2022 haben wir leider keinen Perry Rhodan. Und angesichts der Krisen dieser Welt fühlen wir Wut, Ohnmacht, Angst, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Unsicherheit und Trauer. Jeden Tag. In einem solchen Umfeld Spannungsromane zu schreiben, ist schwer, aber nicht unmöglich. Einen Teil der negativen Gefühle kann man sogar nutzen – zum Beispiel, wenn Perry Rhodan auf Leticron trifft und mit ihm spricht.

Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage haben aktuell zwei Drittel aller Deutschen Angst vor einem Dritten Weltkrieg. Ich gehöre nicht zu dieser Mehrheit. Warum? Weil ich weder glauben kann noch will, dass die Menschen so unendlich dumm sind, sich zum dritten Mal in einen globalen Konflikt zu stürzen, der diesmal noch verheerender und folgenreicher sein würde als die beiden Male zuvor. Weil ich glaube, dass es noch immer genug kluge und vernünftige Entscheidungsträger gibt, die sich am Ende durchsetzen und dem Wahnsinn ein Ende bereiten.

Und weil ich davon überzeugt bin, dass auch dieser Krieg nur von einigen Wenigen ausgeht, die jedes Maß verloren haben, und wir es irgendwie doch noch schaffen, die Kurve zu kriegen – auch ohne einen Perry Rhodan.

PERRY RHODAN NEO 279 ist für mich ein besonderer Roman, und er wird es für immer bleiben. Inhaltlich und emotional. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass der Krieg bei seinem Erscheinen beendet ist und wir damit angefangen haben, uns wieder den wirklich wichtigen Dingen zuzuwenden. Dem Leben. Der Zukunft.

Das wäre großartig.

Rüdiger Schäfer

Perry Rhodan Neo 279: Leticrons Fall
Rüdiger Schäfer
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845354798
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Perry Rhodan Neo 279: Leticrons Fall
Rüdiger Schäfer
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900007886