Mit der SOL auf Heldenreise – Teil 2 Werkstattbericht von Kai Hirdt

28. Dezember 2019

(Anmerkung: Kai Hirdts Bericht über seine »Jungfernfahrt« als »frischgebackener Exposéautor« wurde im PERRY RHODAN-Report veröffentlicht, der dem Band 3044 unserer Serie beilag. Weil das sicher auch an anderer Stelle interessiert, stellen wir den Text hier ebenfalls zur Verfügung – aus Platzgründen teilen wir ihn in drei Teile. Gestern erschien Teil eins, heute haben wir den Teil zwei, morgen kommt Teil drei.)

 

Um das Skelett einer Geschichte mit Fleisch zu füllen, nutzte ich das Erzählschema der »Heldenreise«. Das ist eine uralte Erzählform, deren Elemente sich in vielen großartigen Geschichten – von antiken Götter- und Heldenmythen bis zu den großen Hollywoodproduktionen unserer Tage – immer wiederfinden. In Kurzfassung: Ein Held muss sein normales Umfeld verlassen, um eine große Aufgabe zu bestehen, findet Verbündete und Gegner, erlebt Triumphe und Niederlagen, bis sich am Ende alles in Wohlgefallen auflöst. Bloß etwas detailreicher, über zwölf ziemlich genau definierte Stadien hinweg.

Manche Autoren rümpfen darüber ein wenig die Nase und sagen: »Ich lasse mich nicht auf eine Formel festlegen, das schränkt meine Kreativität ein.« Das ist stets das Erkennungszeichen des Ahnungslosen. Die Heldenreise ist komplex und variationsreich und nicht durch Lektüre eines kurzen Blog-Artikels zu erlernen.

Klar kann man gute Geschichten auch anders erzählen. Aber wer sich grob an die Struktur hält, kann schon mal sicher sein, dass es an den richtigen Stellen spannend und an den richtigen Stellen überraschend wird.

(Randnotiz: Die Kunst besteht darin, die Spannungs- und Überraschungsstellen auch wirklich so zu gestalten, dass genau dieser Effekt eintritt. Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon im Kino saß und mir dachte: »So, nach Heldenreise muss jetzt etwas schiefgehen, und die vorhersehbarste und einfallsloseste Methode dafür wäre jetzt … Ah, und da ist es.«)

Bei Mission SOL habe ich nun versucht, diese zwölf Stadien nicht auf Einzelromane, sondern über den ganzen Serienverlauf zu legen. Die Art, wie Serien heute wahrgenommen werden, hat sich über die letzten zwanzig Jahre grundlegend verändert. Den Streaming-Diensten verdanken wir, dass nicht so sehr die einzelne Folge, sondern viel mehr die Staffel als Grundeinheit wahrgenommen wird. So können wesentlich komplexere Geschichten erzählt werden als früher, und ich denke, auch PERRY RHODAN muss davon etwas lernen. Entsprechend war das mein selbsterklärtes Ziel: Mission SOL müsste ganz prächtig funktionieren beim »Binge Reading«.

Robert Feldhoff hat einen Satz über die Exposéarbeit geprägt, dessen Wahrheit ich nun aus Erfahrung bestätigen kann: »Kompliziert wird’s von ganz allein.« Mein Plan war schon von Anfang an komplex, und dann kamen beim Schreiben noch ein paar Ideen und Figuren hinzu, die ebenfalls nach angemessener Aufmerksamkeit verlangten.

Pravo Ylapp beispielsweise ist so ein Kuckuckskind, das mir die Geschichte untergeschoben hat. Er tauchte im Grundkonzept der Geschichte überhaupt nicht auf, sondern entstand erst beim Schreiben des Exposés für Band 1 – und lief da, auch für mich überraschend, zu unseren Helden über. Und erst da kam mir der Geistesblitz, dass Pravo die Figur war, die der ganzen Geschichte noch fehlte. Diejenige, durch deren Entwicklung auf einmal alles funktionierte, wo in der Rohfassung noch »Kläre ich später« dran stand. Und zugleich die dritte Figur neben Rhodan und Mahlia Meyun, die über volle zwölf Bände liebevolle Einzelbetreuung brauchte.

Damit ist wahrscheinlich das Grundgeheimnis von Mission SOL aus dem Sack: Die Serie erzählt nicht eine, sondern drei Heldenreisen, nämlich die von Rhodan auf seiner Rettungsmission, die von Meyun und die von Ylapp. Jede Figur ist aus ihrer eigenen Sicht die Hauptperson der Geschichte und durchläuft die zwölf Stadien. Das machte die Konzeption der Einzelromane ziemlich kompliziert, denn keiner der drei durfte jemals komplett ausfallen.

Dazu kommen noch ein paar Leitmotive, welche die zwölf Hefte zur erzählerischen Einheit verbinden. Dinge, die möglicherweise nicht in jedem Band vorkommen, aber doch immer wieder auftauchen. Insgesamt ergeben sich so eine ganze Reihe von Themen, die die Serie stringent durchziehen:

  • Die Suche nach der SOL
  • Die große Verschwörung
  • Mahlia Meyuns Entwicklung
  • Pravo Ylapps Entwicklung
  • Elpin Vonnedals Entwicklung
  • Die Geschichte der Gestrandeten
  • Unterschiedlich attraktive Formen der Unsterblichkeit: Zellaktivatoren, Nexistenzen, wiedergeborene Algorrian, Bewusstseinstransfer in Klone, zeit- und körperlose Ewigkeit
  • Die Bedeutung familiärer Bindungen: das Trauma der verlassenen Gestrandeten, der Verlust der Solaner, Meyuns eigene zerrissene Familie, Fee Kellinds Fixierung auf ihren verlorenen Sohn, und natürlich das verkorkste Verhältnis von Perry und Michael Rhodan
  • Der Kodex der Ordnung – darf man die Mittel des Gegners nutzen, um ihn zu besiegen?
Mission SOL Paket (1 bis 12)
O. Brill; B. C. Hary; K. Hirdt; B. Perplies; D. Schmidt; H. Ritter; M. A. Herren
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845353388
19,99 €
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