Mein Corona-NEO – Teil zwei Ein Werkstattbericht von Rüdiger Schäfer zu PERRY RHODAN NEO 229

9. Mai 2020

Am 26. Juni 2020 erscheint »Schwarze Flut«, der aktuelle Roman von Rüdiger Schäfer innerhalb der Serie PERRY RHODAN NEO. Der Autor schrieb vor allem in den ersten Wochen der »Kontaktsperre«, die sich auch auf ihn auswirkte. Davon erzählt Rüdiger Schäfer in einem Werkstattbericht. Wegen seiner Länge erscheint der Bericht in zwei Teilen: gestern Teil eins, heute Teil zwei.

Die passende Begleitmusik steuern die Heerscharen von Experten bei, die sich auf allen Sendern, Internetseiten und Social-Media-Kanälen tummeln. Virologen, Ärzte, Politiker, Sozialforscher, Psychologen, Wirtschaftsweise – jeder hat etwas zu sagen. Man könnte vierundzwanzig Stunden am Tag sehen, hören und lesen und hätte trotzdem nur einen Bruchteil dessen erfasst, was zum Thema angeboten wird. Es geht um Hamsterkäufe und Beatmungsgeräte, um die kommende Rezession und den Zusammenbruch des öffentlichen Lebens, um Vereinsamung und Massengräber in New York.

Wenn ich mich in diesen Wochen an den Rechner setze, um NEO zu schreiben, lande ich schnell im Netz. Ein paar tausend Zeichen geschrieben, dann zieht es mich wieder in die virtuelle Welt hinaus. Wie entwickeln sich die Zahlen der Infizierten? Wie viele Menschen sind heute wieder gestorben? Gibt es Licht am Ende des Tunnels?

Ich habe das Gefühl, dass ich keine Sekunde in meiner Aufmerksamkeit nachlassen darf. Ich könnte schließlich die entscheidende Meldung verpassen. Wenn ich aufs Klo muss, nehme ich das Handy mit. Über WhatsApp erreichen mich täglich mehrere Dutzend lustige Videos, Fotos und Sinnsprüche – natürlich alle mit Corona-Bezug.

Am frühen Nachmittag bin ich meistens derart ausgelaugt – geistig leer –, dass ich nichts mehr Sinnvolles zustande bringe. Dann gehen nur noch PlayStation oder Netflix. Morgen wieder. Ganz früh – noch vor dem Hauptjob, der sich ebenfalls nur am Bildschirm abspielt. Und dann geht wieder alles von vorne los.

Es ist nicht so, dass ich nicht mehr schreiben kann. Im Gegenteil. Ich schreibe viel. Wie immer. Zum Beispiel eine Art Corona-Tagebuch, das in Auszügen im Mitgliedermagazin des ATLAN-Clubs Deutschland erscheint. Wenn ich allerdings mit Perry, Thora oder Atlan unterwegs bin – wie in NEO 229 –, kommt mir das alles plötzlich irgendwie belanglos vor. Klar, die haben Zellaktivatoren oder waren mal schnell zur medizinischen Generalüberholung im Zeitbrunnen von Lashat. Über Corona müssen die sich keine Sorgen machen.

Ich lerne, dass es so etwas wie »Disaster Fatigue« gibt. Gewissermaßen der offizielle Krisen-Blues. So etwas wie ein autonomer Lagerkoller. Meine Selbstdiagnose fällt trotzdem moderat aus. Ich bin nicht depressiv – dafür halte ich mich auch mental für zu stabil. Es nervt nur irgendwie. Und jeden Tag ein bisschen mehr.

Wenn man mit Freunden spricht – fernmündlich versteht sich –, geht es meistens nur um ein Thema. Der Sieger bei der Wahl zum Wort des Jahres 2020 steht für mich deshalb bereits fest.

Mein NEO wird. In Babyschritten. Manchmal schaffe ich sogar über 10.000 Zeichen am Tag. Das ist eigentlich mein normales Pensum. Ich glaube nicht, dass der Roman schlechter ist als sonst, er strengt mich nur mehr an. Er schreibt sich zäh. Ob er sich auch so liest, entscheiden andere.

Mein Freund und Mit-Expokrat Rainer Schorm macht mir jedenfalls Mut, nachdem er das Endprodukt durch hat – innerhalb von 24 Stunden. Überhaupt gehören die drei bis vier Telefonate, die wir wöchentlich führen, zu den angenehmen Höhepunkten der Corona-Haft.

Vier Wochen Verspätung. Zum ersten Mal in über fünfzehn Jahren Schriftstellerkarriere falle ich derart aus dem Terminrahmen. Obwohl Klaus N. Frick mir rät, mich nicht verrückt zu machen, bin ich von mir selbst enttäuscht. Das passiert mir nicht oft. Ich habe ein ziemlich ausgeprägtes Ego.

Als ich am 15. April das Wort »ENDE« unter mein Manuskript schreibe, sind Erleichterung und Glücksgefühl größer als sonst. Daran, dass ich praktisch sofort mit dem nächsten Band anfangen muss, denke ich in diesen Minuten nicht. »Hallo Klaus«, schreibe ich in der Begleitmail, mit der ich die Datei an den Verlag schicke, »anbei die finale Version von NEO 229 – dem ›Corona-NEO‹, wie er wohl für immer in meinem Gedächtnis abgespeichert ist. Eine schwere Geburt – aber hoffentlich keine schwere Lektüre«.

Direkt danach entsteht dieser Text. Erst als er fertig ist, habe ich das gute Gefühl, dass NEO 229 wirklich abgeschlossen ist.

Nun freue ich mich auf NEO 234. Doch, wirklich.

Es ist ein besonderer Roman – so, wie das Schreiben nach wie vor etwas Besonderes für mich ist. Wenn ich ihn pünktlich Mitte Juni abgebe, ist die Corona-Krise wahrscheinlich noch lange nicht vorbei, aber wir alle sehen, was die Zukunft angeht, ein gutes Stück klarer. Und die Zukunft ist schließlich unser Geschäft.

Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut
Rüdiger Schäfer
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845354293
3,49 €
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Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut
Rüdiger Schäfer
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900005509