Erinnerung an William Voltz – Teil eins Eine Kolumne von Falk-Ingo Klee

21. November 2019

(Der ehemalige ATLAN- und Taschenbuchautor Falk-Ingo Klee erinnert in dieser Kolumne an William Voltz und die Silberbände. Wegen ihrer Länge kommt die Kolumne in zwei Teilen: heute Teil eins, morgen Teil zwei.)

Vor 35 Jahren, am 24. März 1984, starb William Voltz, mit bürgerlichem Namen Wilhelm Karl Voltz, von vielen einfach kurz »Willi« oder »WiVo« genannt. Er befand sich auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als ihn eine heimtückische Krebserkrankung mit nur 46 Jahren aus dem Leben riss.

Die ganze PERRY RHODAN-Fangemeinde trauerte damals um WiVo. Am schmerzlichsten war der Verlust natürlich für seine Frau Inge und die beiden Söhne Stephen und Ralph.

Wer in den sechziger, siebziger und frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts PERRY RHODAN und ATLAN las, kam an WiVo nicht vorbei. Er war schon zu Lebzeiten eine Legende, ein Jahrhundert-Talent, das die Serie als Autor, Ideengeber und Exposé-Verfasser am dauerhaftesten geprägt hat.

Er war »Mister Perry Rhodan«, obwohl die geistigen Väter von PERRY RHODAN wie allseits bekannt K. H. Scheer und Walter Ernsting waren, letzterer wohl populärer unter seinem Pseudonym Clark Darlton.

WiVos Phantasie schien unerschöpflich. Bei der ATLAN-Serie war er quasi von Anfang an dabei, vier der ersten zehn Romane stammten aus seiner Feder. 1973 brachte er mit DRAGON die erste Fantasy-Serie in Deutschland an die Kioske und schrieb dazu die ersten drei Romane. Auch MYTHOR, ebenfalls eine Fantasy-Serie, wurde von ihm initiiert. Er verfasste auch hier Exposés, allerdings keine eigenen Romane.

Meine Leserkarriere bei PERRY RHODAN begann Mitte der sechziger Jahre, und rasch gehörte William Voltz, der bereits 1963 mit Band 74, »Das Grauen«, als Autor in die Serie eingestiegen war, zu meinen Lieblingsautoren. Ab Band 674 übernahm er von K. H. Scheer die Verantwortung für die PERRY RHODAN-Exposés und in Personalunion auch die Tätigkeit als Exposéautor für ATLAN.

Natürlich waren seine Aktivitäten noch weit umfangreicher (nachzulesen in der Perrypedia und der Wikipedia), aber besonders bemerkenswert scheint mir die Konzeption und der Umgang mit den Silberbänden, die seit 1978 erscheinen. WiVo, der die ersten 19 Bände er- und bearbeitete, stellte diese PERRY RHODAN-Buchreihe unter einen völlig neuen Leitgedanken.

Als Band 1 der PERRY RHODAN-Serie im September 1961 erschien, war gerade zuvor im August die Berliner Mauer errichtet worden, markantestes und zugleich symbolträchtigstes Bauwerk der innerdeutschen Grenze, die Deutschland bis 1989 teilte.

Hier der Westen mit der Nato, dort der Osten mit dem Warschauer Pakt. Beide Bündnisse standen sich waffenstarrend und feindselig gegenüber, es war die Hochzeit des Kalten Krieges und der Schwarz-Weiß-Ideologie unter dem Motto »Wir sind die Guten, die anderen die Bösen«. Das schlug sich auch in den PERRY RHODAN-Romanen nieder, die K. H. Scheer bis in die 70er-Jahre konzipierte.

Oft und sehr detailreich schilderte er militärische Auseinandersetzungen und das eingesetzte Waffenarsenal, das meist furchtbare Wirkungen zeigte. Da mussten dann schon mal Geschosse her, die die Sprengkraft von Gigatonnen TNT hatten. Unter »Giga« tat es K. H. Scheer nicht. Die fremden Außerirdischen waren in der Regel die Bösen, die Terraner die Guten, und Raumschlachten waren üblicherweise ein Gemetzel mit Zehn- oder Hunderttausenden von Opfern. Kein Wunder, dass die findigen Fans und Leser Scheers Vornamen umdeuteten und aus dem K. H. für »Karl-Herbert« rasch »Kanonen-Herbert« wurde.

Ich traf K. H. Scheer nie offiziell, also als Autorenkollegen, sondern nur einmal bei einer Autogrammstunde am 6. Oktober 1978 in der Gießener Bahnhofsbuchhandlung. Ich kaufte mir dort extra ein »ZBV«-Taschenbuch, das mir Scheer auch signierte. Ein paar Wochen vorher war mein erster TERRA ASTRA-Roman veröffentlicht worden, aber davon erzählte ich Scheer nichts.

Er war nicht besonders leutselig, sondern kurz angebunden, vielleicht, weil die Fans vereinzelt und in deutlichen zeitlichen Abständen auftauchten anstatt seinen Tisch in großer Zahl zu belagern. Zackig und schneidig wirkte Scheer jedenfalls nicht, sondern eher bieder und nicht wie »Kanonen-Herbert«.

Den signierten »ZBV«-Band habe ich übrigens immer noch im Regal stehen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich ihn bis heute nicht gelesen habe.