Erinnerung an Clark Darlton – Teil eins Eine Kolumne von Falk-Ingo Klee

10. März 2020

 

(Der ehemalige ATLAN- und Taschenbuchautor Falk-Ingo Klee erinnert in dieser Kolumne an Walter Ernsting, der als Clark Darlton einer der Gründer der PERRY RHODAN-Serie war. Wegen ihrer Länge kommt die Kolumne in drei Teilen: heute Teil eins, morgen Teil zwei und übermorgen Teil drei.)

 

Als Clark Darlton, mit bürgerlichem Namen Walter Ernsting, vor fünfzehn Jahren am 15. Januar 2005 im Alter von 84 Jahren starb, war sein Tod für seine Familie sicher am schmerzhaftesten. Aber auch für die PERRY RHODAN-Fans war es ein herber Verlust, ebenso wie für die ganze Science-Fiction-Szene im deutschsprachigen Raum. Mit Walter Ernsting starb ein Urgestein der deutschsprachigen Nachkriegs-SF, ein engagierter Förderer und Fürsprecher dieser Literaturgattung und einer der beiden geistigen Väter der PERRY RHODAN-Serie.

Walter Ernsting, am 13. Juni 1920 geboren, interessierte sich bereits als Jugendlicher für Science Fiction und las so ziemlich alles, was er damals an Zukunftsromanen auftreiben konnte. Nachdem er ab 1952 als Übersetzer für die britische Besatzungsmacht tätig geworden war, lernte er dort Magazine mit englischsprachigen SF-Storys kennen.

Ein Jahr später, also 1953, brachte der Erich Pabel Verlag als Science-Fiction-Reihe den UTOPIA-Großband heraus. Alle vierzehn Tag erschien ein Heft zum Preis von 50 Pfennig (DM 0,50) meistens mit Übersetzungen angloamerikanischer Autoren. Diese Reihe betreute Walter Ernsting ab 1954 als Redakteur und Übersetzer.

Als Clark Darlton veröffentlichte er 1955 seinen ersten SF-Roman »Ufo am Nachthimmel«. Da der Erich Pabel Verlag Geschichten deutscher Autoren ablehnte, gab Walter Ernsting vor, dass es sich um die Übersetzung einer SF-Story des angeblichen britischen Autors Clark Darlton handelte. Im gleichen Jahr gründete Walter Ernsting mit mehreren Gleichgesinnten den SFCD, den Science Fiction Club Deutschland, der bis heute besteht.

1955 schien bei Walter Ernsting eine Art Knoten geplatzt zu sein, denn ab diesem Jahr schrieb und veröffentlichte er unter seinem Pseudonym Kurzgeschichten, Leih- und Taschenbücher. Dazu kamen Romane in den Heftreihen UTOPIA-Großband (Pabel) und TERRA, die im Arthur Moewig Verlag ab 1957 erschienen. Andere Autoren bei TERRA waren unter anderem K. H. Scheer, W. W. Shols (Pseudonym von Winfried Scholz), Kurt Mahr (Pseudonym von Klaus Mahn) und Kurt Brand.

Ein paar Jahre später trafen sich zwei dieser Autoren in einer Wohnung in Irschenberg in Oberbayern und unterhielten sich darüber, dass man doch eine Science-Fiction-Serie mit einem feststehenden Helden schreiben könnte. Der Wohnungsinhaber war Walter Ernsting und sein Besucher hieß K. H. Scheer.

Beflügelt von etlichen Bierchen, beschlossen die beiden, ihre Idee Kurt Bernhardt zu Gehör zu bringen. Bernhardt war als Cheflektor des Münchener Heyne-Verlags auch für die Heftreihen des dazugehörigen Arthur Moewig Verlags zuständig.

Bewaffnet mit einem Manuskript für TERRA  und etlichen Romanen angloamerikanischer Autoren, die er in seiner Funktion als Literaturagent präsentierte, tauchte Walter Ernsting zwei Wochen später in Bernhardts Büro auf.

So jedenfalls schildert Walter Ernsting alias Clark Darlton die Entstehungsgeschichte von PERRY RHODAN in seinem Beitrag zum Werkstattband »Die ersten 25 Jahre« und berichtet dann weiter über seine Begegnung mit Bernhardt:

»›Was bringe Se denn da scho widder für nen Mist?‹ lautete seine herzliche Begrüßung. In gutem Deutsch fuhr er dann fort: ›Dann lassen Sie mal sehen.‹ Nach einem kurzen Blick auf die Titel auch auf den meines Manuskripts fuhr er fort: ›Damit soll sich der Schelwokat herumärgern. Und sonst gibt es nichts Neues?‹

Irgendwie tönte seine Frage ein wenig lauernd.

›Ich hätte da eine Idee‹, begann ich, kam aber nicht weiter.

›Sie und Ihre Ideen!‹, rief er wegwerfend, beugte sich dann aber vor. ›Was ist es denn?‹

›Eine Heftserie mit einem feststehenden Helden. Eine SF-Serie!‹

›Ach nee!‹ Er grinste. ›So was wie JIM PARKER vielleicht?‹ (Anmerkung des Kolumnisten: JIM PARKER war eine humoristische Krimiserie, die im Heftromanformat ab 1953 erschien).

›Besser!‹, knallte ich es ihm auf den Tisch des Hauses.

Er lehnte sich zurück. In seinen Augen glitzerte es verdächtig.

›Und wie stellen sich die Herren Autoren das vor?‹

Ich erklärte es ihm, obwohl ich nun wusste, dass KHS ihn bereits informiert hatte, schloss dann aber: ›Scheer und ich schreiben abwechselnd, dann könnte jeden Monat ein Roman der Serie erscheinen und …‹

›Wenn schon, dann jede Woche‹, bestimmte er kategorisch.

›Wie sollen wir das denn schaffen?‹, fragte ich, blass geworden.

›Indem ihr schreibt‹, lautete sein freundschaftlicher Rat. Sachlicher fügte er hinzu: ›Versucht, noch weitere Autoren zu finden, die geeignet sind. Aber vergessen Sie nicht – ist alles noch unverbindlich …‹«

Walter Ernsting fand dann auch zwei Mitstreiter: Klaus Mahn (Kurt Mahr), damals Physikstudent aus Darmstadt und Winfried Scholz (W. W. Shols), Angestellter einer Großdruckerei aus Bielefeld.