Die Himalaya-Bombe – Teil 1 Werkstattbericht von Rüdiger Schäfer

8. September 2020

Mitte Februar 2020 fanden Rainer Schorm und ich eine Mail von Klaus N. Frick in unserem elektronischen Postkorb. Das ist nichts Ungewöhnliches; so etwas passiert sogar relativ häufig. Aber diesmal sollte sich daraus etwas entwickeln, was ich im Nachhinein als mein bisher größtes »literarisches Experiment« bezeichnen würde.

In besagter Mail unseres Redakteurs ging es um aktuelle und geplante Marketing-Aktivitäten für PERRY RHODAN NEO. In einem Absatz hieß es: »Ich hätte gerne mal einen Roman – das ist vielleicht nur ein Traum –, den wir separat bewerben könnten. Einen Roman, der beispielsweise eine wichtige Entwicklung auf der Erde oder dem Mars oder dem Mond erzählt, die in sich abgeschlossen ist, sowohl am Anfang als auch am Ende.«

Aus diesem Wunsch (die Wünsche und Träume des PR-Chefredakteurs sind uns Autoren natürlich stets Befehle) entwickelte sich eine rege Diskussion zwischen Rainer und mir. Wir saßen gerade an der Detailplanung für die »Sagittarius«-Staffel.

In dieser machen sich Perry und seine Freunde mit der CREST II erneut auf den Weg ins Omnitische Compariat; diesmal allerdings direkt Richtung galaktisches Zentrum, um mehr über Tihit zu erfahren. Das ist jene Entität aus Dunkelleben, die im dort vorhandenen supermassereichen Schwarzen Loch Sagittarius A* lauert.

In einem der zehn Romane – Band 234 – wollten wir (wie schon in der Staffel zuvor) die Ereignisse auf der Erde thematisieren. Eigentlich eine perfekte Gelegenheit, um den von Klaus erträumten Roman zu basteln, eine Geschichte, die auf der Erde und im Solsystem der näheren Zukunft spielt und die wirklich jeder lesen kann. Auch wenn er noch nie zuvor von PERRY RHODAN gehört hat.

Während der nächsten Tage entstand so das Konzept für »Die Himalaya-Bombe«, das wir schließlich an die Redaktion und zur Begutachtung an Klaus schickten. Dieser meldete sich sehr schnell zurück, fand den grundlegenden Ansatz auch gut, bemängelte allerdings den Umstand, dass alles immer noch zu sehr auf die Stammkunden ausgerichtet war.

Ein »normaler« Leser, so der Chefredakteur, würde einfach nicht schnell und gut genug verstehen, was da vor sich ging – und warum. Allerdings bot er direkt eine Lösung an, die ich – ganz ohne Schmeichelei, sondern aus voller Überzeugung – als genial empfand.

»Kennst Du den Roman ›Das Jesus Video‹ von Andreas Eschbach?«, fragte mich Klaus. »In diesem wird die Geschichte aus der Sicht eines Schreiberlings erzählt, der von all den Dingen, auf die er stößt, eigentlich nicht viel weiß – wie der Leser auch – und der deshalb von einem Staunen in das nächste gestoßen wird. Wenn du denselben Trick auf dein Konzept anwendest, könnte NEO 234 ein Kracher werden.«

Ich war sofort begeistert. Klaus führte seine Idee in der Folge noch detaillierter aus, und nachdem ich alles mehrfach gelesen und erneut mit Rainer gesprochen hatte, entstand das finale Exposé. Die komplette Geschichte um eine gefährliche Hinterlassenschaft der Liduuri, die die gesamte Erde bedroht, sollte aus der Sicht einer ganz normalen Person erzählt werden. Einem Menschen, den es mehr oder weniger zufällig in die abenteuerliche Welt unserer Helden verschlägt und der genauso staunend und fasziniert vor all den unglaublichen Wundern und dramatischen Ereignissen steht wie ein Leser, der seinen ersten PERRY RHODAN-Roman liest.

Ich gebe es zu: Ein bisschen mulmig war mir angesichts dieser enormen Herausforderung schon. Andererseits freute ich mich auch auf die Aufgabe. Wenn alles so klappte wie geplant, dachte ich, könnte ich vielleicht endlich mal meinen Freunden, von denen viele so gar nichts mit Science Fiction oder PR am Hut haben, etwas von mir in die Hand drücken – und sie könnten es tatsächlich auch lesen, ohne nur Bahnhof zu verstehen.

Ende Februar entstand Hannah Stein. Als Romanfigur. Im Datenblatt legte ich ihren Geburtstag auf den 15. September 2041 (einen Sonntag). Sie kommt in Düsseldorf zur Welt. Ihr Vater Sedat Stein (32 Jahre, türkischer Abstammung, aber in Deutschland geboren und aufgewachsen) arbeitet als Positronik-Designer bei einer Tochterfirma der Whistler Corporation. Ihre Mutter Samira Stein (geborene Sayed) ist auf dem Space Port Cologne-Bonn als Logistik-Koordinatorin im Frachthafen beschäftigt. Ihre Großeltern kamen einst aus Syrien nach Deutschland und wurden dort sesshaft.

Hannah kennt Thomas Rhodan, der 25 Jahre zuvor im Rahmen seiner Ausbildung ein Semester Astrophysik und Hyperinformatik in Deutschland studierte. Die beiden werden zwar kein Paar, verstehen sich aber gut. Danach reist Tom wieder ab und der Kontakt schläft ein. Hannah macht ihren Doktor und avanciert zu einer führenden Liduuri-Expertin, die an der Kölner Hochschule für extraterrestrische Geschichte und vergleichende Kulturhistorik lehrt und forscht. Als Tom schließlich genau eine solche Expertin benötigt, erinnert er sich wieder an seine Studienfreundin und ruft sie an.

Ich verfasste die ersten 30.000 Anschläge (ein NEO-Roman kommt insgesamt auf rund 280.000 Anschläge, ein Heftroman der klassischen PERRY RHODAN-Serie auf 180.000), die Hannahs Alltag und den überraschenden Anruf des Rhodan-Sprösslings beschrieben. Danach schickte ich alles an Klaus und Rainer. Ich wollte sichergehen, dass ich bezüglich unseres Experiments auf der richtigen Spur war.

Erwartungsgemäß erhielt ich von meinen beiden »Testlesern« wertvollen Input, der in eine nochmalige Überarbeitung der Einstiegskapitel floss. Der Anfang war gemacht.

Perry Rhodan Neo 234: Die Himalaya-Bombe
Rüdiger Schäfer
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845354347
3,49 €
(inkl. MwSt.)
Download
In den Warenkorb
Perry Rhodan Neo 234: Die Himalaya-Bombe
Rüdiger Schäfer
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900005912